BANKENMARKT / BANKING 4.0

Banken in der digitalen Transformation

Banken sind und bleiben wichtige Finanzpartner

 

„Banking ist notwendig, Banken sind es nicht“. Schon 1994 warf Bill Gates mit dieser provokativen Aussage die Frage auf, ob Banken durch Digitalisierung bald ein Relikt aus alter Zeit sein werden. Ein Vierteljahrhundert später gibt es noch immer klassische Banken und sie sind nach wie vor der zentrale Ansprechpartner in Finanzfragen für die Verbraucher/innen sowie Unternehmen jeglicher Größe — gerade in Ostdeutschland.

Fakt ist aber auch: Die Digitalisierung verändert(e) das Geschäftsumfeld für die Finanzwirtschaft radikal. Dies betrifft etwa die Kommunikation der Banken mit ihren Kunden/innen. Digitale Lösungen in anderen Dienstleistungsbereichen haben hier die Erwartungshaltungen nachhaltig beeinflusst. Ansprechendes Design, eine Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit und reibungslose Nutzbarkeit sind der neue Minimalstandard. Nicht zuletzt hat die Corona-Pandemie nochmals einen deutlichen Schub ausgelöst (s. Grafik). Bargeldloser Zahlungsverkehr ist inzwischen Alltag und die bei digitalen Banking-Lösungen oftmals vorhandenen „Berührungsängste“ sind hierdurch schnell in den Hintergrund gerückt.

Dieser Wandel schwappt in rasantem Tempo auch auf das Firmenkundengeschäft über. Zugleich werden die Geschäftsmodelle der Unternehmen selbst immer stärker transformiert, was sich in veränderten Bedarfen niederschlägt (z.B. nahtlose Integration von Zahlungsverkehrslösungen in die eigene Wertschöpfungskette).

Umfeld bleibt anspruchsvoll

 

Banking muss sich daher aufgrund der Veränderungen auf der Nachfrageseite, aber auch durch neue Technologien, z.B. der Blockchain, schneller und tiefgreifender wandeln. Dabei bleiben die Rahmenbedingungen für Banken und Sparkassen anspruchsvoll. Einerseits steht durch die andauernde Niedrigzinsphase die Ertragsseite unter Druck. Zudem sind die regulatorischen Anforderungen gestiegen, was zu entsprechenden Kosten- und Arbeitsbelastungen führt. Gleichzeitig treten neue Wettbewerber aus dem Ausland oder der FinTech-Szene sowie die global operierenden BigTechs (Google, Amazon, Facebook etc.) auf den Plan. Gerade letztere sind mit ihren erheblichen finanziellen Mitteln und technologischen Kompetenzen von besonderer Bedeutung für die weitere Marktentwicklung.

Vom Monolithen zum Ökosystem

„FinTech“ werden Teil des Geschäftsmodells

 

Die Finanzinstitute stehen bei der zunehmenden Digitalisierung vor strategischen Entscheidungen, die nicht mehr nur einzelne Prozesse innerhalb der Häuser, sondern die gesamte Geschäftsstrategie betreffen. Ist es heute noch üblich, dass die Hausbank — als Universalbank — die Finanzdienstleistungen für ihre Kunden weitgehend selbst erbringt, geht der Trend stärker dahin, dass das Institut zunehmend eine Mischung aus eigenen und Dienstleistungen Dritter zu einem Gesamtpaket orchestriert. Kunden/innen und Banken und können somit schneller von neuen Markt-trends profitieren. Hierdurch ergibt sich ein breites Feld an Kooperationen zwischen FinTechs und klassischen Bankhäusern. Im Optimalfall verbinden sich die Stärken aus beiden Welten: Hohe Agilität bei den FinTechs und ein breiter, auf einer Vertrauensbasis fußender, Kundenzugang bei den Banken.

Hausbank wird programmierbar

Die Integration von Dienstleistungen Dritter erfolgt über standardisierte Schnittstellen. Diese gibt es in Ansätzen — insbesondere bei deutschen Banken — bereits seit vielen Jahren. Mit der EU-Zahlungsdiensterichtlinie PSD2 wurde bis September 2019 europaweit die Bereitstellung und Offenlegung von Schnittstellen im Banking festgesetzt. Damit ist die Öffnung von Zahlungskonten für Dienstleistungen Dritter in der gesamten Europäischen Union garantiert (z.B. zur Verwaltung mehrerer Konten bei unterschiedlichen Banken in einer App — s. Grafik). Die europaweite Offenlegung der Schnittstellen für Zahlungskonten war jedoch nur ein erster Schritt in diese Richtung. Künftig dürften immer mehr Funktionen der Hausbank durch offene Schnittstellen abgebildet werden: Die Hausbank wird stärker programmierbar. Auf diese Weise könnte man z.B. einen einfachen Algorithmus implementieren, der bei Eintreten eines vorweg definierten Ereignisses automatisch eine Überweisung auslöst. Banking lässt sich hierdurch deutlich tiefer in Geschäftsprozesse integrieren.

