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Thomas Hartung, Geschäftsführer von Meshpack
©Zeitgeist Businessmarketing

#ErfolgeOst

Bio-Netze aus der Altmark

Die Firma Meshpack in Kusey stand schon vor dem Ausverkauf, als die Brüder Hartung sie 2020 übernahmen. Dann retteten die Sanitärinstallateure das Unternehmen, entwickelten ein einzigartiges, kompostierbares Bio-Netz aus Maisstärke – und werden nun mit Preisen überhäuft. Es müsste nur noch mehr Abnehmer geben.

Spätestens in der Adventszeit, wenn allerorten Weihnachtsbäume verkauft werden, ist die Chance groß, wieder ein Produkt aus dem Hause Meshpack in die Hände zu bekommen. Die Netze, die in einem großen Trichter über die Nadelbäume gezogen werden, stammen meist aus der kleinen Fabrik im beschaulichen Kusey bei Klötze in der Altmark. In den Produktionshallen hinter Rapsfeldern und Baumreihen rattern das ganze Jahr über reihenweise Maschinen, schneiden endlos lange Folienbahnen in feinste Streifen und stricken die Fäden zu Netzen zusammen, um für die Weihnachtszeit zu liefern. Parallel dazu werden diverse Verpackungsnetze vor allem für Obst und Gemüse sowie Schutz- und Schattennetze für die Landwirtschaft produziert. „Fast jeder in Deutschland hatte unsere Produkte schon in der Hand“, sagt Thomas Hartung, der Geschäftsführer von Meshpack.

600 bis 700 Tonnen Netze verlassen jedes Jahr das Werk in der Altmark, die Hälfte davon für Weihnachtsbäume. Sie werden nicht nur im ganzen deutschsprachigen Raum ausgeliefert, sondern auch nach Skandinavien, Großbritannien, Frankreich, Italien, Polen und andere osteuropäische Länder. Mehr als 40 Menschen arbeiten bei Meshpack und produzieren montags bis freitags rund um die Uhr. Umsatz im Jahr: rund fünf Millionen Euro.

Ein Anteil von etwa fünf Prozent der Produktion machen inzwischen plastikfreie, kompostierbare Bio-Netze aus Maisgranulat aus, die die Hartungs zusammen mit einem Produktionsteam aus dem eigenen Haus entwickelt haben. 2022 präsentieren sie die Innovation das erste Mal auf Messen, seit Sommer vorigen Jahres werden sie regelmäßig produziert. „Wenn die Nachfrage schon größer wäre, könnten wir auch ausschließlich kompostierbare Netze liefern“, sagt Hartung. Allein, der Markt muss sich erst noch umstellen und die Netze, die wenige Cent teurer sind, akzeptieren. Doch das Ausgangsmaterial für die Öko-Folie, das aus Maisstärke gewonnen wird, ist drei- bis viermal so teuer wie klassischer PE-Kunststoff.

Aus Folien werden von den Maschinen feinste Fäden geschnitten und zu Netzen neu gestrickt.

Gelb, rot, grün, weiß – Meshpack produziert Fadennetze in verschiendenen Farben.

Der Lebensmittelhandel hat indes schon reagiert. Discounter wie Aldi nutzen bereits Bio-Netze von Meshpack, etwa um Zwiebeln zu verpacken. Der einzige Haken: Die Netze verrotten erst nach etwa acht Wochen, während herkömmliche Bioabfälle unter industriellen Bedingungen bei hohen Temperaturen nach etwa zwei Wochen vergären und zu Humus verarbeitet werden. Deswegen gehören die Bio-Netze offiziell nicht in die Biotonne. „Diese Regelung gilt aber nur in Deutschland, in anderen Ländern ist es erlaubt“, berichtet Hartung. Gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen in Halle werde in einem Forschungsprojekt daran getüftelt, weiteres Biomaterial zu finden, das noch schneller kompostiert werden kann. Außerdem dränge er darauf, dass die kompostierbaren Netze auch in großen Anlagen kompostiert werden. Damit könnte jedes Jahr mehr als 600 Tonnen Müll vermieden werden.

Der 53-Jährige hat als junger Mann eine Ausbildung zum Gas-Wasser-Installateur absolviert und später Sanitärtechnik studiert. Nach einer Zeit bei einem großen Hersteller für Entwässerungssysteme in Thüringen kehrte er zurück zum familiären Haustechnik-Betrieb in Klötze, den der Vater 1980 gegründet hatte. Zusammen mit seinem Bruder Michael übernahm er die Geschäfte. Weil auch die Firma Meshpack, die von griechischen Besitzern geführt wurde, zu ihren Kunden gehört, bekommen sie mit, dass das Unternehmen in Schwierigkeiten ist. Maschinen werden abtransportiert, Mitarbeiter entlassen. In einer Bierlaune, wie Hartung erzählt, überlegen sie, den Betrieb zu kaufen und neu aufzubauen. Sie geben ein Kaufangebot ab – und bekommen zur eigenen Überraschung ein paar Wochen später eine Zusage.

Seit Herbst 2020 gehört die Firma ihnen. Sie sanieren die Hallen, errichten eine 1-Megawatt-Solaranlage auf den Freiflächen, tauschen energiefressende alte Lampen durch sparsame LEDs aus und stellen Maschinen um, um effizienter zu produzieren. Sie können ihren Kundenkreis vergrößern und die Belegschaft wieder von rund 30 auf mehr als 40 Beschäftige erhöhen. Und ihr Engagement wird belohnt. Sie erhalten 2022 den Wirtschaftspreis Altmark, den Innovationspreis der Internationale Weihnachtsbaumbörse und werden im Mai 2023 im Bundeskanzleramt mit dem renommierten Unternehmerpreis des Ostdeutschen Wirtschaftsforums „Vorsprung“ geehrt.

Mit dem neuen Rückenwind hofft Hartung nun darauf, dass ihre Idee der biologisch abbaubaren Netze noch mehr Abnehmer findet. „Wir würden gern mehr für den Umweltschutz und die Gesellschaft tun“, sagt der Geschäftsführer. „Wir brauchen aber bessere Rahmenbedingungen.“

Interview und redaktionelle Bearbeitung durch: Sven Heitkamp | Freier Journalist | Leipzig
(Bildquellen: meshpack, Profilbild sowie Slider auf Home von Zeitgeist Businessmarketing)

Veröffentlicht: 05. Juni 2024

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