Zeyad Abul-Ella, Gründer und Mitgeschäftsführer Home Power Solutions
Dr. Henrik Colell, Mitgründer Home Power Solutions
MITTELSTAND / BRANCHEN

Grüner Wasserstoff für zu Hause

Das junge Berliner Unternehmen Home Power Solutions bietet den ersten Ganzjahres-Stromspeicher auf Basis von grünem Wasserstoff an. Das Heimspeichersystem „picea“ schafft damit hundertprozentige, CO2-freie Unabhängigkeit. Die Lösung ist weltweit einmalig, sagt ihr Mitgründer Zeyad Abul-Ella.

Im alten Ostberliner Bezirk Treptow-Köpenick ist in den vergangenen Jahren ein hochmodernes Technologie-Quartier entstanden, das sich einen frechen Namen gegeben hat: Berlins klügster Kiez. Entlang der Rudower Chaussee in Adlershof haben sich mehr als 1000 Unternehmen und Wissenschaftseinrichtungen niedergelassen, unter ihnen ein neuer Campus der Humboldt-Uni, das Helmholtz-Zentrum Berlin, mehrere Leibniz-Institute und führende Bundesanstalten.

In einem geschwungenen Bau mit bunten Jalousien arbeitet seit ein paar Jahren auch die junge Firma Home Power Solutions (HPS): Sie könnte mit ihrer bisher einzigartigen Lösung den Markt zur Energieversorgung für Häuslebauer nachhaltig umkrempeln. HPS hat den ersten Ganzjahres-Stromspeicher mit grünem Wasserstoff für Wohngebäude und Gewerbe entwickelt, der eine völlig unabhängige, CO2-freie Eigenversorgung mit der Kraft der Sonne vom eigenen Dach ermöglicht. „Ich kenne keine Firma weltweit, die ein ähnliches, marktreifes System anbietet“, sagt Zeyad Abul-Ella, einer der Gründer und Geschäftsführer.

Mitarbeiter vor der Firmenzentrale in Berlin Adlershof
Unternehmensgebäude Home Power Solutions, Berlin-Adlershof

Die ersten rund 60 Anlagen unter dem Produktnamen „picea“ seien mittlerweile installiert, rund 200 Piceas schon verkauft. Zu den frühen Kunden zählt unter anderem der frühere Innogy-Chef Uwe Tigges.„Unser Rollout nimmt gerade Fahrt auf“, erzählt der 47-jährige Firmengründer. Er hat in Berlin Bauingenieurwesen studiert und für eine namhafte Ingenieur-Firma riesige solarthermische Anlagen in Spanien, Ägypten und den USA aufgebaut, ehe er sich ganz seinem Projekt verschrieb.

Das Picea-Solarsystem ist bisher einmalig: Stromüberschüsse aus der Photovoltaikanlage auf dem Hausdach werden an sonnenreichen Tagen als grüner Wasserstoff gespeichert. Ein Elektrolyseur, kaum größer als ein Schuhkarton, wandelt mit dem Solarstrom speziell gereinigtes Leitungswasser in Wasserstoff um, der in Gasflaschen hinterm Haus gespeichert wird. In der dunklen Jahreszeit wird das farb- und geruchlose, ungiftige Gas von einer Brennstoffzelle, ebenfalls so groß wie ein Schuhkarton, wieder als Strom und Wärme bereitgestellt.

Im Sommer füllt die Sonne die Batterie und den Wasserstoff-Speicher.
Im Winter versorgt der Wasserstoff das Haus.

Das TÜV-geprüfte Kraftwerk passt in ein Metallgehäuse, kaum größer als ein Kühlschrank. Hinzu kommen eine Batterie als Kurzzeitspeicher für Tag und Nacht und die Gasflaschen, die im Bündel hinter der Garage stehen können – fertig ist der grüne Wasserstoff für zu Hause. „Mit der Anlage macht man sich unabhängig vom öffentlichen Stromnetz und dessen Preisschwankungen und erhält eine CO2-freie Vollversorgung“, betont Abul-Ella. Pro Jahr vermeide ein Picea-System etwa drei Tonnen Kohlendioxid und binde soviel CO2 wie 130 Nadelbäume. Daher auch der Name: Picea ist das lateinische Wort für Fichten.

