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Die Zeitspanne einer Generation -
35 Jahre Einheit

Am 3. Oktober feiern wir 35 Jahre deutsche Einheit. Es ist zugegebenermaßen kein ganz runder Geburtstag und dennoch etwas Besonderes. 35 Jahre sind etwas mehr als eine Generation. Da der Stabwechsel aber nie punktgenau erfolgt, befinden wir uns sozusagen in der Übergangsphase von „Aufbau Ost“ zu „Aufbruch Ost“.

Geschafft haben die Menschen im Osten eine enorme Transformationsaufgabe. Die Erzählung der Herren im Politbüro von der DDR als zehngrößter Volkswirtschaft weltweit zerplatzte sofort nach dem Mauerfall wie eine Seifenblase. In der Realität brachten es die Kombinate und Volkseigenen Betriebe auf ein Produktivitätsniveau von lediglich rund 30 Prozent desjenigen im Westen. Heute sind wir bei fast 85 Prozent. Berücksichtigt man die Lebenshaltungskosten, dann erreichen die Reallöhne Ost mehr als 90 Prozent des Westniveaus. Heute wird man das einst vorherrschende Ost-West-Gefälle nur noch in Teilen finden. Gemessen an Konsummöglichkeiten, Lebenserwartung, Freizeit und Einkommen gibt es kaum noch Unterschiede. Das ist das Ergebnis einer gemeinsamen Kraftanstrengung von  Ost und West.

Doch auch wenn sich die Reihe der positiven Daten und Fakten fortsetzen ließe, eine große Kluft besteht nach über drei Jahrzehnten weiter: die Vermögensungleichheit. Lediglich fünf Prozent des Produktivvermögens zwischen Ostsee und Erzgebirge gingen oder blieben in ostdeutscher Hand. 2,2 Millionen Haushalte waren von dem Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung“ betroffen, sprich, mussten Immobilie oder Firma an jene aus dem Westen abgeben, die im Grundbuch oder im Register der volkseigenen Betriebe eingetragen waren. Rund 150.000 Euro beträgt das Durchschnittsvermögen im Osten. In Westdeutschland ist es rund doppelt so viel. Vom Erbschaftsteuer-Aufkommen entfallen lediglich 2 Prozent auf Ostdeutschland und während es in Bayern fast 7.000 Einkommensmillionäre gibt, sind es in den sechs neuen Bundesländern nicht ganz 1.800.

Diese Gegenüberstellung soll nicht den Eindruck erwecken, als habe man seit der Wende einen unfairen Zustand zementiert. Die Vermögensverteilung ist immer und überall das Resultat eines komplexen Zusammenspiels von Einkommensspielräumen, individueller Neigung und institutionellen Regeln. In der DDR, wo das Propaganda-Konstrukt des „Volkseigentums“ herrschte, war es unmöglich bis schwer, privates Vermögen zu schaffen. Natürlich hatten die Menschen auch hier den Wunsch „sich etwas aufzubauen, egal ob es das eigene Häuschen oder eine Firma war. Doch die gesetzlichen Hürden waren fast unüberwindlich hoch und das Einkommen reichte für den Normalbürger auch kaum für die Verwirklichung dieses Traums.

Diese Faktoren bestimmten die Startposition in Sachen Vermögensbildung vor 35 Jahren. Die oben beschriebene Ungleichheit ist nicht Resultante der Wiedervereinigung, sondern Fortschreibung des Unterschieds zur Wendezeit. Die Menschen in Westdeutschland hatten schlicht 40 Jahre mehr Zeit, Teile ihres Einkommens zu investieren und daraus Vermögen zu erwirtschaften.

Aus diesem Grund geht es völlig am Thema vorbei, wenn – wie unlängst wieder – im Zusammenhang mit der ungleichen Besitzverteilung Ost-West die Erbschaftsteuer ins Spiel gebracht. Weder die Erhöhung der Besteuerung von Erbschaften oder Schenkungen noch ein „Grunderbe“ werden die Vermögenslandschaft östlich der Elbe plötzlich zum Erblühen bringen. Steuern sind nie zweckbestimmt. Zudem: Wie sollte ein aus der Erhöhung der Erbschaftsteuer finanziertes Förderinstrument aussehen, das ausschließlich oder hauptsächlich im Osten Wirkung für den Aufbau von Vermögen entfaltet?

Wer der Vermögensverteilung aus der Schieflage helfen will, der sollte schlicht und ergreifend für einen Rahmen sorgen, der die Wirtschaft florieren lässt. Stichwort soziale Marktwirtschaft. Sie war der Boden, auf dem im Westen bereits 40 Jahre früher persönliches Erfolgsstreben Vermögensfrüchte bringen konnte. Und sie hat nach der Wende viele Ost-Erfolgsgeschichten ermöglicht.

Die Wertschätzung von unternehmerischem Wagnis und die Achtung von individueller Freiheit bei der Verwirklichung von Lebensentwürfen passt viel besser in die Diskussion um Angleichung als jedwede Steuererhöhung. Eine echter Vermögensbooster ist „Mehr Netto vom Brutto“. Und selbst dann wird der eine das Plus auf der Gehaltsabrechnung investieren, ein anderer wird es verkonsumieren.

Wenn man schon über die Erbschaftsteuer spricht, dann über eine Reform, welche Lebensleistungen respektiert und endlich mit der seltsamen Sicht aufhört, Erbe sei leistungsloses Einkommen. So als lebten in Familien Eltern (potenzielle Erblasser) und Kinder (potenzielle Erben) nebeneinanderher. Nein, Generationen halten zusammen – und müssen auch Hand in Hand gehen, um es zu etwas zu bringen. Auch in den kommenden 35 Jahren und darüber hinaus.

35 Jahre Deutsche Einheit sind eine Erfolgsgeschichte.
Die Generation „Aufbau Ost“ darf ans Ausruhen denken; die Generation „Zukunft Ost“ muss durchstarten können. Dabei beweisen die Unternehmen zwischen Ostsee und Erzgebirge täglich Tatkraft, Ideen und Ausdauer. Die privaten Banken stehen als Partner bereit. Für ein starkes Bergauf braucht es aber auch ein großes Bergab: bei Bürokratie, Energiepreisen und Steuern. Die Aufgabe für die Politik – jetzt!

Achim Oelgarth
Geschäftsführender Vorstand
Ostdeutscher Bankenverband e.V.

Veröffentlicht: 1. Oktober 2025

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