KLARTEXT

Krisenherbst steht vor der Tür: Politik muss handeln – jetzt

In unserer Reihe KLARTEXT lesen Sie persönliche Meinungen und Denkanstöße.

Heute von:
Achim Oelgarth
Geschäftsführender Vorstand |
Ostdeutscher Bankenverband e.V.

Der Sommer ist vorbei, das Jahr biegt auf die Zielgerade ein. Allerdings waren die zurückliegenden sommerlichen Monate nicht dafür geeignet, Kraft für diesen Endspurt zu tanken. Vielmehr warf der Herbst einen riesigen dunklen Schatten voraus und schuf ein mulmiges Gefühl, was die wirtschaftliche Entwicklung für den Rest von 2022 sowie auch für das kommende Jahr anbelangt.

Lieferunterbrechungen beim Erdgas, Regierungsreisen ins Ausland, die in puncto Energiepartnerschaften zwar Absichtserklärungen bringen, aber den Gasmangel nicht lindern. Inflationsraten auf Rekordniveau, schwaches Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal, ein immer massiverer Fachkräftemangel, weiterhin stotternde Lieferketten und ganz aktuell ein Reallohnrückgang, wie es ihn zuletzt in dieser Größenordnung während des ersten Corona-Jahres 2020 gegeben hat. Das alles sind Schlagworte aus dem mit schlechten Nachrichten gefüllten Medien-Sommerloch.

Die Unternehmen hierzulande arbeiten auf Hochtouren, 24 Stunden an sieben Tagen, wie man immer öfter bei persönlichen Schilderungen hört. Leider dienen diese Anstrengungen nicht dazu, das Corona-Loch in der Geschäftstätigkeit zu schließen und Verluste wettzumachen. Nein, es ist Krisenmanagement, was den Mittelstand aber auch größere Unternehmen immer stärker in Anspruch nimmt. Zu den Beschaffungsschwierigkeiten und dem Fehlen von Fachkräften ist nun noch die Energiesicherung gekommen. Verträge für Strom oder Erdgas laufen aus und mit ihnen die bislang günstigen Konditionen. Was an neuen Preisen sowohl bei Erdgas als auch bei Strom aufgerufen wird, lässt den Energiekostenblock enorm anwachsen. Gleichzeitig erodiert die Eigenkapitalbasis weiter, obwohl sie nach der Pandemie jetzt eigentlich stabilisiert werden müsste. In der Folge verschlechtert sich zudem die Bonität und damit der Zugang zu Fremdkapital. Eine bedrohliche Spirale! Zumal die Suche nach alternativen Energieträgern auch deren Preise steigen lässt. Für Unternehmen wie für Privatkunden/innen gilt: Egal ob Gas, Heizöl, Briketts oder Holzpellets – teurer wird die Heizperiode auf alle Fälle – ebenso die Sicherung von Prozessenergie.

Ein Ende ist nicht in Sicht. Im Gegenteil. Der Erdgas-Preis kennt nur einen Weg – nach oben. Und an der Leipziger Strombörse EEX werden mittlerweile Notierungen für die Megawattstunden von um die 650 Euro aufgerufen. Das entspricht Faktor 10 innerhalb eines Jahres.

Sechs Monate nach der Zeitenwende-Rede des Bundeskanzlers hat sich nur eines geändert: Die Probleme haben zugenommen. Doch Lösungen sind nicht in Sicht. Ehrlicherweise muss man sagen, in Sicht sind sie schon, nur angehen will niemand in verantwortlicher Regierungsposition das Ganze. „Aussitzen“ ist ein immer häufiger gebauchter Begriff, um den politischen Umgang mit den zahlreichen Krisenherden zu beschreiben. Hochfahren der Kohleverstromung auf der gesamten möglichen Breite? Bis auf zwei Wiederinbetriebnahmen Fehlanzeige. Streckbetrieb für die noch verbliebenen Atomkraftwerke? Keine Entscheidung.

Es ist gerade so, als wäre man mit dem Segelboot auf dem Ozean unterwegs und am Horizont zieht ein Sturm herauf. Die schwarzen Wolken lassen nur den einen Schluss zu: schnell den Kurs ändern. Aber eine schwache Helligkeit an den Rändern der Wolkenberge verführt Steuermann samt Crew zu der Annahme, der Sturm löse sich schon rechtzeitig auf und das mit dem Kurswechsel könne man sich sparen – zumal man innerlich gar nicht auf die Erfordernisse der neuen Zielkoordinaten eingestellt ist.

Verwundert schüttelt man den Kopf, dass ein hoch industrialisiertes Land wie das unsrige, viertgrößte Volkswirtschaft weltweit und ökonomischer Motor von EU und Eurozone, Angst haben muss vor einem strengen Winter. Wenn die Zeiten sich fundamental geändert haben – nichts anderes ist eine Zeitenwende – dann gehören bisherige Politikstrategien und Projekte auf den Prüfstand. Die Energiewende gehört dazu. Man kann es nicht oft genug sagen: Sie funktioniert bei jetzigem Stand von Erzeuger- sowie Speichertechnik und des Netzausbaus nicht ohne Flankierung mit Stromerzeugung durch Gas. Jedenfalls gilt das, solange man Kohleverstromung und Atomkraft ausschließt. Wenn aber nun die Gaspreise in schwindelerregende Höhen klettern, dann lautet der zwingende logische Schluss: Politik muss handeln, muss endlich etwas anders machen als bisher. Das Energiesicherungsgesetz und die Gasumlage sind dabei ganz sicher keine Maßnahmen, die den Preisauftrieb dämpfen, denn mit ihnen werden Kostensteigerung nur auf die Endkunden/innen überwälzt. In der Folge, so rechnet beispielsweise Bundesbankpräsident Joachim Nagel vor, werden wir zweistellige Inflationsraten im Herbst und Winter erleben.

Die Wirtschafts- und Arbeitgeberverbände Sachsens, Sachsen-Anhalts und Thüringens haben jetzt in einer gemeinsamen Erklärung das Problem und mögliche Lösung der Energiekrise auf den Punkt gebracht: Die Ursachen für die gegenwärtigen Energieprobleme liegen auf politischer Seite, nicht bei den Verbrauchern/innen. Folglich darf eine Lösung nicht zu deren Lasten gehen. Energiepolitische Entscheidungen sind mit einem Horizont bis 2025 zu treffen, nur so können Unternehmen vorerst sicher planen. Der Gaspreis ist zu begrenzen und weitere Entlastungen der Verbraucher/innen sind rasch zu verabschieden. Kapazitäten bei Kohleverstromung und Atomkraft müssen vollumfänglich genutzt werden. Steuerliche Absetzbarkeit überschießender Energiekosten ist Förderprogrammen vorzuziehen. (Die gesamte Erklärung finden Sie hier.)

Gerade der letzte Punkt ist wichtig. Denn nach der langen Phase schuldenfinanzierter Pandemiehilfen können künftig nur strukturelle Entlastungen wirklich nachhaltig sein. Die Absenkung der Mehrwertsteuer auf Erdgas ist ein richtiger Schritt. Die Beseitigung der Kalten Progression sowie des Mittelstandsbauchs in der Einkommensteuer sollten rasch folgen.

Die Zeiten haben sich tatsächlich geändert, die Herausforderungen sind riesig. In Meseberg hat die Bundesregierung jetzt ein „wuchtiges“ Entlastungspaket versprochen. Richtig so, denn Aussitzen geht nicht länger. Zupacken ist gefragt.

Veröffentlichung: 01. September 2022

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