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#Klartext

Für einen Aufbruch brauchen wir „Mehr Wir, weniger Ich“

Der Juni ist angebrochen. Halbzeit für 2024. Das Hochwasser beschäftigt Süddeutschland, aber auch Teile des Ostens. Wieder einmal Krisen-Modus, hört man Stimmen. Dabei hätten wir davon doch bereits genug. Anfang Juni beim Ostdeutschen Wirtschaftsforum (OWF), das auch in diesem Jahr wieder vom Ostdeutschen Bankenverband unterstützt wurde, fiel der Begriff der „Stapelkrisen“. Ausnahmezustand um Ausnahmezustand schichte sich aufeinander, will das Sprachbild vermitteln, und mit dem „Feuer austreten“ komme man gar nicht mehr hinterher. Sicher ist das etwas übertrieben. Aber es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass die allseits zu verzeichnende Beschleunigung auch vor dem Auftauchen von Problemlagen nicht Halt macht. Die einzig richtige Antwort darauf kann nur lauten: Wir müssen schneller werden – und zwar bei den Lösungen. Passenderweise lautete das OWF-Motto „Fast forward“. Die beim Forum anwesenden Spitzenpolitiker/innen, egal ob Bundeskanzler, Bundesarbeits-, wirtschafts- bzw. -finanzminister, Ministerpräsidentin Manuela Schwesig oder Ministerpräsident Dietmar Woitke griffen „Fast forward“ auf. Sie sagten zu, schneller zu werden, und sie riefen dazu auf, dass jeder in seinem Verantwortungsbereich das Gleiche leisten solle.

Unternehmer/innen müssen das – immer und fordern es von der Politik mit Nachdruck in den letzten 20 Jahren. Denn wenn sie nicht Schritt halten mit dem Wandel am Markt, wird es schwer, bei den Kunden/innen weiter erfolgreich zu sein, gehen Umsätze zurück, verlieren Beschäftigte ihre Jobs. Nicht anders gilt das im Grunde für den politischen Wettbewerb, auch wenn die Mühlen hier langsamer mahlen und Beharrungsvermögen auch zu lange dauern kann.

Am 9. Juni haben die Bürgerinnen und Bürger an der Wahlurne ihr Feedback gegeben, was sie von den auf dem Politik-Markt angebotenen Lösungskonzepten halten (oder von deren Fehlen), immer mit dem Blick darauf, ob bessere Konzepte angeboten werden.

Das Wahlergebnis sendet ein eindeutiges Signal: Deutschland braucht dringend Lösungen, um den Berg an aufgestauten Reformen abzubauen – und gleichzeitig die Überregulierung zurückzufahren. Europa muss hierzu beitragen. Die Wahlen fielen in eine wirtschaftlich wenig schwungvolle Zeit. Zudem passen viele Richtlinien- und Gesetzes-Projekte nicht zur Lage seit dem 24. Februar 2022. Auch wenn Projekte wie das LNG-Beschleunigungsgesetz, das Fachkräftezuwanderungsgesetz, das Wachstumschancengesetz und das Bürokratieentlastungsgesetz das Bemühen der Regierung deutlich machen, braucht es mehr, als an einigen Stellschrauben zu drehen. Niemandem kann es schwerfallen nachzuvollziehen, dass sicherheitspolitische Kompetenz von echter, tiefgreifender und anhaltender wirtschaftlicher Stärke abhängt. Niemandem dürfte verborgen geblieben sein, dass Europa im allgemeinen und Deutschland im Besonderen die guten Jahre mit niedrigen Zinsen seit 2012 und daher großen Finanzierungsspielräumen für das Schließen eklatanter strukturpolitischer Lücken ungenutzt hat verstreichen lassen.

Im Ergebnis wächst Deutschland 2024 deutlich schwächer als erwartet, so haben es vor wenigen Wochen die Wirtschaftsweisen konstatiert. Der Fachkräftemangel bleibt als Geschäftsrisiko hoch. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer schlussfolgert aus ihrer aktuellen Konjunkturumfrage: Die Investitionen befinden sich auf einem besorgniserregenden Niveau und mehr als ein Viertel der Industriebetriebe rechnet in den kommenden zwölf Monaten nicht mit anziehenden Exporten. Die Staatseinnahmen gehen in den kommenden Jahren deutlich zurück, haben die Steuerschätzer als Botschaft für Christian Lindner und seine Länderkollegen/innen parat. Last but not least führt der Ausbau der Erneuerbaren Energien auf absehbare Zeit nicht zu einer Kostenentlastung auf der Energieseite, denn die Aufwendungen für Netzausbau und Systemstabilisierung klettern weiter, das war auch auf dem OWF das eindeutige Statement der Expertinnen und Experten der Energiewirtschaft.

Eine weitere Einschätzung auf dem OWF, dieses Mal aus dem Mund von Unternehmerinnen und Unternehmern, macht deutlich, dass die Ursachen der misslichen Lage nicht allein Strukturversäumnisse sind, sondern tiefer liegen. Etliche Firmenlenker/innen sprachen von einem „Grundmisstrauen“ der Politik gegenüber der Wirtschaft. Sichtbarster Beleg dafür sei ein stärker und stärker wucherndes Bürokratiedickicht, welches für so manchen schon DDR-hafte Züge annimmt.

Doch bange machen gilt nicht. Die Wahl am 9. Juni steht dafür, dass es in einer Demokratie immer wieder die Möglichkeit zum Nachjustieren bzw. zum Politikwechsel gibt – auf der Basis unseres Grundgesetzes. Das Ruder in der Wirtschaft sollte dringend umgelegt werden in Richtung eines Dreiklangs aus Kostenentlastungen für die Unternehmen, Steuererleichterungen auf breiter Front und Anreize für Beschäftigung.

Vielleicht nehmen sich die Wahlsieger/innen vom Sonntag, egal ob auf europäischer oder auf kommunaler Ebene, ein Beispiel an Matthias Sammer, der als Spieler, Trainer und Manager eine gesamtdeutsche Erfolgsgeschichte mit ostdeutschen Wurzeln geschrieben hat und der auf dem OWF über Siegermentalität sprach. Sein Motto: Sich selbst nicht so wichtig nehmen, schauen, wo man dem anderen dienen kann, und miteinander reden. Man müsse „die Menschen zusammenbringen“, so Sammer, damit man Trennendes überwindet. Ich denke, das täte auch unserem Land und das täte Europa gut.

In unserer Reihe KLARTEXT lesen Sie persönliche Meinungen und Denkanstöße.

Achim Oelgarth
Geschäftsführender Vorstand
Ostdeutscher Bankenverband e.V.

Veröffentlicht: 6. Juni 2024*

*bearbeitet mit leichten redaktionellen Anpassungen nach der Wahl vom 9. Juni 2024.

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