BANKEMARKT/KREDITE

Halbzeit 2023: Rück-/Ausblick im Mittelstand

Ostdeutschland konnte zuletzt mit positiven Wirtschaftsschlagzeilen punkten. Ansiedlungserfolge (Stichwort: Intel-Fabrik Magdeburg), Investitionen in Elektromobilität (z.B. in der VW-Fabrik in Mosel/Zwickau) oder der Ausbau bei Erneuerbaren Energien (etwa in der Wasserstoffregion Mitteldeutschland) fanden bundesweit Gehör. Bemerkenswert: Brandenburg verzeichnete 2022 auch durch den Hochlauf des Tesla-Werkes ein außergewöhnliches Plus von 13,4% in der Bruttowertschöpfung des Verarbeitenden Gewerbes. Neben den Flächenländern hat sich die Bundeshauptstadt ebenfalls mit ihren starken Zuwächsen bei Startups und FinTechs positiv entwickelt und trägt zum Gesamtwachstum in Ostdeutschland spürbar bei – auch wenn dieses Asset noch nicht genug Beachtung in der Region selbst findet. In Summe lag das ostdeutsche Wirtschaftswachstum (inkl. Berlins) 2022 mit +3% oberhalb des bundesdeutschen Schnitts von 1,8%. Nach herausfordernden Jahren also eine gar nicht so schlechte Bilanz.

Kreditvergabe an die Wirtschaft – Rückblick

Schaut man nun auf die Kreditvergabe in Ostdeutschland, so hat diese im Jahresvergleich ebenfalls zugelegt — wenn auch geringer als in den Vorperioden. So verbuchten die privaten Banken bei den Krediten an die Wirtschaft (Unternehmen und Selbstständige zusammengenommen) per Stichtag 31.12.2022 einen Bestand von nunmehr 73 Mrd. Euro (+2% ggü. 2021). Dies entspricht einem Markanteil von 34%; die privaten Institute sind damit weiterhin die Kreditgeber Nr. 1 der hiesigen Wirtschaft (s. Grafik 1).

Unterjährig betrachtet wurde allerdings per Ende September 2022 der Höchstbestand des Kreditbuches erreicht, der Bestand geht seither zurück. Ein Trend, der auch im ersten Quartal dieses Jahres anhielt und sich weiter fortsetzen dürfte. Ein wesentlicher Grund: Staatliche Stützungsmaßnahmen sowie die Liquiditätssicherung befeuerten zunächst die Kreditaufnahme im Kurzfristbereich. Diese Sondereffekte laufen zunehmend aus. Damit entwickelte sich die Nachfrage nach kurzfristigen Krediten ab dem dritten Quartal 2022 spürbar verhaltener. Gleichzeitig weist das Wachstum für den Gesamtmarkt ab Ende 2022 bzw. Beginn 2023 bei mittel-/langfristigen Krediten zuletzt Rückgänge bzw. eine Stagnation aus. Auch hier bremste die zurückhaltende Nachfrage: Viele Unternehmen blieben bei ihren Investitionen abwartend und verhalten sich wohl auch weiterhin so.

Finanzsituation der Unternehmen

Dabei sind die Unternehmen in Deutschland in Summe insgesamt solide aufgestellt; Investitionen sollten auch vor diesem Hintergrund eher unproblematisch sein. So berichteten 63% der antwortenden Unternehmen in der DIHK-Konjunkturumfrage (Frühsommer 2023) von keinen Beeinträchtigungen ihrer Finanzlage. Zwar steigen die Unternehmensinsolvenzen weiter an. Dies ist aber eher Ausdruck der Normalisierung, nachdem die Antragszahlen während der Corona-Pandemie stetig rückläufig waren. Auch in Hinblick auf das Eigenkapital herrscht keine kritische Situation. Deutschlandweit hat die Zahl der eigenkapitalstarken Unternehmen wieder zugenommen. Laut Creditreform verzeichnet mehr als jeder dritte der befragten Mittelständler eine Eigenkapitalquote von über 30 Prozent (s. Grafik 2). Der Anteil liegt damit deutlich über den langjährigen Werten. Naturgemäß gibt es auch eine Anzahl von Unternehmen, die von Eigenkapitalrückgang und Liquiditätsengpässen berichten – primär kleinere Betriebsgrößen sind hiervon betroffen.

