Gründerin von Vacom Ute Bergner (Fotografin: Arlene Knipper)
MITTELSTAND / BRANCHEN

Aus dem Nichts

Vacom bei Jena ist ein weltweit führender Anbieter für Vakuum-Technologien in Industrie und Forschung. Gründerin Ute Bergner leitet das international erfolgreiche 300-Mitarbeiter-Unternehmer seit 1992 – und sie mischt in Thüringens Politik und Gesellschaft weit vorne mit. Besuch bei einer Vorausdenkerin.

 

In Großlöbichau in Thüringen hat ein „Hidden Champion“ seinen Sitz, der seiner Titulierung alle Ehre macht: Die unscheinbare Produktionshalle der „Vacom – Vakuum-Komponenten & Messtechnik GmbH“ liegt versteckt etwas abseits der Bundesstraße 7 wenige Kilometer vor den Toren Jenas. Die Fassade der neuen Fertigungshalle ziert ein riesiges Bild einer Ultrahochvakuum-Kammer, die an der Universität Sydney in Australien genutzt wird. Gefertigt aber wurde sie hier in Großlöbichau. Denn mit seinem Knowhow ist das Unternehmen ein Weltmarktführer seiner Branche. Die Frau, die das erfolgreiche Unternehmen seit 28 Jahren führt, ist Ute Bergner: promovierte Physikerin und gesellschaftlich stark engagierte Unternehmerin. Zum 30. Jahrestag der deutschen Einheit wurde sie vom Ostdeutschen Bankenverband als eine der „Macherinnen 30“ mit dem Ehrenpreis des Ostens ausgezeichnet.

Bei einem Besuch führt sie durch die hochmoderne Fertigungshalle, oder besser: ihre neue Smartfactory, die im vorigen Jahr eröffnet wurde. Intelligent gesteuerte Maschinen liefern hier Unikate in Serie: Sie sägen, drehen und fräsen, bohren und schweißen Rohlinge aus Edelstahl und Aluminium. Algorithmen liefern die Daten und Maße für die Einzelbestellungen der Kundschaft und die Eigenentwicklungen von Vacom. Ein vollautomatisches Lager und fahrerlose Transportsystemen unterstützen digitalbasiert die interne Logistik der Produktionshalle und stehen dabei Modell für Software-Firmen, die die Industrie 4.0 weiterentwickeln. „Ich bin von Natur aus ein bequemer Mensch und suche immer nach Wegen, um monotone, wiederkehrende Tätigkeiten technologisch zu bewältigen“, sagt Ute Bergner. Die Suche in ihrem Unternehmen begann vor 20 Jahren, als sie mit ihrem ersten Auszubildenden für IT-Technik eine Art Taskforce für Digitalisierung gründete.

Ein Hidden Champion in den sanften Thüringer Hügeln bei Jena.
Viel Licht und viel Grün bestimmen das Raumklima in der Smartfactory von Vacom.

60 Mitarbeiter sind in der zum Teil selbstregelnden Fertigung bei Vacom beschäftigt, Entlassungen habe es trotz des hohen Automatisierungsgrads nicht gegeben. „Wir können unser Wachstum mit nur wenigen Neueinstellungen managen“, sagt Ute Bergner. Das moderne Fabrikgebäude trägt die Handschrift der ebenso leidenschaftlichen wie unkonventionellen Naturwissenschaftlerin: Mehr als 100 speziell ausgewählte Pflanzen und ein Lüftungssystem mit großflächigen Oberlichtfenstern, dessen Grundidee sie aus Afrika mitgebracht hat, sorgen für gute Luft und ein angenehmes Raumklima. Ökologische Gebäudetechnik und eine Photovoltaikanlage sorgen für einen ressourcenschonenden Energieverbrauch. Die Produktionshalle steht für den Innovationsgeist dieser Frau, den auch die Bundesregierung zu schätzten weiß: Ute Bergner arbeitete jahrelang im Innovationsdialog von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und im Mittelstandsbeirat des Bundeswirtschaftsministers.

