#FridayThoughts
Aktienrente kommt – aber ohne Umparken im Kopf
Kennen Sie das Erste Strucksche Gesetz? Das dem ehemaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden (und späteren Bundesverteidigungsminister) Peter Struck zugeschriebene Bonmot lautet: Kein Gesetz kommt aus dem Parlament so heraus, wie es eingebracht worden ist. In Ableitung dazu könnte man aktuell das Erste Lindnersche Gesetz formulieren: Unter Koalitionsbedingungen kommt ein Gesetz nicht so ins Parlament rein, wie es ursprünglich gedacht war.
Ein privates Standbein in der Altersvorsorge wird zukünftig immer wichtiger
Gemeint ist hier die Aktienrente. Anfang Januar stellte Bundesfinanzminister Christian Lindner die Pläne für die Einführung einer teilweisen Kapitaldeckung in Deutschland vor. Das Projekt war Teil des FDP-Programms für die Bundestagswahl 2021. Bereits beim Zwischenschritt Koalitionsvertrag erfuhr die Idee eine deutliche Wendung. War es die ursprüngliche Absicht, dass die Beitragszahler/innen via Renditen eines staatlichen Aktienfonds höhere Leistungen erhalten sollten – wie es in Schweden der Fall ist, welches für die FDP Vorbild war – schwenkte man um auf das Heranziehen der Gewinne zur Stabilisierung der Rentenbeiträge.
Dieser Ansatz wird wohl im ersten Halbjahr 2023 in Gesetzesform gegossen, nachdem die dafür notwendigen Anschubmittel bereits im Haushalt 2023 eingeplant wurden. 10 Mrd. Euro sind es und die gleiche Summe soll in den kommenden Jahren jeweils in den Fonds fließen. Finanziert aus Krediten. Ausgeschüttet wird erstmalig 2037. Gemanagt wird das Portfolio vom Kenfo, dem Fonds zur Finanzierung der Kernkraftwerksaltlasten.
Die Absicht der Beitragsstabilisierung ist ehrenhaft – aber ein wahrer Paradigmenwechsel findet nicht statt – leider. Natürlich ist es einleuchtend, dass in der ab 2025 einsetzenden Phase der Babyboomer-Verrentung eine Justierung des Systems nur über den Beitrag schwer vertretbar ist. In diese Richtung zielen auch die vom Bundesarbeits- und Sozialministerium eingezogenen Haltelinien: Bis 2025 darf der aktuelle Rentenbeitrag von 18,6% nicht erhöht werden. Danach erwartet man einen Anstieg auf 19,3%. Die dann immer weniger Jungen müssen also fast ein Fünftel ihres Einkommens hergeben für die Finanzierung der Altersrenten.
Hier hätte die Aktienrente in ihrer ursprünglichen Fassung positive Signalwirkung entfalten können. Wenn die Einzahler/innen mit einem Teil der Beiträge echte Ansprüche gegen den kapitalgedeckten Teil des dann auf zwei Säulen ruhenden Systems erwerben würden, fiele der Anstieg beim Umlageteil aus psychologischer Sicht leichter. Das schwedische Modell funktioniert genau so: 16% des Einkommens gehen in die staatliche Umlagerente; 2,5% in einen von zwei Aktienfonds, einem staatlichen und einem privaten. Die Zahler/innen haben die Wahl. Der Staatsfonds konnte in den letzten Jahren eine durchschnittliche Rendite von 14% (!) erzielen.
Die Aktienrente in ursprünglicher Idee hätte der Kultur der privaten Altersvorsorge gut getan
Nicht zu vergessen wäre ein begrüßenswerter Nebeneffekt. Die Aktienrente hätte der Aktienkultur hierzulande gut getan – was die freiwillige private Altersvorsorge bislang nicht geschafft hat. Denn die Einsicht ist unwiderlegbar: Die Balance des Umlagesystems wird auch in den Jahren nach Renteneintritt der Babyboomer arg strapaziert. Ein privates Standbein ist schon heute und wird umso mehr künftig unumgänglich werden. Wer aber verpflichtend in einen Aktienfonds einzahlt, für den senken sich automatisch die Hürden, privates Vorsorge-Engagement in Richtung Kapitalmarkt zu lenken. Natürlich gibt es bei Investments in Aktien und Anleihen Rückschlagrisiken. Aber auf mittlere Frist sind die Renditen so ordentlich, dass die Finanzierung des Lebensabends wichtige Zuflüsse erhält.
Eine echte Aktienrente bietet also die Chance, in Sachen privater Altersvorsorge im Kopf umzuparken. Das Generationenkapital, wie der jetzt in der öffentlichen Debatte gebrauchte Begriff für den Ampel-Ansatz lautet, tut das nicht. Im Hintergrund wird lediglich ein Zuschusskanal für das herkömmliche Rentensystems gebildet. Und das nur in sehr geringem Maße. Wollte man den Rentenbeitrag im Umlagesystem um einen Prozentpunkt absenken, so bedürfte es eines Fondsvolumens von über 500 Mrd. Euro. In diesen Bereich kommt man mit den jetzt beschlossenen Haushaltsmitteln von jährlich 10 Mrd. Euro nicht ansatzweise (die zudem schuldenfinanziert sind, so dass zusätzlich der Annuitätendienst aus den Fondsgewinnen geleistet werden muss).
Aber vielleicht arbeitet die Zeit für die Aktienrente. Der Fonds jedenfalls wird Wirklichkeit und was man künftig mit ihm macht, darüber können künftige Koalitionen noch einmal nachdenken – und ein neues Gesetz machen.
Alexander Schumann
Leiter Politik und Konjunktur, Sonderprojekt
Ostdeutscher Bankenverband e.V.
Veröffentlicht: 17. Februar 2023
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