Die mit 13 Patenten abgesicherte, technologische Eigenkreation Made in Germany wurde zuletzt mit dem Innovationspreis Berlin-Brandenburg, dem Smarter E-Award und dem Handelsblatt Energy Award ausgezeichnet. Wie groß die Erwartungen an HPS sind, zeigt auch die illustre Runde des Aufsichtsrats und der Gesellschafter: Aufsichtsratsvorsitzender ist Hans-Peter Villis, langjähriger CEO der EnBW (Energie Baden-Württemberg) und heute Vorstandschef des Fußball-Erstligisten VfL Bochum. Sein Stellvertreter heißt Paul Grunow, einst Begründer des Solarriesen Q-Cells, heute Gründer und Chef des Berliner Photovoltaik-Instituts. Weiteres Mitglied ist Klaus Martini, einst Chef-Anlagestratege der Deutschen Bank, heute Finanzberater.

Das Ehepaar Funck hat sich bei München den Traum vom grünen Wasserstoffhaus erfüllt.
Der Neubau der Familie Funck mit Photovoltaik-Anlage.

Die Geschichte von Picea begann vor mehr als zehn Jahren: Abul-Ella und sein Mitgründer Henrik Colell, der sich seit vielen Jahren mit Wasserstoff-Technologien beschäftigt, denken schon seit 2012 über H2-Lösungen für Gebäude nach. 2014 gründen sie Home Power Solutions. Mit einem kleinen Team von Ingenieuren und finanziert von risikobereiten Investoren starten sie die Entwicklung von Picea. Anfangs beschäftigen sie nur einen Mitarbeiter, bald werden es ein halbes Dutzend. 2019 liefert HPS die ersten Pilotanlagen aus. 2020 beginnt die Auftragsfertigung bei der Zollner-Elektronik AG in Bayern, die auch Konzerne wie BMW und Lufthansa mit Bauteilen beliefert. Seit vorigem Jahr werden größere Stückzahlen produziert und ausgeliefert.

Inzwischen arbeiten 140 Menschen für HPS, allein mehr als 50 Ingenieure in der Entwicklung, außerdem etliche Kollegen im Vertrieb, Marketing und im Außendienst. Der Umsatz kletterte von gerade mal 400.000 Euro im Jahr 2019 auf 1,9 Millionen im Corona-Jahr 2020 und verdoppelte sich auf 3,8 Millionen Euro 2021. Und das Unternehmen will deutlich weiterwachsen. In den kommenden Jahren sollen jährlich Tausende Piceas verkauft werden. Die Kunden sind nicht nur private Bauherren, sondern zunehmend auch Haushersteller, Immobilienentwickler, Energieversorger, Solartechnikanbieter und Installationsbetriebe, die Picea in ihr Angebotsportfolio aufnehmen.

Zwar kostet eine Anlage je nach benötigter Größe ab 85.000 Euro aufwärts. Doch dafür, sagt Abul-Ella, fließen KfW-Fördermittel in Höhe von 15.000 Euro sowie Landesmittel in unterschiedlicher Höhe. In Berlin sind es weitere 15.000 Euro, in NRW können es sogar noch mehr sein. Auch die Mehrwertsteuer bekomme man unter Umständen zurück, wenn man vorübergehend ein Kleingewerbe als Energie-Erzeuger anmeldet. Im Vergleich zu den Kosten eines KfW-Effizienzhauses 40 Plus lägen die Mehrkosten für Picea nur noch bei 30.000 bis 40.000 Euro, rechnet Abul-Ella vor. Dafür sei man als Hausbesitzer unabhängig vom öffentlichen Netz, leiste einen großen Beitrag zum Klimaschutz – und spart auf Jahrzehnte die Stromkosten von mehr als 1000 Euro im Jahr. Spätestens nach 25 Jahren habe sich die Anlage in den meisten Fällen amortisiert, je nach dem individuellen Stromverbrauch.

Das Unternehmen selbst ist bisher vor allem durch seine Gesellschafter, Investoren und mittlerweile zwei erfolgreiche Crowdfunding-Kampagnen bei der GLS-Genossenschaftsbank finanziert. In den kommenden Jahren will Abul-Ella das Unternehmen dann in die Profitabilität führen. Wichtig sei ihm dabei auch ein weiterer Aspekt: „Es ist eine extrem sinnstiftende Arbeit“, sagt er, „an der Erfüllung eines Menschheitstraums mitzuarbeiten.“

Interview und redaktionelle Bearbeitung durch: Sven Heitkamp | Freier Journalist | Leipzig
(Bildquellen: Home Power Solutions)

Veröffentlicht: 27. Januar 2022

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