Marina Heimann, Geschäftsführerin futureSAX
MITTELSTAND / WIRTSCHAFTSSTANDORT

Den Gründergarten hegen und pflegen

Die Corona-Krise wird für viele Gründer und Start-ups zur existenziellen Frage. Marina Heimann, Geschäftsführerin der sächsischen Innovationsplattform futureSAX, appelliert daher an Wirtschaft, Banken und öffentliche Hand, die zukunftsträchtigen Ideenschmieden umso besser zu fördern – und ihre Stärken in der Krise zu befeuern.

Wie erleben Sie in der Corona-Notlage die Gründerszene? Gehen viele zarte Pflanzen ein, weil ihr Immunsystem zu schwach ist, oder können sie überleben?

Gründer und Start-ups zeichnet ja ohnehin eine große Flexibilität und Schnelligkeit, Neugier und eine hohe Affinität zur Digitalisierung aus. Diese Trümpfe können sie in der Krisensituation hervorragend ausspielen. Geschäftsmodelle, Konzepte und Strukturen, Produkte und Dienstleistungen werden blitzschnell überdacht und nachjustiert. Zum Beispiel werden neue digitale Angebote, Onlineshops und Gutscheine entwickelt und umgesetzt, um am Leben zu bleiben.

Aber haben Gründer und Start-ups auch das Finanzpolster, um die Krise durchzustehen?

Die Situation ist für sie eine große finanzielle Herausforderung. Gründer und Start-ups, die am Anfang stehen, können eben nicht gleich Gewinne erwirtschaften und Rücklagen bilden, sondern müssen investieren. Das macht es jetzt doppelt schwierig. Zumal das Kurzarbeitergeld für die Mitarbeiter erst nach mehreren Wochen fließt und Banken naturgemäß kaum Unternehmen finanzieren, die noch nicht selbst tragfähig sind. Daher besteht durchaus die Gefahr, dass junge Unternehmen wie eine zarte Pflanze eingehen – unverschuldet!

Reichen die Milliarden-Zuschüsse und Kreditprogramme nicht aus?

Die Instrumente und Förderungen, die aktuell bereitstehen, sind für viele Gründer und Start-ups nicht konzipiert. Wer zum Beispiel schon mehr als zehn Mitarbeiter hat oder erst in diesem Jahr gestartet ist und noch keinen Umsatz macht, fällt je nach Programm durchs Raster. Da hängt viel vom Alter, vom Geschäftsmodell und von weiteren Faktoren der Gründung ab. Hinzu kommt: Jemand, der gerade ganz am Anfang steht und ohnehin eine Finanzierung oder einen Investor benötigt, um sein Geschäftsmodell aufzubauen, kann keine weitere Belastung durch neue Kredite stemmen. Er bringt für weitere Kredite natürlicherweise auch noch nicht die geforderte Bonität mit und würde seinen Unternehmenswert verschlechtern.

Was also muss passieren, um der jungen Szene nach dem Lockdown zu helfen?

Um aus der Krise gestärkt hervorzugehen, benötigen die jungen Unternehmen vom Bund und den Ländern Rahmenbedingungen, die niemanden vergessen, der ein tragfähiges Geschäftsmodell hat. Dazu braucht es ein neues Bewusstsein: Gründungen und Start-ups bedeuten Zukunft für die Volkswirtschaft. Sie sind die Unternehmen von morgen. Ihre speziellen Altersstrukturen, Finanzierungs- und Rechtsformen müssen daher gesellschaftlich Berücksichtigung finden. Wir müssen den Garten der Gründer hegen und pflegen und besondere Pflanzen schützen, um eine vielfältige, bunte Landschaft zu erhalten und uns zukunftssicher aufzustellen. Grundsätzlich wurde dieses Problem in der Politik auch erkannt und bei ersten Instrumenten teilweise nachgebessert. Allerdings brauchen wir konkrete Lösungen und Signale der Unterstützung. Wie sagt man so schön: Machen ist krasser als wollen! Wenn bei den aktuellen Programmen nicht stärker nachgesteuert wird oder diese ergänzt werden, steht hinter dem Unternehmertum der Zukunft ein großes Fragezeichen.

Geschäftsführerin Marina Heimann

Wie kann Unterstützung konkret aussehen?

Denkbar wären eigenkapital-ähnliche, flexible Überbrückungen und Instrumente wie Fonds und Beteiligungen durch öffentliche Strukturen. Eine weitere wichtige Säule stellt die Beschaffung dar: Die öffentliche Hand kann Start-ups bei der Vergabe stärker berücksichtigen und für etablierte Unternehmen Anreize schaffen, diese mehr zu berücksichtigen. Aufträge und Umsatz helfen jungen Unternehmen am besten, ihr Geschäftsmodell voranzubringen. Zugleich muss die Sichtbarkeit und gesellschaftliche Wahrnehmung von Start-ups weiter erhöht werden, was auch wir als futureSAX intensiv betreiben. Darüber hinaus könnten die Länder die Programme, die jetzt entstehen, nachhaltig nutzen, um Wachstum voranzutreiben.

Was wünschen Sie sich von institutionellen Anlegern, von Investoren und Banken?

Auch Banken und andere Anleger können mitgestalten. Sie könnten Gründern und Start-ups frühzeitiger zur Seite stehen, schon ehe Ratings und Bonität voll entwickelt sind – natürlich im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Prüfungen. Zudem könnten die gut gefüllten Fondsvermögen der Pensionskassen ein Stück weiter geöffnet werden als es bisher in Deutschland zulässig ist. Wir erleben doch immer wieder, dass Anleger aus den USA oder Asien in aufstrebende deutsche Unternehmen einsteigen, weil sie ein ganz anderes Volumen mitbringen. Nur wenn Deutschland reife Start-ups in einer gewissen Größe selbst weiter befeuert, werden wir weitere Unicorns entwickeln – und ein Signal für die Zukunft setzen.

Marina Heimann, 38, Geschäftsführerin von futureSAX, sammelte nach ihrer Ausbildung zur Bankkauffrau und einem Studium der Betriebswirtschaftslehre zehn Jahre Erfahrung als Managerin bei einem internationalen Consulting-Unternehmen. Berufsbegleitend legte sie ihren Master in Wirtschaftsrecht an der Dresden International University ab. Zudem ist sie als Moderatorin, Dozentin, Mentorin und Jurorin in der deutschen Gründerszene unterwegs und vertritt Sachsen im Bundesverband Deutsche Startups.

futureSAX ist seit mehr als 20 Jahren die Innovationsplattform des Freistaates Sachsen. Im Fokus stehen wissensbasierte Gründerinnen und Gründer, junge technologieorientierte Firmen, etablierte Unternehmen mit Wachstumspotenzial, die Wissenschaft sowie Innovations- und Transfer-Akteure wie auch Kapitalgeber. Start-ups und innovative Unternehmen werden gezielt bei der Weiterentwicklung ihrer Geschäftsmodelle und der Steigerung ihres Bekanntheitsgrades unterstützt. Bekannte Aushängeschilder sind unter anderem der Sächsische Gründerpreis, der Sächsische Innovationspreis und die futureSAX-Innovationskonferenz.

Interview und redaktionelle Bearbeitung durch: Sven Heitkamp | Freier Journalist | Leipzig
(Bildquellen Porträt-Fotos: futureSAX)

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