MITTELSTAND / WIRTSCHAFTSENTWICKLUNG

Konjunktur-Wetter: Freundlich bis sonnig

Der Corona-Sommer 2020 biegt langsam aber sicher auf die Zielgerade ein. In zweierlei Hinsicht haben die traditionellen Ferienmonate Erwartungen übererfüllt: meteorologisch und ökonomisch.

Was das Wetter anbelangt, so schien die Sonne wieder einmal länger als im Mittel der zurückliegenden Jahre: im Juli bspw. 230 Stunden oder mehr als 7 Stunden pro Tag. Das war für Landwirtschaft und Gartenbau sicher eine Herausforderung (zumal die Monate zuvor ebenfalls sonnenreich ausgefallen waren), kam aber der Tourismuswirtschaft gerade recht und beflügelte den Trend des Urlaubs an einheimischen Stränden.

Denn in Hotellerie und Gastronomie wie in anderen Branchen und Wirtschaftszweigen bemüht man sich nach allen Kräften, die Einbußen des Lockdowns wettzumachen. Und das klappte gleichfalls außergewöhnlich gut: Die aktuellen Daten zeigen eine kräftige Erholung der wirtschaftlichen Aktivität an. Diese hat bereits ab der Mitte des zweiten Quartals eingesetzt, auch wenn die insgesamt -9,7% Rückgang des Bruttoinlandsprodukts zwischen April und Juni 2020 einen historischen Tiefstwert bedeuten. Das Statistische Bundesamt hatte in seiner Schnellmeldung noch einen knapp zweistelligen Minusbetrag berichtet. Die Revision im August ließ das Defizit aber wieder in den einstelligen Bereich zurückgehen.

Denn bereits seit Mai verlängert sich sozusagen auch die „konjunkturelle Sonnenscheindauer“. Für das laufende dritte Quartal wie für das Schlussquartal 2020 rechnen die Volkswirte wieder mit positivem BIP-Wachstum. Die Jahresschätzungen für das BIP 2020 derjenigen Beobachter, die diese Veränderungen am aktuellen Rand schon einpreisen, haben sich allesamt verbessert und rangieren zwischen -5 und -7 Prozent. Am Dienstag erst hat Bundeswirtschaftsminister Altmaier die BIP-Prognose der Bundesregierung von -6,3% auf -5,8% angehoben. Immer noch ein herber Rückschlag. Wichtig ist jedoch: Alle Volkswirte gehen von einer Fortsetzung der Dynamik im Jahr 2021 und deutlich positiven Wachstumsbeiträgen aus (Prognosespanne zwischen 2% und 8%).

Dieser Ausblick wird von den Stimmungsindikatoren untermauert. Der Ifo-Index für Gesamtdeutschland kletterte erneut und liegt im August bei 92,6 Punkten (Juli 90,4). Für Ostdeutschland fiel die Verbesserung noch stärker aus und brachte den Indikator auf 94,6 Punkte. Vor allem die aktuelle Geschäftslage wird von den befragten Unternehmen durchweg positiver beurteilt. Gleichfalls fällt langsam auch der Blick auf die kommenden Monate besser aus.

Im weltwirtschaftlichen Umfeld setzt sich das optimistische Bild fort. Im Euroraum zieht die Konjunktur mit Beginn des dritten Quartals ebenfalls an und bringt damit einen wichtigen Zielraum für die deutschen Exporte auf Spur. Für die USA, Deutschlands Handelspartner Nummer eins, rechnet man trotz der dortigen anhaltend hohen positiven Corona-Testungen mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung von lediglich rund 5%, was im Vergleich mit anderen Regionen als das sprichwörtliche „Blaue Auge“ bezeichnet werden kann. 2021 soll das US-BIP um 5% zulegen. Chinas Wirtschaft wächst bereits seit Q2 wieder. Die IWF-Prognose 2020 für die Volksrepublik lautet auf knapp über 1 % Wachstum, für 2021 auf rund 9%. Insgesamt kommen damit aus den wichtigen Exportdestinationen dringend benötigte Impulse für die deutschen Unternehmen.

Die ökonomischen Lichtblicke dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, wie fragil die Konjunktur-Erholung noch ist. Umso mehr kommt es jetzt auf klare Signale der Politik an. Sie sollte dringend an der großen Linie festhalten, die sie mit Beginn der Corona-Krise eingeschlagen hat. Wurde zunächst dem Gesundheitsschutz absoluter Vorrang eingeräumt bei gleichzeitigem Abfedern der enormen wirtschaftlichen Verluste, die mit dieser Prioritätensetzung verbunden waren, so rückte mit Aufhebung des Lockdowns und der fortgesetzten Lockerung der Einschränkungen das Ankurbeln der Wirtschaft in den Fokus.

Im Mediensommerloch konnte man sich nun manchmal nicht des Eindrucks erwehren, als sei sich der ein oder andere Akteur auf der politischen Bühne in Berlin oder den Bundesländern über die enormen Belastungen und Risiken des Lockdowns nicht ganz im Klaren. Die Gesamtverschuldung rauschte im Zusammenhang mit den Corona-Hilfsmaßnahmen auf 52 Mrd. Euro in die Höhe. Das sind über 3% des BIP. Zur Erinnerung: Im gleichen Zeitraum des Vorjahres konnte sich Olaf Scholz noch über einen Überschuss von 65 Mrd. Euro freuen.

Das Preisschild am Lockdown dürfte jedem klar machen, wie wichtig es ist, aus der Krise und damit auch aus den Schulden „herauszuwachsen“. Tatsächlich wird nur eine fortgesetzte wirtschaftliche Dynamik Verschuldung, Einkommen und Arbeitsplätze wieder in den Normbereich zurückführen. Die Unternehmen brauchen dafür jetzt strategische Hilfestellung. Ein ermutigendes Zeichen in dieser Hinsicht kommt aus Sachsen. Die Regierung des Freistaates hat einen Beteiligungsfonds für mittelständische Unternehmen aufgelegt. Der Ostdeutsche Bankenverband hatte wiederholt vorgeschlagen, bei den Hilfsmaßnahmen für die Wirtschaft von der Liquiditätssicherung auf die Investitionssicherung umzuschwenken. Der bei der Sächsischen Aufbaubank angesiedelte Fonds geht genau in diese Richtung und bietet mittelfristige Beteiligungen an – mit all den positiven Effekten für Bonität und Zukunftsinvestitionen.

Angesichts der laut Medienberichten nur etwa zur Hälfte ausgeschöpften Hilfsfonds bzw. Garantierahmen lohnt es sich, diese Beteiligungshilfen in größerem Maßstab aufzuziehen. Das erhöht die Chancen, dass auch der Herbst außergewöhnlich sonnig wird – vielleicht nicht beim Wetter, dafür aber sicher beim Wachstum.

Dr. Alexander Schumann

Alexander Schumann ist Volkswirt und Journalist und war zuletzt Chefvolkswirt des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Er berät den Ostdeutschen Bankenverband in volkswirtschaftlichen Themen.

Veröffentlichung: 3. September 2020

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