MITTELSTAND / WIRTSCHAFTSENTWICKLUNG

Fitness und Innovationskraft der Unternehmen sowie ihrer Banken erhalten

Das Corona-Virus hat weite Teile der Welt und damit ebenso Europa in den Stand by-Modus gezwungen. In Deutschland und anderen Ländern des Kontinents wurde die wirtschaftliche Aktivität drastisch heruntergefahren. Umgekehrt wurde der Gesundheitsschutz der Bevölkerung hochgefahren. Vieles in Bezug auf das Virus ist noch unklar. Doch gerade, wenn es an sicheren Erkenntnissen und einer breiten Datenbasis mangelt, ist es schlicht und ergreifend weise, die größtmögliche Vorsicht walten zu lassen. Es geht um den Schutz von Menschenleben.

Ebenso richtig und entschlossen haben die Bundesregierung und alle Landesregierungen Maßnahmen gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise ergriffen. Es wird ein finanzieller Rettungsschirm aufgespannt, wie er in seinem Ausmaß ohne Vergleich in der Bundesrepublik ist. Unter diesen Schirm sollen sich all jene Unternehmen, Selbständige und Freiberufler flüchten können, die durch die Pandemie den wirtschaftlichen Boden unter den Füßen verlieren. Allein der Bund stellt hierfür Mittel in Höhe von 650 Mrd. Euro bereit. Zum Vergleich: Der Bundeshaushalt 2020, also die gesamten Ausgaben (und Einnahmen) belief sich in seiner ursprünglichen Fassung auf 362 Mrd. Euro. Durch den Corona-Nachtragshaushalt ist nun diese Summe auf fast 485 Mrd. Euro hochgeschnellt. In der Finanzkrise hatte das Rettungspaket einen geringeren Umfang von circa 480 Mrd. Euro. Der überwiegende Teil davon wurde als Garantien eingesetzt.

Solche Summen sind schon heute schlicht notwendig, wenn man sich die möglichen Verwerfungen anschaut, die durch den Shutdown der Wirtschaft hervorgerufen werden. Die Meinungen der Ökonomen gehen beim Ausmaß des Einbruchs zwar auseinander, doch alle sehen erhebliche Einbußen. So halten die Wirtschaftsweisen einen BIP-Rückgang von bis zu 5,4 Prozent für möglich. Pessimistischer ist das Ifo-Institut. Seine Berechnungen der Krisenkosten liegen zwischen 7,2 und 20,6 Prozentpunkten des Bruttoinlandsprodukts. Im Zuge der globalen Finanzkrise 2009 lag der BIP-Rückgang bei rund fünf Prozent. Damit ist klar, welche enormen ökonomischen und sozialen Folgen Covid-19 mit sich bringt.

Daher muss jetzt, da die Gesetze und Durchführungsverordnungen auf den Weg gebracht wurden, das Geld aus dem Rettungsschirm schnell bei den Unternehmen und Selbständigen sowie Freiberuflern ankommen. Auch hier legen sich alle ins Zeug, die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) als geübter Dienstleister der Politik in Sachen Förderung, die Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken und nicht zuletzt die privaten Banken. Gerade in Ostdeutschland entfällt auf Letztere der Großteil der Unternehmensfinanzierungen. Sie sind zwischen Ostsee und Erzgebirge zentraler Ansprechpartner im Mittelstand und für große Unternehmen.

Während jedoch bei den kleineren Firmen direkte Zuschüsse ohne Rückzahlungsverpflichtung zum Einsatz kommen – wenn man so will eine Light-Variante des Helikopter-Geldes –, die vielerorts leider für mittelgroße Mittelständler mit bis zu 100 Mitarbeitern fehlen, sind es bei den größeren Unternehmen Garantien und Kredite. Mit diesen Instrumenten ist jedoch immer ein Ausfallrisiko verbunden. Zwar übernimmt der Bund dieses Risiko selbst bis zu dem Maximum, das laut EU-Beihilferecht möglich ist, nämlich zwischen 80 und 90 Prozent, je nach Unternehmensgröße. Doch ein nicht unerhebliches Restrisiko bleibt bei der Kreditwirtschaft. Hier summiert sich schnell ein erhebliches Verlustpotenzial, wenn die gesamte Volkswirtschaft weitgehend stillsteht.

Gleichfalls darf man die Augen nicht vor einer Entwicklung auf Seiten der Unternehmenskunden verschließen. Erst Ende des vergangenen Jahres machte das Wort von der „Zombiefizierung der Unternehmenslandschaft“ wieder die Runde. Sicher geraten derzeit auch viele gesunde Unternehmen mit einer guten Marktperformance unverschuldet in eine Schieflage – sie benötigen und verdienen daher kurzfristige Hilfen. Aber manche Unternehmen können sich zuletzt nur schwer am Markt behaupten. Ihr Geschäftsmodell, ihr operatives Geschäft sichert ihren Fortbestand nicht mehr. Fast acht Prozent der deutschen Unternehmen war nach Daten von Creditreform Ende 2019 eigentlich nicht mehr kreditwürdig. Bei den an den Börsen notierten Unternehmen sollen hierzulande sogar zwölf Prozent nicht mehr aus eigener Kraft überlebensfähig sein.

Nimmt man beide Seiten zusammen, dann spräche bei manchen Rettungsfällen in der momentanen Krise auch nichts gegen eine politische garantierte Ausfallbürgschaft von 100 Prozent. Oder die Politik stärkt den Banken in dieser Ausnahmesituation den Rücken und macht deutlich, dass es kein Gießkannenprinzip geben darf.

Solche Betrachtungen müssen angesichts der Konsequenzen durch das Corona-Virus legitim und angebracht bleiben. Denn wenn diese Krise vorbei ist, wenn die Wirtschaft schrittweise in den Betriebsmodus hochgefahren wird, dann kommt es für eine rasche Erholung nicht zuletzt auf die Fitness und Innovationskraft der Unternehmen und ihrer Banken an. Diese Leistungsfähigkeit ist aber davon abhängig, dass Firmen am Markt konkurrieren, deren Geschäftsmodell tragfähig und deren Finanzen solide sind. Das gehört zur Wahrheit dazu.

Veröffentlichung: 2. April 2020

Achim Oelgarth

Achim Oelgarth ist Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Ostdeutschen Bankenverbands.

Dr. Alexander Schumann

Alexander Schumann ist Volkswirt und Journalist und war zuletzt Chefvolkswirt des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Er berät den Ostdeutschen Bankenverband in volkswirtschaftlichen Themen.

OSTBV VERTEILER

Bleiben Sie informiert!

Jetzt haben Sie die Möglichkeit, sich in unseren Verteiler eintragen zu lassen. Somit sind Sie immer auf dem Laufenden, was Ostdeutschland bewegt.