Ihr unternehmerischer Aufstieg hatte bald nach der deutschen Einheit begonnen: 1991 verließ die wissenschaftliche Assistentin die Kellerlabore an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena und wurde Außendienstmitarbeiterin bei der Firma Balzer, einem Spezialisten für Vakuumtechnik und Oberflächen-Beschichtungen. Ein Topmanager überzeugte sie 1992, mit ihr die „Vacom“ als Anbieter für Vakuum-Technik zu gründen. Wenige Jahre später stieg der Kompagnon aus, Ute Bergner wurde alleinige Geschäftsführerin und Gesellschafterin. „Die erste Zeit war hart“, erzählt sie, „ich hatte viele schlaflose Nächte.“

acom wächst dabei kontinuierlich und zählt bereits mehr als 300 Mitarbeiter.
Smarte Technik und spezialisierte Mitarbeiter arbeiten bei Vacom eng zusammen.

Fragt man sie nach ihrem genauen Geschäftsmodell, grinst Ute Bergner verschmitzt: „Wir machen nichts.“ Physikalisch betrachtet ist das exakt. Vacom fertigt Bauteile und Komponenten, die überall dort zum Einsatz kommen, wo Vakuum-Bedingungen herrschen müssen, sei es in der Elektronikbranche und der Chipherstellung, in der Optikindustrie oder der Photovoltaik. Neben namhaften Konzernen und dem weltweit größten Teilchenbeschleuniger CERN gehören auch die Forschungsriesen Fraunhofer und Max-Planck zu den Kunden. „In Mess- und Reinigungstechnologien sind wir Weltspitze“, sagt Bergner. Der Physikerin ist es mit ihrem Team gelungen, bisher nicht vorhandene Standards für Sauberkeit von Vakuumbauteilen zu definieren. „Früher gab es viele Missverständnisse in der Branche, weil die Standards fehlten“, sagt Bergner. „Heute setzten sich unsere Reinheitsklassen in Industrie und Forschung durch.“

Vacom wächst dabei kontinuierlich und zählt bereits mehr als 300 Mitarbeiter, 20 bis 25 von ihnen arbeiten in der Forschung und Entwicklung für neue Marktanforderungen. Und das nicht nur in Deutschland: Die Spezialisten aus Großlöbichau sind heute in 35 Ländern unterwegs, besonders in Europa, Asien und den USA. Die erfolgreiche Internationalisierung begründet Ute Bergner sehr persönlich: „Ich hatte schon als Kind großes Fernweh“, sagt sie. „Als Unternehmerin konnte ich diesem Antrieb endlich folgen.“ Auf ihren Reisen entstanden geschäftliche Kontakte, Partnerschaften und schließlich Kunden- und Lieferantenbeziehungen. „Es gibt kein Patentrezept für die Exportsteigerung ostdeutscher Unternehmen – außer, sich auf den Weg zu machen“, sagt Ute Bergner.

Die Stirnseite der Smartfactory ziert das Bild einer Vacom-Kammer an der Universität Sydney.
Vacom fertigt Bauteile und Komponenten, die überall dort zum Einsatz kommen, wo Vakuum-Bedingungen herrschen müssen.

„Auf den Weg machen“ ist ihre Spezialdisziplin. Die Mutter von vier erwachsenen Kindern hat einen betriebseigenen Kindergarten gegründet, um die Mitarbeiter von Alltagsstress zu entlasten. Seit 2019 ist sie Landtagsabgeordnete für die FDP. Dieses Jahr hat sie zudem den Verein „Bürger für Thüringen“ gegründet, der sich für einen fairen, respektvollen und sachlichen Diskurs im Freistaat einsetzt. Wie nebenbei hat sie zudem die Initiative „Thüringen pflanzt“ ins Leben gerufen, die sich für mehr Bäume in der Region engagiert. „Ich sehe die Welt ganzheitlich“, sagt sie. „Wenn wir die Endlichkeit der Erde nicht akzeptieren, wird es irgendwann schiefgehen.“

Als vorausschauende Unternehmerin hat die heute 63-Jährige längst auch die Nachfolge für sich geklärt. Während einer ihrer Söhne das Unternehmen verlassen hat, führt Sohn Jens Bergner inzwischen als Mehrheitsgesellschafter die Geschäfte. Die Gründerin konzentriert sich auf Beratung, Coaching und strategische Fragen – und lässt ihn seine Arbeit machen. „Er ist mein Sohn“, sagt Ute Bergner, „und nicht mein Klon.“

Interview und redaktionelle Bearbeitung durch: Sven Heitkamp | Freier Journalist | Leipzig
(Bildquellen: Sven Döring)

 

Veröffentlicht: 19. November 2020

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