KLARTEXT

Banken-Crash und Gebäudesanierung: Was man hieraus lernen kann

In unserer Reihe KLARTEXT lesen Sie persönliche Meinungen und Denkanstöße.

Heute von:
Dr. Alexander Schumann

Leiter Politik und Konjunktur, Sonderprojekte |
Ostdeutscher Bankenverband e.V.

In den zurückliegenden Tagen gab es zwei Nachrichten, die unterschiedlicher nicht sein könnten – und die doch etwas gemeinsam haben. Die Rede ist von der Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) einerseits sowie der Entscheidung des EU-Parlaments zur Zwangssanierung von Gebäuden für höhere Energieeffizienz-Standards andererseits.

Wer sich jetzt die Augen reibt, dem sei hier rasch der Grund genannt: Beide Ereignisse haben mit politischen Entscheidungen zu tun, mit Komplexität und Unsicherheit.

Ein entscheidender Einflussfaktor für den Crash der SVB sind die Zinserhöhungen der US-Notenbank im Zuge der Inflationsbekämpfung. Das Anleihen-Portfolio der Bank musste, da seine Zusammensetzung noch die Niedrig-bis-Null-Zins-Welt widerspiegelte, Bewertungsabschläge hinnehmen. Was bis hierhin nur ein bilanzieller Schritt war, wurde für die SVB zum Problem, als man aufgrund des Abzugs von Kundengeldern Liquidität sichern und dafür im Wert gesunkene Anleihen verkaufen musste. Buchverluste wurden zu materiellen Verlusten.

Die Entscheidung des EU-Parlaments über den Entwurf einer neuen Gebäuderichtlinie in dieser Woche hat noch keine Markt-Turbulenzen ausgelöst, besitzt aber das gleiche Potenzial wie die Zinserhöhungen der Notenbanken. Falls sich als letzte Instanz in diesem Entscheidungsprozess auch der Europäische Rat, mithin die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsländer, dem Parlamentsvotum anschließen, dann wird dies auf einen Schlag eine enorme Anzahl von Immobilien und Immobilienportfolios im Wert kräftig nach unten drücken.

Die Richtlinie sieht vor, dass ab 2033 alle Gebäude in der Europäischen Union um eine Energieeffizienzklasse nach oben klettern müssen. Dafür notwendig sind natürlich Investitionen. Der Verband Haus und Grund beziffert die Kosten hierfür zwischen 1000 und 1500 Euro pro Quadratmeter. Das macht bereits bei einem Einfamilienhaus mit ca. 100 Quadratmetern den stolzen Betrag von 150.000 Euro aus. Bei einem Mehrfamilienhaus mit ca. 500 Quadratmetern Wohnfläche (was durchaus eine übliche Größe in deutschen Städten ist) landen wir bei einer halben Million. Pro Gebäude, wie gesagt. Ein mittelständisches Wohnungsunternehmen mit angenommen fünf bis zehn solcher Objekte sieht sich mit einer Investitionssumme von bis zu 5 Millionen Euro konfrontiert. Die Alternative lautet: Verkauf zu einem niedrigeren Preis.

Nun gibt es zwischen SVB-Crash und Gebäuderichtlinie noch einen gewaltigen Unterschied. Im ersten Fall hat der Markt regulierend gewirkt. Eine Bank, die ihre Liquidität nicht im Griff hatte, scheidet aus dem Markt aus. Die Kunden werden entschädigt oder – wie im Fall des UK-Ableger der SVB, die von einem anderen Institut übernommen wurde – von einer neuen Bank betreut. Die aufgrund des allgemeinen Preisauftriebs absolut notwendigen Zinserhöhungen haben einen Kollateralschaden ausgelöst, Notenbanken und Aufsichtsbehörden dämmen diesen allerdings ein. Bereits jetzt zeigen die Indexstände an den Finanzmärkten wieder klar nach oben.