Zugang zu Fremdkapital

Bei der Fremdkapitalbeschaffung zeigt sich ebenfalls ein entspanntes Bild. Zwar bewegt sich der Anteil der Unternehmen in Kreditverhandlungen seit inzwischen zwei Jahren auf niedrigem Niveau seitwärts (siehe hierzu KfW-ifo-Kredithürde, Mai 2023). Die Nachfrage bleibt damit unter dem langfristigen Durchschnitt. Von verhandelnden mittelständischen Unternehmen berichten aber dreiviertel von keinen Restriktionen auf Bankenseite, etwas mehr als noch zu Ende 2022.

Gleichwohl haben die Herausforderungen für einen Teil der Unternehmen zugenommen. Bemerkbar macht sich vor allem das gestiegene Zinsniveau. In Folge der zur Inflationsbekämpfung eingeleiteten Zinsschritte der EZB haben sich die Kreditzinsen deutlich nach oben bewegt. Die Zeit ungewöhnlich niedriger Zinsen findet damit sein Ende (s. Grafik 3). Belastend wirkt u.U., dass sich dies in relativ kurzer Zeit vollzogen hat. Davon betroffen ist jedoch nur ein kleiner Teil: Laut Creditreform macht sich nur gut 8% des Mittelstandes Sorgen, seinen Zinsverpflichtungen nicht nachkommen zu können. Dies dürfte auch darin begründet liegen, dass sich die Unternehmen zumindest partiell günstige Konditionen langfristig sichern konnten.

Wenn ferner von leicht gestrafften Vergaberichtlinien der Banken und Sparkassen berichtet wird, sind mehrere Faktoren zu berücksichtigen: Kreditgeber müssen bei der Bewertung von Anfragen risikoorientiert vorgehen. Diese wird aktuell die ungünstigere wirtschaftliche Gesamtlage sowie sich eintrübende Aussichten einbeziehen müssen. Anderseits dürften die aktuell vorzulegenden Firmendaten von der eher schlechteren Ausgangsbasis durch Corona-Pandemie, Lieferkettenthematik und Energiekrise geprägt sein.

Unabhängig von den genannten Faktoren besteht eine ausgeprägte Bereitschaft bei den Banken, ihre Unternehmens- und Geschäftskunden mit Beratung und Finanzierung zu unterstützten. Dies gilt gerade mit Blick auf notwendige digitale und ökologische Transformationsanstrengungen — sichert dies doch letztlich die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen und zugleich der Kreditgeber.

Wirtschaftsausblick

Ein wesentlicher Grund für die angesprochene Investitionszurückhaltung der Unternehmen dürfte in den hohen konjunkturellen Unwägbarkeiten liegen – es fehlt an Sicherheit. Nach zunächst positiven Nachrichten (Stichwort: Post-Corona-Erholung) erlebte die Konjunktur im Winterhalbjahr einen deutlichen Dämpfer, auch wenn der erwartete Einbruch (durch Blackouts, Gaszuteilung etc.) bekanntlich ausgeblieben ist. Auf kurze Sicht bleibt die Lage verhältnismäßig schwierig: Der aktuelle ZEW-Konjunkturindikator zeigt beispielsweise weiterhin negative Werte und damit an, dass eine Mehrheit der befragten Expert/innen nicht mit einer Verbesserung in der zweiten Jahreshälfte rechnet. Einzig die Inflationserwartungen haben sich entspannt und geben ein Hoffnungszeichen. Insgesamt deuten die Indikatoren somit ins Negative, von einer Rezession ist auszugehen. Auf Ostdeutschland bezogen: Laut aktueller ifo-Konjunkturprognose dürfte die hiesige Wirtschaft 2023 um 0,4% schrumpfen, gleichlaufend mit der gesamtdeutschen Entwicklung. Im kommenden Jahr soll das Wachstum bei 1,3% (ganz Deutschland: +1,5%) liegen.

Vor allem aber ist die Stimmungslage unter den Unternehmen negativ. So berichtet die KfW in ihrem jüngsten KfW-ifo-Mittelstandsbarometer von einem regelrechten Absturz des Geschäftsklimas beim deutschen Mittelstand. Diese Stimmungslage ist für die – eh schon verhaltenen – Konjunkturprognosen ein weiteres Abwärtsrisiko.

