MITTELSTAND / BRANCHEN

Software als Kassenschlager

1990 setzen sich in Schöneck im Vogtland zwei Informatiker zusammen und entwickeln Betriebswirtschaftsprogramme für Mittelständler. In den damals noch neuen Bundesländern werden solche Lösungen dringend benötigt. Heute ist das einstige Zwei-Mann-Unternehmen, die GK Software SE, ein international führender Software-Anbieter für Filialen des Einzelhandels. Zu den Kunden gehören große Handelsketten von Aldi über Edeka bis Lidl, von Hornbach bis WMF. Der börsennotierte Konzern hat weltweit mehr als 1100 Mitarbeiter und schrieb zuletzt 115 Millionen Euro Umsatz. Doch sein Herz schlägt weiter im Vogtland.

 

In der Waldstraße in Schöneck liegt ein moderner Campus samt Schulungsräumen, Cafés mit eigenen Baristas, Restaurant, Hotel und Kita. Die hellen, offenen Häuser sind die Aushängeschilder des Technologiekonzerns GK Software, der an der Frankfurter Börse gehandelt wird, aber hier im südwestlichsten Zipfel Sachsens seit 30 Jahren seinen Sitz hat. Besuchen kann man die Zentrale in diesem Pandemie-Winter kaum. Stattdessen trifft man einen der beiden Gründerväter, Rainer Gläß, in einer virtuellen Teams-Besprechung. Der Träger des Bundesverdienstordens wurde jüngst vom Ostdeutschen Bankenverband zum 30. Jahrestag der deutschen Einheit als „Macher 30“ mit dem Ehrenpreis des Ostens ausgezeichnet. Nun erzählt er von der Geschichte des Konzerns, die zugleich seine Lebens- und Erfolgsgeschichte ist.

Gläß, Jahrgang 1959, hatte Informatik an der TU Dresden studiert, arbeitete dann zunächst als Softwareentwickler im Kombinat VEB Musikinstrumentenbau in Markneukirchen. Noch zu DDR-Zeiten aber macht er sich selbstständig. „Das war im damaligen Gesellschaftssystem abenteuerlich“, erzählt Gläß, „und es hat zu einigen Stasiakten geführt.“ Umso mehr habe die Öffnung der Grenzen mit dem Mauerfall seine Kräfte freigesetzt. Zusammen mit seinem Kompagnon Stephan Kronmüller, der heute eine wichtige Tochterfirma des Konzerns leitet, beginnt Gläß 1990 den Aufbau des eigenen Unternehmens. Tag und Nacht tüftelt das Duo an Softwareprodukten für Mittelständler, später vor allem für den Einzelhandel. Im Jahr 2000 ist GK/Retail die erste Filiallösung, die von SAP zertifiziert wird. 2008 folgt der erste Börsengang eines Ost-Unternehmens im Prime Standard der Frankfurter Börse. Seither hat sich der Umsatz verzehnfacht.

Die GK Software SE hat heute Standorte in den USA und Südafrika, in Russland und der Ukraine, in Tschechien und der Schweiz, doch das Vogtland bleibt die Heimat des Unternehmens.
In der Waldstraße in Schöneck liegt ein moderner Campus samt Schulungsräumen, Cafés mit eigenen Baristas, Restaurant, Hotel und Kita.

GK Software profitiert vom Umbruch des Einzelhandels, von dessen Weg hin zu einer breiten Digitalisierung in allen Abläufen bis hin zum Aufbau von Social-Media-Kanälen. Auch die Corona-Pandemie konnte dem Höhenflug nichts anhaben – im Gegenteil. „2020 war für uns ein ausgezeichnetes Jahr“, sagt Gläß, ohne genaue Zahlen zu nennen. Seine Mitarbeiter hätten diese Meisterleistung komplett aus dem Homeoffice bewerkstelligt, dafür könne er nur dankbar sein.

