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MITTELSTAND / WIRTSCHAFTSENTWICKLUNG

Mit Circular Economy zu wertstabilen Immobilien

Der Gebäudesektor: Vom Sorgenkind zum Hoffnungsträger

In Deutschland verursacht der Gebäudesektor mehr als ein Drittel der jährlichen Treibhausgas-Emissionen. Hier liegt enormes Einsparpotential auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2045. Um dieses zu nutzen, muss die Transformation des Sektors von der linearen hin zur Kreislaufwirtschaft deutlich beschleunigt werden – einerseits, um den Energieverbrauch und die Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren, und andererseits, um Materialkreisläufe zu schließen und wertvolle Ressourcen zu schonen. Hier kann der Finanzsektor einen großen Beitrag leisten und gleichzeitig Risiken für gestrandete Vermögenswerte minimieren. Dies zeigt das aktuelle CEWI-Impulspapier „Mit Circular Economy nachhaltig wertstabile Immobilien schaffen“, das gemeinsam mit Unternehmen aus dem Gebäude- und Finanzsektor entstanden ist. CEWI ist ein Verbundvorhaben von WWF Deutschland, Stiftung KlimaWirtschaft und des Wuppertal Instituts.

Die Skalierung fehlt

Die zirkuläre Transformation des Bau- und Gebäudesektors ist in vollem Gange: Deutschlandweit etablieren sich innovative Start-Ups zur Digitalisierung der Branche, Unternehmen schaffen eigene Rücknahmesysteme für Bauprodukte und bilden zirkuläre Wertschöpfungsketten wie das Circularity-Partner-Programm, um das Potenzial der Circular Economy im Gebäudebereich voll auszuschöpfen.

Bisher ist zirkuläres Bauen jedoch noch nicht skaliert. Dies liegt unter anderem daran, dass zirkuläre Gebäude beim Bau aktuell kostenintensiver und bei der Finanzierung bisher oft im Nachteil sind. Über den gesamten Lebenszyklus hinweg bieten zirkuläre Gebäude aber zahlreiche Vorteile. Gleichzeitig befassen sich bislang nur wenige Finanzinstitute mit diesem Thema und übersehen so das Potenzial zirkulärer Immobilien.

Abbildung 1: Kostenersparnis durch recyclinggerechte, zirkuläre Konstruktion

Wertstabile Immobilien durch kreislauffähige Bauweise

 

 

Denn die CEWI-Analyse zeigt, dass eine zirkuläre Planung und Bauweise maßgebliche Vorteile für Eigentümer:innen, Nutzer:innen und Finanzierer:innen der Immobilien bringt. Immobilien mit hohem energetischem Standard sind langfristig attraktiv. Zudem schaffen digitale Tools die Grundlage für einfachere Instandhaltung und Sanierung, gleichzeitig ermöglichen sie eine bessere Wiederverwertbarkeit am Nutzungsende. Durch recyclinggerechte Konstruktion ist eine Gesamtkostenersparnis von 22 bis 32 Prozent auf den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes möglich. Auch ein Verzicht auf Schadstoffe erhöht den Verkehrswert der Immobilie. So verringern sich die Sanierungs- und Umnutzungskosten sowie die Rückbau- und Entsorgungskosten. Entsorgungs- und Deponierungskosten werden aufgrund abnehmender Kapazitäten in Deutschland absehbar steigen.

Darüber hinaus sind die Preise für Baustoffe bereits stark angestiegen. Die Nutzung von Sekundärbaustoffen und -teilen, wie in den Circular-Economy-Kriterien der EU-Taxonomie gefordert, wird somit immer attraktiver. Auch eine Bestandssanierung fällt im Vergleich zum Abriss und Neubau deutlich günstiger aus und kann zudem CO2-Emissionen einsparen. Somit kann eine zirkuläre Planung, Bauweise und Sanierung zu Risikovermeidung und Wertstabilität von Immobilien beitragen. Gleichzeitig zahlt sie auf die Net-Zero-Ziele ein, die sich immer mehr Finanzinstitute setzen.

Mit den Circular-Economy-Kriterien der EU-Taxonomie den Einstieg schaffen

Um die Vorteile zirkulärer Immobilien nutzen zu können, bedarf es einer kompetenten Begleitung und Förderung durch den Finanzbereich. Die bereits erwähnte EU-Taxonomie kann dafür die Grundlage liefern. Als Einstieg in die Thematik analysiert das CEWI-Papier die acht für die EU-Taxonomie entwickelten Circular-Economy-Kriterien für Gebäude und verdeutlicht, dass Banken und Finanzinstitute eine deutliche Hebelwirkung erzeugen können, wenn sie beim Finanzieren von Immobilien wirksame Kriterien der Circular Economy anwenden.

Abbildung 2: Linear oder Zirkulär – Aspekte und Vorteile der Circular Economy

Der Finanzsektor muss jetzt aktiv werden

Banken und Finanzinstitute sollten die Circular-Economy-Kriterien daher bereits jetzt bei ihren Finanzierungsentscheidungen anwenden. Dabei reicht die Spanne der Anwendungsmöglichkeiten von der Eigenheimfinanzierung bis zu Investitionen in renditegetriebene Bauträgerprojekte. Expert:innen aus Strategie-, Nachhaltigkeits- und Immobilienabteilungen sowie der Produktentwicklung der Finanzinstitute sollten sich gezielt mit den Circular-Economy-Kriterien befassen und Umsetzungswege in ihren Instituten finden.

Konkret bedeutet das, dass Finanzinstitute gezielt Wissen zu Circular Economy aufbauen sowie ein zirkuläres Netzwerk mit Partnerorganisationen schaffen müssen. Die folgenden Nachweise für Bau- und Sanierungsprojekte bieten die Grundlage, um eine zirkuläre Lenkungswirkung mit der Finanzierung zu erreichen: ein Gebäuderessourcenpass, ein Rückbau- und Recyclingkonzept, eine Lebenszyklusanalyse bei Neubauten und ein Gebäudeenergieausweis, auch für gewerbliche Immobilien. Damit bauen sie entscheidende Expertise zu diesem wichtigen Thema auf, positionieren sich strategisch und sichern sich nicht zuletzt frühzeitig zukunftsfähige und langfristig nachhaltige Immobilien.

„Betrachten wir den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes, dann spart eine zirkuläre Bauweise, je nach Größe und Gebäudetyp, bis zu 32 Prozent der Gesamtkosten. Außerdem werden kreislaufgerechte und schadstoffarme Gebäude vor dem Hintergrund der sich zuspitzenden Klima- und Biodiversitätskrise zu wertstabileren Immobilien“

Silke Küstner | Expertin für Circular Economy und Gebäude beim WWF Deutschland

Abbildungsverzeichnis:

[1] WWF Deutschland (2022) nach Hillebrandt, A. et al., 2021, Atlas Recycling: Gebäude als Materialressource (Detail Atlas), 2. Aufl., München, Deutschland: DETAIL.

[2] WWF Deutschland (2022): Hintergrundpapier Circular Economy im Gebäudesektor. Zirkuläre Maßnahmen im Bestand und Neubau zum Schutz von Klima- und Ökosystem ergreifen. Online verfügbar unter: https://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/Unternehmen/Hintergrundpapier-Circular-Economy-im-Gebaeudesektor.pdf

Veröffentlichung: 2. Juni 2023

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