#FridayThoughts

MITTELSTAND / WIRTSCHAFTSENTWICKLUNG

Berufsberatung an Schulen – nur Schall und Rauch?

Heute aus der Feder von:
Jakob Gresselmaier | Praktikant | Ostdeutscher Bankenverband e.V.

Jakob ist frisch gebackener Abiturient und absolvierte von Juni bis Ende Juli 2023 ein freiwilliges Praktikum im Ostdeutschen Bankenverband. Im Rahmen des Praktikums fragten wir ihn, welches (wirtschaftspolitische) Thema in besonders interessiert und er berichtete uns von seinen Erfahrungen mit der schulischen Berufsberatung. Im Rahmen des Praktikums baten wir ihn daher FridayThought dazu zu formulieren.

Eine Frage, die sich Schülerinnen und Schüler immer wieder stellen, ist: “Was macht man, wenn man nicht weiß, was man machen will?” Eine Antwort, die man daraufhin häufig hört: “Mach doch eine Berufsberatung”. Vielen ist jedoch nicht bewusst, dass Berater/innen bereits heute an die Schulen kommen, um Abgehende zu beraten. Gerade an Gymnasien wurden diese Bemühungen in den letzten Jahren bedeutend verstärkt. Mit einer einfachen Suche lassen sich außerdem noch viel mehr Angebote der Agentur für Arbeit finden. Doch darauf muss man erst einmal kommen – oder eben gebracht werden.  

(M)Ein kleiner Erfahrungsbericht  

Meinen Mitschüler/innen und mir war beispielsweise nicht klar, dass ein/e Berufsberater/in unsere Schule besuchen würde – dementsprechend überrascht und unvorbereitet waren wir, hatten wir doch zuvor noch nie etwas von einem solchen Beratungsgespräch gehört. 

Und dann war es so weit. Die ersten Mitschüler/innen kehrten vom Berater zurück und waren sichtlich frustriert; wofür es im Wesentlichen zwei Gründe gab: Entweder betrachteten sie die 15 Minuten für das Beratungsgespräch von vornherein als verschwendet oder sie hatten nicht die Erkenntnisse gewonnen, die sie sich von der Unterhaltung erhofft hatten.  

Gerade der letzte Punkt ist hochproblematisch, wird doch hier entscheidendes Potential zur Unterstützung verschenkt: Ein Freund von mir, der noch keine Idee hatte, was er nach dem Abitur machen wollte und deshalb offen für Vorschläge des Beraters war, gewann durch das Gespräch jedenfalls keinerlei neue Erkenntnisse. Schlussendlich schien die Ansicht vorzuherrschen, dass es sich bei dem Beratungsgespräch um reine Zeitverschwendung handelte, denn alle Informationen hätten genauso gut in einer E-Mail verteilt werden können. 

Der Grund dafür ist jedoch nicht in der Arbeit des Beraters an unserer Schule zu finden. Vielmehr sind es die Rahmenbedingungen, unter denen er arbeiten musste. Es ist schade, dass scheinbar verpflichtend alle Schüler/innen, einschließlich der Unwilligen, an dem Gespräch teilnehmen müssen, anstatt diejenigen herauszufiltern, welche die Beratung tatsächlich bräuchten.  

Was kann man stattdessen tun? 

Ein Ansatzpunkt könnte eine Art „Vorentscheid“ sein. Denkbar wäre etwa ein verpflichtendes Quiz, eingebunden in eine Schulstunde mit den Beratenden. Ein Ziel wäre hier zu ermitteln, inwiefern die berufliche Zukunft von den jeweiligen Schüler/innen bereits durchgeplant ist und wie sicher sie sich in ihrer Wahl sind. So könnten diejenigen ermittelt werden, die tatsächlich Interesse oder Bedarf an dem Beratungsangebot hätten. Dies würde den Berater/innen ermöglichen, sich intensiver mit den einzelnen Personen auseinanderzusetzen und so die Qualität der individuellen Beratung zu erhöhen.  

Sollte dies so umgesetzt werden, könnten Fälle wie bei meinem Freund vermieden werden. Man könnte Personen, welche offen für Vorschläge sind bei der Stange halten und ihr Interesse an weiteren Angeboten wecken. So würde die Berufsberatung ohne Zweifel zu einem wichtigen Werkzeug der Agenturen werden, um allen Schüler/innen die bestmögliche Betreuung bereitzustellen.  

Ein erklärtes Ziel der Agentur für Arbeit ist es außerdem Ausbildung und duales Studium, vor allem für Abiturient/innen, als eine valide Alternative zum traditionellen Studium an einer Universität vorzustellen. Dies ist in meinem Fall nicht geschehen. Doch gerade hier steckt viel Potential. So könnte z.B. durch Kooperation von Arbeitsagentur sowie kleinen und mittelständischen Unternehmen Ausbildungsberufe attraktiv vorgestellt werden. Dies wäre in meinen Augen eine win-win Situation: die Ressourcen der Arbeitsagenturen werden geschont und die schwierige Suche nach Auszubildende für Unternehmen könnte erleichtert werden. So könnte man auch dem Fachkräftemangel in vielen Berufen entgegenwirken

Und nicht zuletzt zeigen gerade private Berufsbratungsagenturen mit kleineren Gruppengrößen und individuellerer Betreuung, in welche Richtung die staatliche Berufsberatung sich in Zukunft entwickeln sollte – auch wenn klar ist, dass nicht 1:1 die gleichen Kapazitäten bei den Arbeitsagenturen vorherrschen. 

Abschließend ist also festzuhalten, dass die Berufsberatung an Schulen in ihrer momentanen Form keinesfalls ausreichend ist, um den aktuellen Herausforderungen im deutschen Arbeitsmarkt gerecht zu werden und erst recht nicht, um als Schüler/in für die Zukunft gewappnet zu sein. In Anbetracht von 40% unbesetzten Lehrstellen in Deutschland im Jahr 2021 sowie einer Abbruchquote von 28% (in 2020) von Bachelorstudierenden können wir uns diesen Status Quo nicht weiter leisten.  

Veröffentlichung: 28. Juli 2023

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