Weitere Investitionshürden

Zugleich unterstreichen die Unternehmen die langfristigen strukturellen Herausforderungen für den Wirtschaftsstandort, wenn man sie nach den Geschäftsrisiken für die kommenden 12 Monate befragt (s. Grafik 4). Laut DIHK drücken weiterhin Sorgen in Bezug auf die Entwicklung der Energie- und Rohstoffpreise die Stimmung, auch bleiben die Energiekosten im internationalen Vergleich am Standort hoch. Sehr kritisch wird die Fachkräftesituation eingeschätzt; der Mangel (schon an Arbeitskräften) ist überall spürbar. Dies dürfte die Befürchtungen vor steigenden Arbeitskosten anheizen, sind doch die Arbeitnehmer/innen zunehmend in einer besseren Verhandlungsposition (immerhin positiv: die Entscheidung der Mindestlohnkommission zu nur moderaten Steigerungen).

Besserung in Sicht?

Für die Zukunftssicherung des Wirtschaftsstandortes ist es per se problematisch, wenn die Unternehmen ihre Transformations- und Investitionspläne aufgrund wirtschaftlicher und politischer Hürden nur teilweise umsetzen. Zuversicht und Vertrauen in die wirtschaftliche Entwicklung hierzulande müssen wieder zunehmen. Einem Verlust (gerade) der industriellen Basis ist entschieden entgegenzutreten.

Dazu braucht es auch einer permanenten Stärkung des Wirtschaftsstandortes. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass etwa die USA mit dem Inflation Reduction Act international eine hohe Anziehungswirkung für Investitionen entfaltet. Altbekanntes lässt sich hier schnell aufzählen: Digitale Verwaltungsvorgänge, schnellere Genehmigungsverfahren, niedrigschwelligere Zugänge auch zu Förderverfahren sowie Infrastrukturinvestitionen (Stichwort: Breitband, ÖPNV etc.). Verlässlichkeit in staatliche Entscheidungen kommt hinzu — insbesondere mit Blick auf Transforma-tionsvorhaben. Diese Problemlagen sollten schnell und zügig angegangen werden. Zum Bürokratieabbau etwa hat die Bundesregierung erst im Frühjahr umfassend Vorschläge in Gesellschaft und Wirtschaft erhoben, diese gilt es nun zu bewerten und möglichst rasch umzusetzen.

Gerade für Ostdeutschland mit seiner noch ungünstigeren demografischen Ausgangssituation bedarf es obendrein Lösungen in Bezug auf den Fach- bzw. Arbeitskräftemangel (s. Grafik 5). Neben den in der Grafik aufgeführten weichen und harten Faktoren sind Qualifizierung, Hebung von weiteren Erwerbspotentialen aber auch Automatisierung von erheblicher Bedeutung. Ebenfalls bleibt abzuwarten, ob (und zu hoffen, dass) die neuen Zuwanderungsregelungen schnell und unbürokratisch zur Lösung beitragen werden. Dies gilt auch für Anwerbeinitiativen auf Länderebene.

Langfristig sind erhebliche Mittel notwendig, um die Transformation zu gestalten. Dies wird nur im Zusammenspiel von Kredit- und Kapitalmarktfinanzierung sowie Förderung gelingen. Letztere muss gezielt Besonderheiten der Transformation adressieren (Risikoteilung, Anschubfinanzierung etc.; aber auch niedrigschwelliger Zugang). Für die Kreditwirtschaft ist es richtig, dass mit der politischen Einigung zur Umsetzung von Basel III Besonderheiten der europäischen Finanzierungsbedingen nun doch berücksichtigt wurden (z.B. diskriminierungsfreie Behandlung von Unternehmen ohne externes Rating). Zugleich ist es notwendig, die europäischen Kapitalmärkte zu stärken (Stichwort: Kapitalmarktunion) — das deutsche Zukunftsfinanzierungsgesetz (u.a. mit elektronischer Aktie) ist hier ebenfalls ein wichtiger Schritt zur Modernisierung des Rahmenwerks.

Der Blick der privaten Banken

  • Trotz vorhandener Finanzierungsangebote sind die Unternehmen zurückhaltend bei Investitionen.
  • Es gilt, den Wirtschaftsstandort nachhaltig zu stärken. Hinsichtlich Bürokratie braucht es einer weitergehenden Entschlackung, mehr Schnelligkeit und niedrigschwelligere Zugänge zu den Prozessen. Es sollte zu einer engen Zusammenarbeit zwischen Politik, Banken und Unternehmen kommen — gerade um letztere dazu zu ermutigen, am hiesigen Standort wieder in ihre Zukunft zu investieren .
  • Banken stehen bereit, ihre Unternehmenskunden, insbesondere in Richtung Transformation, mit Beratung und Finanzierung zu unterstützen.
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