Geschäftsführung: Marius Feldmann, Nicolas Röhrs und Jens-Struckmeier
MITTELSTAND / BRANCHEN

Rechnen und Heizen

Serverschränke produzieren viel heiße Luft, die ungenutzt verpufft. Das Dresdner Start-up „Cloud&Heat“ dreht diese klimaschädliche Verschwendung um – und baut wassergekühlte Rechenzentren, die mit ihrer Abwärme als Heizung funktionieren. Inzwischen sind mehr als 1000 Projekte entstanden, das Unternehmen ist auf mehr als 100 Mitarbeiter angewachsen.

 

Diese Erfolgsgeschichte beginnt mit einer verrückten Idee. Sie handelt von zwei Wissenschaftlern der TU Dresden, die zusammen an einer Lösung knobeln. Der eine von ihnen, Informatikprofessor Christof Fetzer, will für seine Familie ein ökologisch ambitioniertes Passivhaus bauen und sucht eine nachhaltige Heizlösung. Der andere, Physiker Dr. Jens Struckmeier, sucht Kapazitäten für die Erweiterung seines Rechenzentrums an der Universität. Am Ende bringen sie beide Wünsche zusammen und installieren einen Serverraum in Fetzers neuem Keller. Jede Rechenoperation in Struckmeiers wassergekühlten Computern versorgt seither das Wohnhaus mit Heizenergie und Warmwasser. Die Abwärme des kleinen Rechenzentrums wird einfach in einem großen Boiler zwischengespeichert und je nach Bedarf im Haus verteilt.

Das geht jetzt sieben Jahre so, und Fetzer hat nie kalte Füße bekommen. Als der Coup gelang, hoben die beiden Wissenschaftler das Start-up „Cloud&Heat“ aus der Taufe. Struckmeier leitet dort bis heute die Forschung und Entwicklung und treibt die Technologie voran. Inzwischen beschäftigt die aufsteigende Firma rund 50 Experten für Hardware und ebenso viele für die Software-Steuerung, darunter auch in San Francisco und Dubai. Umsatz 2018: fast 16 Millionen Euro.

Windpark
CMYK Hardware-MDC-Office-Single

Das technische Prinzip ist simpel: Statt die enorme Wärme von Computerelementen, wie Prozessoren und Grafikkarten, mit Ventilatoren in die Raumluft zu pusten, werden die Bauteile auf der Hauptplatine mit kleinen Leitungen gekühlt. Das entsalzte Wasser in den hermetisch geschlossenen Kreisläufen aus dünnen Kupferrohren oder anderen Materialien, die sich durch die Computer schlängeln, erwärmt sich und wird dann mit Schläuchen an eine Heizungsanlage geführt. Unterdruck verhindert in dem eigens patentierten Pumpensystem, dass das Wasser austreten kann. Die effiziente Lösung spart eine Menge Strom für die Kühlung und macht Klimaanlagen in Rechenzentren überflüssig.

Die enorme Energie des Systems verdeutlich CEO Nicolas Röhrs, der 2014 durch einen Hamburger Privatinvestor ins Unternehmen kam, an einem Beispiel: Während ein Induktionsherd etwa acht Watt Heizleistung pro Quadratzentimeter abstrahle, seien es bei einem Chip 32 Watt – das Vierfache. Zugleich spare Wasserkühlung etwa 30 Prozent des Strombedarfs gegenüber der Luftkühlung und reduziere im gleichen Maß CO2-Emissionen – und dies bei nur geringfügig höheren Anschaffungskosten. „Wir bauen die energieeffizientesten Rechenzentren weltweit“, sagt Röhrs und legt dabei Wert auf eine zentrale Feststellung: „Wir sind keine Heizungsbauer. Die Heizung ist für uns nur ein Mittel für nachhaltige Kühllösungen in Rechenzentren.“

CEO Nicolas Röhrs
Serverblade

Statt auf Einfamilienhäuser wie das von Gründer Christof Fetzer setzt Cloud&Heat inzwischen auf deutlich größere Kunden. In einem Pilotprojekt wurde das 111 Meter hohe Eurotheum-Hochhaus in der Frankfurt City ausgerüstet, in dem bis 2015 die Europäische Zentralbank ihren Sitz hatte. Kostenvorteile im Jahr: Bis zu 160.000 Euro, CO2-Einsparung: bis zu 550 Tonnen. Mehr als 1000 Cloud&Heat-Server sind inzwischen in Europa, Asien und den USA im Einsatz, darunter bei vielen namhaften Unternehmen. Das Green-IT-Unternehmen entwickelt dabei immer wieder neue, individuelle Kühlgeometrien für die speziellen Bedürfnisse der Kunden. Gefertigt werden sie bei einem Unternehmen im nahen Freiberg.

Angesichts des wachsenden Datenbedarfs der Digitalisierung ist Röhrs optimistisch, dass Wasserkühlung zunehmend unverzichtbar wird. Der klassischen Luftkühlung könne bei den Anforderungen etwa von Künstlicher Intelligenz, 5G-Funktechnik, dem autonomen Fahren, Virtual und Augmented Reality oder Blockchain die Puste ausgehen. Zudem dränge die Gesellschaft zunehmend zu klimafreundlichen Lösungen. „Wir hatten allein in jüngster Zeit Besuche von drei Dax-Konzernen“, erzählt Röhrs. Darüber hinaus entwickelt Cloud&Heat inzwischen mobile Rechenzentren in Containern, die unter anderem für Nahwärmenetze in Skandinavien eingesetzt werden können. „Da Wasserkühlung deutlich weniger Platz benötigt, bringen wir in einem Container fünfmal so viel Rechenkapazität unter wie bei der Luftkühlung“, sagt Röhrs.

 

Cloud&Heat Container
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Neben der Hardware-Expertise entwickelt und betreibt Cloud&Heat seit seiner Gründung auch eine eigene Cloud-Software. Damit verarbeiten vor allem Unternehmen für KI-Lösungen und Machine-Learning ihre enormen Datenmengen. Mit Hilfe des Joint-Ventures „SecuStack“, einer gemeinsamen Tochter mit der secunet AG, werden diese Infrastrukturlösungen zudem mit besonders hohen Sicherheitsstandards angeboten.

Das Unternehmen hat bereits eine ganze Reihe von Auszeichnungen erhalten, darunter dreimal den Deutschen Rechenzentrumspreis, den Deloitte Technology Fast 50 Award und den Tech-Tour-Innovationspreis 2019. Cloud&Heat zählt inzwischen zur Gattung der zukünftigen „Einhörner“, denen ein baldiger Firmenwert von mehr als einer Milliarde Dollar zugetraut wird.

Dresden ist und bleibt dennoch für Cloud&Heat ein idealer Standort – durch die Nähe zu den Unternehmen des Silicon Saxony und der TU Dresden mit ihren gut ausgebildeten Absolventen. „Dresden ist ein gutes Pflaster, um Nachwuchs zu finden. In Berlin herrscht ein ganz anderer Konkurrenzkampf“, sagt Röhrs. Wünschen würde er sich nur, dass junge Unternehmen im Osten durch öffentliche Investoren und Banken mehr finanzielle Puffer bekämen – etwa um interessierten Kunden Leasingangebote unterbreiten zu können. Röhrs: „Da ist noch Luft nach oben.“

Interview und redaktionelle Bearbeitung durch: Sven Heitkamp | Freier Journalist | Leipzig

(Bildquellen: Cloud&Heat Technologies GmbH)

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