BANKENMARKT / FINANZIERUNGSWISSEN

Mittelstandsfinanzierung „im Klimawandel“

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Mehr Klimaschutz notwendig

Die Entwicklung des Klima- und Umweltschutzes hat sich zu einem der beherrschenden Themen unserer Zeit entwickelt. Die Wissenschaft ist sich einig: Der Klimawandel ist nicht zu leugnen. Es bedarf einer gezielten und raschen Umsteuerung der bisherigen Lebens- und Wirtschaftsweise. Gleichzeitig drückt in Umfragen ein größerer Teil der Bevölkerung seine Sorge über die Zukunft aus und fordert aktives Handeln der Politik ein – vor allem die jüngere Generation. Im letzten Eurobarometer der EU-Kommission zählte der Sachverhalt zu den wichtigsten Herausforderungen europaweit aber auch für Deutschland (34% sehen dies als eines der zwei wichtigsten Probleme für unser Land). Alle gesellschaftlichen Akteure sind also zum Handeln aufgerufen. Über Umfang, Geschwindigkeit und konkrete Maßnahmen gehen allerdings die Meinungen erheblich auseinander.

Politik als Akteur im Sinne der Nachhaltigkeit

Die Politik muss aus den Erkenntnissen der Wissenschaft und dem zunehmenden Handlungsdruck durch die Öffentlichkeit die richtigen Schlüsse ziehen. Erste Schritte wurden eingeleitet: 2015 haben sich über 190 Länder in Paris auf ein allgemeines weltweites Klimaschutzübereinkommen verständigt. Ein Ziel ist es, die Erwärmung gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, angestrebt werden 1,5 Grad. Zwischen 2050 und 2100 soll die Weltwirtschaft letztlich treibhausgasneutral werden. Im Nachgang haben die einzelnen Staaten nationale Klimaschutzpläne vorgelegt.

Jüngst hat auch die EU-Kommission ihre Zielvorstellungen nochmal überarbeitet und den „European Green Deal“ vorgelegt. Damit will die EU die Klimaneutralität bis 2050 erreichen, die Umweltverschmutzung eindämmen und die Unternehmen dabei unterstützen, weltweit führend im Bereich von „grünen“ Produkten und Technologien zu werden (s. Grafik). Einbezogen werden sollen die unterschiedlichsten Sektoren: Energieversorgung, Wirtschaft, Gebäude und Verkehr.

Politik steckt den Rahmen

National wurde Ende 2019 ein neues Klimapaket beschlossen. Eines der zentralen Instrumente: Der Einstieg in die CO2-Bepreisung für Verkehr und Wärme, um Anreize zur Reduzierung entsprechender Emissionen zu setzen. Zugleich ist das Ende der Kohleverstromung bis max. 2038 vereinbart.

Wirksame Transformation der „Realwirtschaft“

Einer der Hauptadressaten der politischen Bemühungen für mehr Klima- und Umweltschutz ist die Wirtschaft. So benennt etwa der „European Green Deal“ den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft als eine wesentliche Zielmarke (s. Grafik). Die Wirtschaft soll entsprechend nachhaltiger werden, etwa durch einen anderen Einsatz von Ressourcen (regional, nachwachsend etc.) oder dem Ersatz fossiler Energieträger. Dabei steht aktuell zwar der Energiesektor stark im Vordergrund (Stichwort: Kohleausstieg), wird aber letztlich alle Wirtschaftsbereiche betreffen.

Zeitalter der Transformation

Zudem verändern sich die Märkte und die Nachfrage bereits heute, wie z.B. die anhaltenden Diskussionen um die Auswirkungen einer Mobilitätswende auf die Automobilhersteller und deren Zulieferer zeigen. Auch auf die ostdeutschen Unternehmen kommen daher massive Veränderungen zu, deutlich über den aktuell sehr präsenten Ausstieg aus der Braunkohle hinaus. Gelingt die Transformation, ergeben sich durchaus Chancen für die Wirtschaft und die Regionen. Ein Beispiel sind Biolebensmittel, die zunehmend die Nische verlassen und in keinem Supermarkt mehr fehlen. Ein anderes ist die angekündigte Ansiedlung von Tesla in Brandenburg.