Im anderen Fall aber wird ein Markt gestört. Sollte der Entwurf auch vom EU-Rat beschlossen werden, schwebt über dem Wohnungsmarkt von da an das Damoklesschwert der Zwangssanierung. Über einem Markt also, auf dem bereits jetzt ein enormer Nachfrageüberhang herrscht und dessen Komplexitätsstruktur ordentlich angespannt ist. Denn die Anhebung der Leitzinsen schlägt sich nicht nur in Anleihenotierungen nieder, sondern ebenso in den Finanzierungskosten der Branche deutlich nieder. Hinzu kommt ein Material- und (noch viel schwerwiegender) ein Fachkräftemangel. Vielen Neubauprojekten haben diese Entwicklungen bereits ein Stopp-Signal gesetzt. Handwerksfirmen brechen aktuell Aufträge weg; in manchen Ingenieur- und Architekturbüros gibt es Entlassungen und Kurzarbeit. Das Argument, bis zum Vollzug der Richtlinie seien ja noch zehn Jahre Zeit, kann nur von jenen vorgebracht werden, die Planungs- und Realisierungsprozesse im Immobilienbereich nicht kennen.

Dies wird erschwert durch drei Landtagswahlen und eine Wahlwiederholung: Berlins Neuwahlen im Februar könnte man als Bewertungsprobe der bisherigen Arbeit von SPD und Grünen ansehen – nicht nur auf Landesebene. Die Wahl zur Bremischen Bürgerschaft findet im Mai statt – also kurz nach dem endgültigen Atomkraft-Aus Mitte April. Der Urnengang in Bayern und Hessen aber im Herbst – wenn die Heizperiode vor der Tür steht und gerade die Frage der Gasversorgung erneut heikel zu werden droht. Aktuell hebt die Kernkraft-Debatte innerhalb der Regierungskoalition wieder an. Plausibel erscheint damit ein Szenario des Offenhaltens der Weiterbetriebsmöglichkeit, oder wenigstens der Diskussion darüber. Da technische Parameter und Beschaffungsfragen zu berücksichtigen sind sowie die dann besser einschätzbaren Kapazitäten neu errichteter Flüssig-Erdgas-Terminals an Nord- und Ostsee, wird im Frühjahr und Sommer eine Entscheidung fallen. Was bis dahin fehlt ist – Planungssicherheit.

Die Gebäuderichtlinie ist Teil einer Reihe von Politikentscheidungen, bei denen man mit dem Kopf schütteln muss. Denn hier maßen sich Akteure Wissen an, das niemand haben kann. Dafür sind wirtschaftliche Abläufe und Vernetzungen viel zu komplex, abhängig von zu vielen Faktoren, individuellen Entscheidungen – die sich im Zeitablauf zudem dynamisch verändern.

Die einzige Institution mit solch einer Koordinierungsleistung ist der Markt. Nur er hat die bereits von Adam Smith beschriebene Fähigkeit, gleichsam wie eine unsichtbare Hand die Pläne einer enormen Zahl von Wirtschaftssubjekten so in Übereinstimmung zu bringen, dass der Nutzen aller gemehrt wird. Ohne den Markt wären die Wohlstandsgewinne der zurückliegenden Jahrzehnte niemals möglich geworden; nicht nur jene der entwickelten Nationen, sondern auch nicht der Aufbruch von Bevölkerungsschichten in die Mittelklasse, wie ihn weniger entwickelte Staaten oder Schwellenländer erlebt haben. Europa, Deutschland muss anfangen, sich über die Grenzen politischer Entscheidungen ehrlich zu machen.

Veröffentlichung: 17. März 2023

OSTBV VERTEILER

Bleiben Sie informiert!

Jetzt haben Sie die Möglichkeit, sich in unseren Verteiler eintragen zu lassen. Somit sind Sie immer auf dem Laufenden, was Ostdeutschland bewegt.