Das Geheimnis des Erfolgs liege aber nicht nur in vorausschauenden technologischen Lösungen – sondern vor allem in der unternehmerischen Resilienz, auch unter dem Druck wirtschaftlicher Veränderungen zu bestehen und sich neuen Bedingungen anzupassen. „Wenn Sie diese Fähigkeit beherrschen und die Intuition besitzen, große Entwicklungen rechtzeitig zu erkennen, ist es fast egal, was Sie anfangen“, sagt Gläß. Hinzu kommt sein ausgeprägter Perfektionismus: „Ich kann nur das Beste“, sagt der IT-Diplomingenieur. „Ich habe immer den Anspruch, unter den jeweiligen Bedingungen die optimale Lösung zu schaffen. Quick and dirty kann jeder.“

Die GK Software SE hat heute Standorte in den USA und Südafrika, in Russland und der Ukraine, in Tschechien und der Schweiz. Nach einer Studie des unabhängigen Branchenexperten „RBR“ hat das Unternehmen eine internationale Spitzenposition inne: 2020 konnte GK Software im Einzelhandel mehr neue Installationen ausrollen als jeder andere Anbieter. Mit Hunderttausenden aktiven Installationen in mehr als 60 Ländern ist der vogtländische Konzern die Nummer 2 in Europa. Daneben baut der Platzhirsch dank seiner innovativen Cloud-Lösungen auch seinen weltweiten Marktanteil bei Großkunden in den USA, Mexiko, Kolumbien, Indien und dem asiatisch-pazifischen Raum weiter aus. „Wir haben lange um unsere Position gekämpft – aber inzwischen haben wir es geschafft, eine Leadership-Rolle in vielen Märkten der Welt einzunehmen“, sagt Vorstandschef Gläß. „Unser Anspruch ist es, die innovativsten und flexibelsten Einzelhandels-Lösungen zu liefern, damit unsere Kunden im Wettbewerb erfolgreich agieren können.“

1990 gegründet, tüftelt das Duo Gläß und Kronmüller Tag und Nacht an Softwareprodukten für Mittelständler, später vor allem für den Einzelhandel.
Nach einer Studie des unabhängigen Branchenexperten „RBR“ hat das Unternehmen eine internationale Spitzenposition inne: 2020 konnte GK Software im Einzelhandel mehr neue Installationen ausrollen als jeder andere Anbieter.

Ostdeutschen Unternehmen, die in andere Länder expandieren und exportieren wollten, rät er vor allem zu einer gründlichen Vorbereitung: das richtige Produkt für internationale Märkte finden, die Player der Branche bestens kennen, Lobbyarbeit betreiben, eine Basis vor Ort schaffen. „Wer die Welt erobern will, muss auch hinausgehen“, sagt Gläß. Seiner Heimat fühlt er sich dennoch bis heute eng verbunden. „Ein Unternehmen hat eine Verantwortung für seine Region und sollte für die junge Generation neue Türen öffnen“, sagt er. So hat Gläß nicht nur Restaurants, Cafés und das Hotel eröffnet, sondern sich auch für ein Heim für elternlose Kinder engagiert. Zudem investiert der leidenschaftliche Skifahrer und Rennradfahrer in die technische Ausstattung von Skipisten, in die Kammloipe oder eine Fitnesstrainerin für die Beschäftigten. Ein gutes Umfeld soll letztlich auch der Gewinnung und Bindung von Mitarbeitern dienen. „Gute Angebote für seine Beschäftigten zu schaffen, ist Ausdruck davon, wie man miteinander umgeht“, betont Gläß.

Seine persönliche Perspektive lässt er indes offen. Der Aufsichtsrat hat zwar seinen Vertrag bis Mitte 2024 verlängert, der Vorstandsvorsitzende erreicht dann das Rentenalter. „Ich habe mir aber früh abgewöhnt, in Zehn-Jahres-Zyklen zu planen“, sagt er salomonisch. „Der Schlüssel für ein glückliches Leben liegt für mich darin, die jeweils anstehenden Aufgaben erfolgreich zu erfüllen.“

Interview und redaktionelle Bearbeitung durch: Sven Heitkamp | Freier Journalist | Leipzig
(Bildquellen: GK Software SE)

Veröffentlicht am 04.02.2021

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