Banking as a Service

Finanzdienstleistungen ohne „sichtbare Bank“

Außerdem gewinnen Banken durch offene Schnittstellen die Möglichkeit, die eigenen Dienstleistungen Drittunternehmen zur Integration in deren Geschäftsmodelle anzubieten. Die Vernetzung beider Welten nimmt also zu. Banken werden in Zukunft stärker in diesen Markt einsteigen (Stichwort: „Banking as a Serivce“). Durch stärkere Standardisierungen der Schnittstellen können auch kleine und mittlere Unternehmen solche Dienstleistungen für ihr eigenes Geschäftsmodell fruchtbar machen. Sie würden dabei insbesondere vom langjährigen regulatorischen und sicherheitstechnischen Knowhow der Banken profitieren und den eigenen Kunden/innen durch ergänzende Finanzdienstleistungen einen potentiell signifikanten Mehrwert liefern.

Die integrierte Bank

Andererseits beschreiten einige Banken den Weg zur eigenen Plattform, an die sich FinTechs und weitere Dienstleister mit ihren individuellen Angeboten andocken können. Dies kommt dem Wunsch der Kunden/innen entgegen, geschäftskritische Anwendungen möglichst miteinander zu verzahnen. Es entsteht in Folge unter dem Dach der Hausbank ein Ökosystem, in dem die Integration von Bankingfunktionen mit gängigen Geschäftsanwendungen als standardisierte Dienstleistung angeboten werden, etwa in Form von Apps. Beispiele beziehen sich auf Zahlungsverkehrs-/Buchhaltungssysteme oder das Einlagen-/Zinsmanagement.

Technologie prägt Finanzbranche immer stärker

Automatisierung, wo möglich

 

Die Richtung ist eindeutig: alle repetitiven, standardisierbaren Aufgaben werden zunehmend automatisiert. Dies gilt nicht nur für interne Prozesse, sondern auch für das Kundengeschäft der Banken: Was heute schon für den/die Verbraucher/in gängig ist, hält auch stärker Einzug ins Mittelstandsgeschäft. Etwa kann (zukünftig) ein kleinerer Firmenkredit direkt im Online-Banking beantragt werden. Neben niedrigeren Transaktionskosten gibt es hierdurch zügiger Klarheit über Zu- oder Absage der gewünschten Finanzierung.

„Neue Technologien“ auf dem Vormarsch

Nutzungsbasierte Investitionskredite

 

Darüber hinaus verändert die (Weiter)Entwicklung neuer Technologien die gesamte Wirtschaft und auch den Finanzsektor. Einige Stichworte wären: Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen, die Einzelentscheidungen in standardisierten Aufgabenbereichen überflüssig werden lassen. Auch die Distributed Ledger Technology (DLT) bzw. Blockchain, die etwa eine schnelle und manipulationssichere Übertragung von Vermögenswerten (z.B. Wertpapieren) auf digitalem Weg ermöglicht, wird disruptive Veränderungen herbeiführen. Es ist daher zu erwarten, dass die neuen technischen Möglichkeiten auch andere Dienstleistungen und Bedarfe entstehen lassen. So können etwa Banken klassische Finanzprodukte stärker flexibilisieren. Ein Beispiel hierfür ist der sogenannte „Pay-per-Use-Kredit“. Dieser Investitionskredit ermöglicht es Unternehmen, Maschinen nutzungsbasiert zu finanzieren. Bei der Rückführung des Kredits orientiert sich dieser an der effektiven Nutzung der Investition. Die Maschine überträgt mit Hilfe von integrierten Sensoren entsprechende Nutzungsdaten an die Bank, sodass die Höhe der Rückzahlungsraten stets daran angepasst werden kann. Unternehmen müssen sich somit bei ihren Investitionsentscheidungen weniger Gedanken über zyklische Schwankungen in der Produktionskapazität machen, da sich die Finanzierungskosten flexibel an die tatsächliche Nutzung anpassen.

Datengetriebene Anwendungen

Die durchgehende Digitalisierung der Geschäftsprozesse innerhalb der Hausbank wird zudem datengetriebene Anwendungen ermöglichen, die eine tiefergehende Finanzberatung erlauben. Über maschinelles Lernen werden etwa auf Basis bisheriger Umsatzdaten Vorhersagen über Salden für einen mehrmonatigen Zeitraum (Liquiditätsvorschau) oder Produktempfehlungen generiert. Auch ist die Einbindung von Sprachassistenten in die Kundenbetreuung möglich.