Hohe Investitionen nötig

Um mehr Nachhaltigkeit zu verwirklichen, bedarf es erheblicher Investitionen und zahlreicher Innovationen in den Unternehmen. Dies wird zudem nicht ad hoc erfolgen. Zugleich ist der Grad zwischen der Verwirklichung höherer Schutzziele und dem Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit schmal. Gerade mit Blick auf den kleinteiligen Mittelstand ist daher eine gezielte Unterstützung nötig, u.a. durch:

  • Praxisadäquate Rahmenbedingungen, etwa in Hinblick auf Umstiegsszenarien, politische Zielvorstellungen oder vorzuhaltende Daten
  • Gezielte Anreize zum Umbau der Wirtschaft, z.B. Förderung klimaneutraler Technologien, Erleichterungen bei Finanzierungen etwa durch staatliche Garantien (Haftungsfreistellungen), auch werden Förderbanken (EIB, KfW, Landesförderbanken etc.) eine Rolle spielen müssen
  • Förderung von Innovationsaktivitäten, z.B.: technologieoffene Unterstützung von Grundlagenforschung, Vernetzung von Unternehmen.

Rolle der Finanzwirtschaft

Finanzmarkt in Schlüsselrolle

Der Transformationsprozess verlangt letztlich massive Investitionsmittel für neue Technologien, Prozesse und Verfahren. Um die aktuellen Klimaziele zu erreichen, sind laut EU-Kommission bis 2030 zusätzliche Investitionen von 260 Mrd. Euro jährlich in der EU erforderlich. Diese Summen werden weder über die Staatshaushalte noch von den Unternehmen allein finanziert werden können. Vielmehr sind hierfür private Gelder nötig. Hier kommt der Finanzwirtschaft eine entscheidende Schlüsselrolle bei der Gestaltung einer „grüneren“ Wirtschaft zu. So forderte das Pariser Abkommen, dass „die Finanzmittelflüsse in Einklang gebracht werden mit einem Weg hin zu einer hinsichtlich der Treibhausgase emissionsarmen und gegenüber Klimaänderungen widerstandsfähigen Entwicklung“. Einfacher ausgedrückt: Investitionen werden nur dort getätigt, wohin die Finanzmittel fließen. Je nachhaltiger also schon die Verteilung der Finanzmittel bzw. die Investmentstrategie, umso nachhaltiger im Umkehrschluss auch die Wirtschaft.

Stichwort: Sustainable Finance

In der engen Definition wird unter Sustainable Finance die Einhaltung der 17 Nachhaltigkeitsziele der UN (s. Grafik) bei Finanzierungsaktivitäten verstanden. Darunterfallen nicht nur die Verringerung von Umwelt- und Klimaschäden, sondern auch z.B. die Schaffung von menschenwürdigen Arbeitsbedingungen und die Einhaltung von Menschenrechten. Aktuell steht aber vor allem die Eindämmung des Klimawandels bzw. die Anpassung von dessen Folgen im Fokus („Green Finance“).

Nachhaltige Investments stärken

Die EU hat 2018 einen Aktionsplan („Action Plan on Financing Sustainable Growth“) vorgelegt, der nachhaltige Investitionen fördern und zudem Finanzmarktstabilität wahren soll. Vorgesehen sind u.a. ein einheitliches Klassifikationssystem für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten (s. Grafik), eine Reform der EU-Förderprogramme, die Berücksichtigung von Nachhaltigkeit in der Finanzberatung und die Entwicklung von Referenzwerten für Nachhaltigkeit, damit Investoren die CO2-Intensitäten besser abschätzen können. Auch die Bundesregierung arbeitet an einer Sustainable-Finance-Strategie. Die konkreten regulatorischen Überlegungen richten sich dabei noch nicht auf das Kreditgeschäft, sondern zielen vor allem auf den Kapitalmarkt.

Mittelstandsfinanzierung im Fokus?

