Erik May, CEO von byte robotics (Foto: Jana Dünnhaupt)
#ErfolgeOst
KI-Turbo für Roboter
Das Magdeburger Startup byte robotics entwickelt smarte Software für klassische Industrieroboter. Damit lassen sich die Maschinen fast im Handumdrehen auf präzise, effiziente Handgriffe trimmen – langwierige, teure Programmierarbeit und Nervenstress entfallen. Nach ersten Auszeichnungen und Finanzierungsrunden steht das Team nun vor dem Sprung auf die internationale Bühne.
In der Experimentellen Fabrik in Magdeburg ist die Legende vom „Kollegen Roboter“ längst Realität: Zwischen Kaffeetassen und Codezeilen rotiert in einem Großraumbüro ein weißer, sechsachsiger KUKA KR 6 – er simuliert in einer Demonstrationszelle das Schweißen, Kleben und Prüfen von Metallteilen, während eine Handvoll IT-Experten und Ingenieure vor großen Bildschirmen an Codes und Kniffen tüfteln. Flink und behutsam gleitet der Metallarm von Werkstück zu Werkstück. Die geschmeidigen Bewegungen steuert eine KI-basierte Software, die das byte robotics-Team entwickelt hat – das Herzstück des Startups und eine echte Sprunginnovation. Erik May, Mitgründer und Geschäftsführer des Deep-Tech-Startups, tippt nur ein paar Befehle ins Steuertablet – und der Kollege aus Stahl beginnt surrend zu kreiseln.
„Industrieroboter für eine Aufgabe händisch zu programmieren dauert bisher mehrere Tage oder sogar Wochen“, sagt der 40-jährige Diplom-Ingenieur für Mechatronik. Das binde jede Menge Personal, Zeit und Geld: Während ihrer Lebensdauer entfallen oft die größten Kosten auf Programmierung und Umrüstung – ein Hemmschuh für dringend benötigte Flexibilität. „Mit unserem Plug-In verringert sich der Aufwand auf wenige Minuten oder Stunden.“ Der Einsatz künstlicher Intelligenz sorgt dabei nicht nur für einen Programmier-Sprint, sondern auch für höchst effiziente Abläufe ohne Kollisionen. Gerade in der Massenproduktion seien Faktoren wie hohe Taktfrequenzen und sparsamer Energieverbrauch entscheidend, sagt May. Er kennt das Metier aus dem Effeff: Seit seinem Studienbeginn vor 20 Jahren beschäftigt er sich mit Robotern und KI. Seine Abschlussarbeit schrieb er am Robotics Innovation Center des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Bremen.
Der Roboter-Turbo von byte robotics ist dabei kein komplettes Betriebssystem, sondern ein herstellerunabhängiges Modul, das nahtlos in gängige Lösungen und Workflows klassischer Industrieanbieter wie Kuka, Fanuc, ABB oder Yaskawa integriert wird. Nutzer sind vor allem Systemintegratoren, Sondermaschinenbauer und spezialisierte Dienstleister. Sie können mit dem Tool aus Magdeburg das Anlernen der Anlagen für ein paar Tausend Euro pro Jahr deutlich beschleunigen. Die Firmen agieren dabei meist als Mittler zwischen Herstellern und Nutzern. Rund zehn Pilotprojekte laufen aktuell bei unterschiedlichen Anwendern. Derweil entwickelt das heute neunköpfige Team die Software weiter, arbeitet am Verkauf kommerzieller Lizenzen und baut seinen Kundenstamm aus. Beim Markteintritt soll nicht zuletzt eine Seed-Finanzierung von 1,3 Millionen Euro für Rückenwind sorgen. Investor ist bmp Ventures, das den Venture-Capital-Fonds der IBG-Beteiligungsgesellschaft Sachsen-Anhalt managt. Mit dem frischen Kapital will das Startup weiter wachsen und Kooperationen mit Herstellern, Systemintegratoren und anderen Industriepartnern vorantreiben.
Ein KI-gesteuerter Roboter am Werk
Die Gründerinnen und Gründer von byte robotics (Foto: Tom Schulze)
„Mit zunehmender Automatisierung in der Industrie wächst der Bedarf an benutzerfreundlichen Programmierlösungen“, sagt Jan Alberti, Managing Partner bei bmp Ventures. Das Plug-In von byte robotics ermögliche dafür eine automatisierte, hochwertige Codegenerierung. Kurz zuvor wurde die Innovationskraft der Magdeburger bereits zweifach prämiert: Das Startup erhielt beim Gründungswettbewerb Digitale Innovationen des Bundeswirtschaftsministeriums sowohl den renommierten Gründungspreis Plus als auch den Fokuspreis „Innovative KI“.
Die Erfolgsgeschichte hatte 2020 als Forschungsprojekt zur Roboterprogrammierung an der Otto-von-Guericke-Universität begonnen. Schon damals entstanden erste Funktionssimulationen. „Das Feedback war sehr positiv“, erzählt May. „Uns wurde klar, dass wir ein Startup gründen müssen.“ Das Förderprogramm EXIST-Forschungstransfer für herausragende forschungsbasierte Ideen erwies sich dann als Geburtshelfer: Im Sommer 2024 gründete das fünfköpfige Team um May und Technikchef Julian-Benedikt Scholle die Firma.
Den Gründer treibt dabei nicht nur sein Faible für perfekte KI-Lösungen für maschinelle Helfer – sondern auch der Wunsch, Unternehmen produktiver zu machen. „Unsere Mission ist es, produzierenden Unternehmen eine möglichst flexible Nutzung von Industrierobotern durch automatisierte Programmierung zu ermöglichen.“ Und das nicht nur aus kommerziellen oder technischen Gründen, sondern auch aus gesellschaftlichen. „Ihr Einsatz ist überlebenswichtig für die Industrie in Deutschland und Europa“, sagt May. „Wenn bis 2030 etwa 25 bis 30 Prozent der heute Beschäftigten in den Ruhestand gehen – wer soll in Zukunft etwas produzieren und unseren Wohlstand sichern?“ Roboter müssten daher immer mehr industrielle Fertigung übernehmen. Doch bislang setzen sie viel zu wenige Betriebe ein. „Da ist noch jede Menge Luft nach oben“, sagt May. „Und wir wollen gern unseren Beitrag leisten.“
„Magdeburg ist unser Zuhause: Hier entstand unsere Idee, hier haben wir gegründet, hier gehen unsere Kinder zur Schule. Auch wenn die Stadt noch kein klassischer Hotspot der KI-Szene ist, unterstützen uns leidenschaftlich engagierte Mitstreiter weit über das Übliche hinaus – weil sie mit uns Innovationen aufbauen und gestalten wollen! Und der Standort bietet den Raum dafür, mit unserer Sprunginnovation eine Chance für Zukunft zu schaffen.“
Erik May
CEO von byte robotics
Interview und redaktionelle Bearbeitung durch: Sven Heitkamp | Freier Journalist | Leipzig
(Bildquellen: wenn nicht anders angegeben, dann byte robotics)
Veröffentlicht: 24. November 2024
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