Regulatorische Unterstützung

Banken benötigen entsprechende Rahmenbedingungen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft auch in Bezug auf die digitalen Herausforderungen zu stärken. Eine grundsätzliche Zielvorstellung wäre es, einen echten digitalen Binnenmarkt der EU zu schaffen — Stichwort: Digitale Souveränität Europas stärken. Dabei sollten durch die Regulatorik freie, wettbewerbsfähige und -faire Märkte sichergestellt werden — möglichst technologieoffen.

Digitale Formen von Wertpapieren und Geld nötig

 

Zugleich besteht auf diversen Handlungsfeldern die Möglichkeit, die digitale Transformation der Wirtschaft und auch der Finanzbranche zu unterstützen. Ein Beispiel wäre die konsequente Einführung elektronischer Wertpapiere, etwa von Aktien, auf Basis der DLT. Die gleiche Anforderung betrifft den Euro. Erst in einer digitalen und programmierbaren Form wird dieser effizient in die Wirtschaftsabläufe, die auf Blockchain etc. beruhen, integrierbar sein (z.B. die automatisierte Auslösung von Zahlungsvorgängen aufgrund vorherbestimmter Vertragsbedingungen). Europa und auch sein Finanzsystem müssen schneller fit für die Zukunft werden. Hier gilt es die Balance zwischen Innovation, Geschwindigkeit, Marktstabilität und Technologieoffenheit zu finden.

Darüber hinaus wäre eine Schnittstellenöffnung über die PSD2 hinaus für alle Branchen notwendig, um die einseitige Begrenzung auf die Finanzwirtschaft zu beenden und umfängliche Datenkooperationen zu ermöglichen. Dies beinhaltet selbstverständlich die freie Entscheidung der Kunden/innen über die Nutzung ihrer personenbezogenen Daten. Zudem sollte die Schaffung von einheitlichen und allgemein akzeptierten digitalen Identitäten gefördert werden, um die übergreifende Ausweisung von Personen sicherzustellen.

Zukunft der Kommunikation Kunde/in—Bank

Schnelle Interaktion wird noch wichtiger

Die Standardisierung und Automatisierung zahlreicher Banking-Prozesse hat eine noch stärkere Umorientierung in den Kommunikationswegen zwischen Kunden/innen und Banken zur Folge. Vor allem die Filiale verliert an Bedeutung. Der Trend weist seit Jahren bereits in diese Richtung (s. Grafik). Demgegenüber gewinnen die digital-gestützten Kanäle (Online-Banking, App etc.). Zugleich wird es zahlreiche neue Interaktionsmöglichkeiten mit der Bank von morgen geben, z.B. Voice Banking via Alexa oder Siri. Etabliert sich ein neuer digitaler Kommunikationskanal, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass in Zukunft auch Banking über diesen nutzbar sein wird.

Persönliche Beratung bleibt zentral

Dies bedeutet jedoch nicht, dass die kommunikative Nähe zwischen Kunden/innen und Bank abnehmen muss. Im Gegenteil: Bei vielschichtigen Fragen bleibt persönliche Beratung unersetzlich. Der Wunsch nach einer direkten Interaktion kommt dabei besonders zur Geltung, wenn die Komplexität des Unterfangens einen „Navigator“ erfordert, der Branche sowie Unternehmen kennt und eine passgenaue Beratung anbieten kann. Dies gilt etwa bei umfangreichen Finanzierungsvorhaben oder eines stärkeren Auslandsengagements. Insgesamt wird es somit zwar weniger Bankfilialen geben. Sie werden aber an die neue Geschäftswelt angepasst. Mit anderen Worten: weniger Schalter und dafür deutlich mehr Raum für individuelle, digital-unterstützte Beratung.

Der Blick der privaten Banken

  • Banken sind Innovations- und Transformationstreiber, auch um starke Finanzierungspartner für Mittelstand und Privathaushalte zu bleiben. Dabei wird sich die Rolle der Hausbank – nicht zuletzt durch neue Marktteilnehmer und neue Finanzierungsformen — weiter wandeln.
  • Standardisierbare Dienstleistungen werden immer stärker durch Digitalanwendungen abgebildet – unter Erhalt der bestmöglichen Präsenz in der Fläche. Der persönliche Austausch zwischen Kunden/innen und Hausbank wird sich auf beratungsintensive und maßgeschneiderte Finanzdienstleistungen konzentrieren.
  • Die Politik muss einen innovationsfreundlichen Rahmen für ein Ökosystem schaffen, das Daten und Informationen als Produktionsfaktoren versteht. Dies umfasst auch einheitliche, allgemeingültige digitale Identitäten.

Ansprechpartner: Enrico Großer | enrico.grosser@ostbv.de | 030/88 777 882

Veröffentlicht am 29. April 2021