Banken als Partner für den Mittelstand bei Transformation

Als Hauptfinanzierer der ostdeutschen Wirtschaft ist für die privaten Banken die Zukunftsfähigkeit ihrer Kunden zentral. Im Geschäft mit dem Mittelstand und den Firmen vor Ort ist daher Nachhaltigkeit ein wichtiges Strategiethema. Die Institute unterstützen die Transformation in den Unternehmen hin zu einem klimaverträglichen, ressourcenschonenden und nachhaltigeren Wirtschaften aktiv. Zugleich verstärken weitere Sachverhalte die Aufmerksamkeit:

  1. Geschäftsausrichtung der Institute selbst

Hier spielen einerseits grundsätzliche Überlegungen und Überzeugungen über die Ausrichtung der Geschäftspolitik eine Rolle. Andererseits ist eine stärkere Berücksichtigung von Nachhaltigkeit für viele Institute auch ökonomisch notwendig. Neben wachsendem gesellschaftlichem Interesse und erhöhten Transparenzanforderungen, bieten sich hier zudem attraktive Marktchancen. Immer mehr Kunden fragen nachhaltige Finanzdienstleistungen nach (z.B. bei Anlagen). Zugleich verlangen Institutionelle Investoren entsprechende Anstrengungen, bevor sie in Banken investieren. Auch vor diesem Hintergrund beschäftigen sich Finanzinstitute intensiv mit Sustainable Finance.

Risiko: Fehlende Nachhaltigkeit

  1. Risikoüberlegungen

Banken sind verpflichtet bei ihren Entscheidungen mögliche Risiken zu berücksichtigen. Nachhaltigkeitsaspekte spielen dabei zur Bewertung der Zukunftsfähigkeit der Vorhaben eine wichtige Rolle (zur Berücksichtigung bei bekannten Risikoarten – s. Grafik). Schon die Auswirkungen des Klimawandels können Investitionen entwerten (z.B. küstennahe Immobilien bei steigendem Meeresspiegel). Zudem wirken politisch-regulatorische Entscheidungen (z.B. CO2-Bepreisung bei emissionsstarker Industrieanlage) oder auch ein verändertes Marktumfeld (z.B. fallende Nachfrage bei einem Automobilzulieferer, dessen Produkte ausschließlich in Verbrennungsmotoren eingebaut werden) ggfs. negativ. Investitionen in Übergangstechnologien/„braune“ Industrien müssen weiter möglich sein, etwa um diese emissionsärmer zu gestalten. Auch bei klimaneutralen Investitionen bleibt eine umfassende Risikobetrachtung notwendig, da eine nachhaltige Geschäftsidee oder Produkt nicht schon allein deswegen ohne Risiko ist.

Thema „sickert“ in Regulierung ein

  1. Regulierungen (unmittelbar/mittelbar)

Auch Bestimmungen des Gesetzgebers finden letztlich ihren Niederschlag im Bankgeschäft (Stichworte: Transparenz und Risikobewertung). Größere Kreditinstitute sind etwa zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet. Sie müssen also u.a. darüber Auskunft geben, wie nachhaltig ihre eingegangenen Kreditvergaben sind. Zudem hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erst im Dezember 2019 ein sehr umfassendes Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken veröffentlicht. Dies soll zwar zunächst als reine Orientierungshilfe dienen. Die BaFin formuliert aber die Erwartung, dass die Institute sich mit diesen Risiken strategisch auseinandersetzen. Die wesentlichsten Überlegungen werden wohl mit der Zeit auch in der Bankregulierung angewandt werden.

Die Entwicklungen bei Sustainable Finance haben damit insgesamt das Potenzial, die Finanzwirtschaft mittelfristig sichtbar zu verändern. Dies wird sich auch künftig im Kunde-Bank-Verhältnis stärker widerspiegeln. Die Unternehmen werden u.a. relevante Informationen zu Nachhaltigkeitsaspekten bereitstellen müssen.

Der Blick der privaten Banken

  • Ein Mehr an Klimaschutz ist gesellschaftlich und politisch gewollt. Entsprechende Maßnahmen befinden sich in der Umsetzung oder werden diskutiert. Planungssicherheit ist dabei für die Wirtschaft ein hohes Gut.
  • Die Transformation der Wirtschaft ist im Gang. Sie bietet neben den erheblichen Herausforderungen auch wirtschaftliche Chancen. Dabei kommt Sustainable Finance eine Schlüsselrolle zu.
  • Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind auch für Banken eine richtige Handlungsmaxime. Dies gilt sowohl für die Institute selbst, als auch für die Kundengeschäfte. Hier ist die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen existenziell. Nachhaltigkeit wird künftig die Kunde-Bank-Beziehung intensiver berühren und damit Teil des Kerngeschäfts.
  • Die privaten Banken laden Wirtschaft und Landespolitik ein, den Dialog zu vertiefen und ihre Meinung in Brüssel und Berlin einzubringen.
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