Michael Kotzbauer
Michael Kotzbauer
MITTELSTAND / WIRTSCHAFTSENTWICKLUNG

Wirtschaftsstandort Ostdeutschland – Quo vadis?

Hat Ostdeutschland die Chance zum aufstrebenden Wirtschaftsstandort? Ja, sagt Michael Kotzbauer, neuer Vorstandsvorsitzender des Ostdeutschen Bankenverbandes im Interview.

Herr Kotzbauer, wo steht Ostdeutschland heute?

Der Standort hat in den letzten Jahren viele Erfolge verzeichnen können. Die Transformation ist schon längst abgeschlossen. Eine Wirtschaft mit sich selbsttragenden Strukturen ist entstanden. Vom anhaltenden Aufschwung der letzten Jahre haben insgesamt alle Bundesländer und Wirtschaftszweige in Ostdeutschland profitieren können – wenn auch in höchst unterschiedlichem Ausmaß. Auch die jüngsten Zahlen für das Halbjahr 2018 weisen wieder ein Wachstum in Höhe von 1,9% für die Gesamtregion aus. Besonders erfreulich ist zudem der Rückgang der Arbeitslosigkeit.

Also alles in Ordnung? Es geht immer weiter aufwärts?

Das ist der Rückblick. Und auch grundsätzlich stehen die Chancen gut, dass die Konjunktur stabil bleibt. Aber natürlich haben auch die globalen Herausforderungen zugenommen. Politische Turbulenzen wie der Streit zwischen China und den USA oder die Folgen eines möglichen harten Brexits lassen die Unsicherheit wachsen. Das dürfte sich schon heute dämpfend in den Investitionen der Unternehmen auswirken.

Der Trend zum Nationalen – Gefahr oder Chance für Ostdeutschland?

Wie eben schon skizziert: Ganz klar eine Gefahr! Wir leben in einer globalisierten Wirtschaft. Internationalisierung ist einer der Erfolgsfaktoren des deutschen Mittelstands. Auch wenn in Ostdeutschland immer noch viele Unternehmen nicht direkt exportieren, oftmals liefern sie ihre Produkte an andere Unternehmen, die ihrerseits Kunden in aller Welt beliefern. Protektionismus und Abschottung bringen uns daher nicht weiter. Und wir müssen den Blick auf die Europäische Union richten. Deren Stabilität ist für uns schließlich ganz zentral. Mehr als die Hälfte aller Exporte aus Ostdeutschland gehen in die EU.

Und wie fällt nun die Bewertung des Standorts aus?

Den Wirtschaftsstandort prägt der Mittelstand, insbesondere die Vielzahl der kleinen Unternehmen. Die Rahmenbedingungen müssen daher so optimiert werden, dass die bestehenden Unternehmen weiter wachsen können und neue Unternehmen gegründet werden. Was wir benötigen, ist eine wirtschaftspolitische Wachstumsstrategie. Diese umfasst Investitionen in die öffentliche Infrastruktur ebenso wie etwa Verbesserungen in der Bildungspolitik oder die gezielte Förderung der Innovationsfähigkeit der Wirtschaft. Zudem dürfen wir nicht nur über Digitalisierung reden. Vielmehr ist auch die Verwaltung bei der digitalen Gestaltung ihrer Prozesse und Zugänge gefragt. Und letztlich muss die notwendige digitale Infrastruktur, gerade im ländlichen Raum, auch bereitgestellt werden.

Digitalisierung ist also ein Top-Thema?

Digitalisierung beschäftigt uns wirklich alle. Damit meine ich zunächst einmal uns als Finanzwelt. Aber eben auch unsere mittelständischen Kunden. Es gibt wohl keinen Bereich innerhalb der Wirtschaft, der nicht durch digitale Anwendungen verändert wird. Dies beginnt bei der Kommunikation mit dem Kunden, geht weiter über die innerbetriebliche Organisation, bis hin zur zunehmenden Nutzung von Big Data. Darauf gilt es, sich im Geschäftsmodell und bei den Unternehmensstrategien einzustellen. Wem dies gelingt, der hat alle Chancen, auch in Zukunft erfolgreich zu sein.

Wie kann dies gelingen?

Notwendig sind für alle Transformationsprozesse natürlich Innovationen. Für diese braucht man eine entsprechende Mentalität im Unternehmen, die zeitlichen und finanziellen Kapazitäten sowie eben auch die notwendigen Fachkräfte. Generell ist das aber eine der wesentlichen Herausforderungen für alle ostdeutschen Unternehmen: Junge und gut ausgebildete Menschen zu finden und zu begeistern, an der Zukunft „mitzubauen“. Dies gilt im Übrigen nicht nur für angestellte Arbeitnehmer, sondern auch ganz wesentlich für die Frage „Wer übernimmt das Unternehmen, wenn der Chef in den Ruhestand geht?“

Werden Banken bei allen diesen Themen überhaupt noch gebraucht?

Die privaten Banken sind Hauptkreditgeber der ostdeutschen Wirtschaft. Wir überzeugen also mit unseren Produktangeboten – entweder virtuell oder durch die konkrete Beratung von Angesicht zu Angesicht. Damit unterstützen wir unsere Kunden bei der Umsetzung ihrer Projekte und ermöglichen die notwendigen Investitionen. Mit Blick auf den Mittelstand kommt sicherlich auch beispielsweise unser internationales Netzwerk hinzu. Dies ist eine unserer Stärken. In der Regel können wir unsere Kunden dorthin begleiten, wo sie uns brauchen – entweder über eigene Filialen oder über unsere Partnerbanken im Ausland.

Letzte Frage: Wofür steht der OstBV?

Als in Ostdeutschland tätige private Banken „leben“ wir vom Kundengeschäft hier vor Ort. Uns kann es daher nur gut gehen, wenn es den Kunden gut geht. Das ist das gemeinsame Interesse unserer Mitglieder. Mit dem Verband begleiten wir daher konstruktiv die wirtschaftliche Entwicklung in den ostdeutschen Ländern. Wir mischen uns aktiv in die hierzu relevanten Diskussionen ein – mit Gesprächen, Positionspapieren und Veranstaltungen. Deshalb suchen wir den offenen Austausch mit Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, um die ostdeutschen Regionen weiter voranzubringen.

Michael Kotzbauer ist seit dem 17. Oktober 2018 Vorstandsvorsitzender des Ostdeutschen Bankenverbandes. Er verantwortet als Bereichsvorstand Mittelstandsbank Mitte/Ost der Commerzbank AG unter anderem das Firmenkundengeschäft in Ostdeutschland.