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Georg Rose | Vorstandssprecher von Stimulate

#ErfolgeOst

Ärzte ohne Grenzen

Seit im alten Magdeburger Handelshafen keine Frachtschiffe mehr anlegen, ankern an der Elbe hochmoderne Medizintechnik-Startups. Der vor zehn Jahren gegründete Forschungscampus Stimulate bringt erfolgreiche junge Unternehmen hervor – allen voran Neoscan, Raydiax und mediMESH. Ihre Innovationen dürften bald den Weltmarkt erobern.

Riesige leere Speicher mit Klinkerfassaden, stillstehende Hafenkräne und ausrangierte Güterzüge: Seit Anfang der 1990er Jahren wird der frühere Magdeburger Handelshafen nicht mehr für die Schifffahrt genutzt. Doch in die alten Mauern Nahe der Innenstadt zieht neues Leben ein, seit das Areal offiziell zum Wissenschaftshafen erklärt wurde. Im ehemaligen Zuckerspeicher zog vor zehn der Forschungscampus „Stimulate“ mit jungen Forschungseinrichtungen und ambitionierten Medizintechnik-Startups ein. Gefördert von Bund, Land und EU soll er zu einem quirligen Innovationszentrum in direkter Nachbarschaft zur Otto-von-Guericke-Universität und der Magdeburger Innenstadt werden.

„Wir sind heute schon ein Netzwerk von 37 industriellen und klinischen Partnern mit vielen Forschungsergebnissen, Innovationen und ersten Produkten“, erzählt Vorstandssprecher Georg Rose, Professor am Institut für Medizintechnik. „Einige dieser Innovationen werden einen internationalen Durchbruch in der Medizintechnik bedeuten.“ Am Forschungscampus und in den jungen Firmen seien bereits 150 bis 200 Jobs entstanden, Tendenz steigend: Weitere Ansiedlungen sind geplant. „Der Magdeburger Wissenschaftshafen ist bundesweit eines der sichtbarsten Zentren für Medizintechnik“, sagt Rose. „Auch international haben wir große Strahlkraft entwickelt.“ Davon zeugen der Zuzug internationaler Wissenschaftler und die Erfolge der Unternehmen, die sich vor allem um bildgeführte minimalinvasive Medizintechnik kümmern.

Auf dem Weg in die Klinik – ein Rohbau des neo315.

Bei Neoscan werden hochspezialisierte Drähte zu Hochleistungsmagneten gewickelt.

Eines der größten und erfolgreichsten Unternehmen am neuen Ankerplatz ist Neoscan Solutions mit 40 Beschäftigten: Das Startup baut hochinnovative Kinder-MRTs, die die Behandlung kleinster Patienten spürbar erleichtert. Die kompakten Mini-Magnetresonanztomographen „neo315“ können direkt auf Kinderstationen von Kliniken aufgebaut werden, weil sie kleiner und leichter als herkömmliche Geräte sind. Sie benötigen keine Helium-Kühlung, keine Abschirmung und keine Bodenverstärkung. So bleiben den kleinen Patientinnen und Patienten belastende Transporte und unnötige Gesundheitsrisiken erspart. „Unsere Geräte kommen zum Patienten, nicht umgekehrt“, betont Mitgründer und Geschäftsführer Stefan Röll. Für die Innovation wurde Neoscan voriges Jahr mit dem Wirtschaftspreis „Vorsprung“ der Initiative Deutschland – Land der Ideen ausgezeichnet.

Die Uniklinik Halle will nun ein solches Hochleistungsgerät installieren, das Klinikum Oldenburg und die Medizinische Hochschule Hannover folgen im Laufe des Jahres. Weitere Ausschreibungen, für die es kaum vergleichbare Angebote geben dürfte, laufen bereits. Und Neoscan denkt international: Ein Team um Röll präsentierte sich gerade auf der Arab Health in Dubai, eine der größten Medizinfachmessen der Welt. Zudem gibt es bereits eine FDA-Zulassung sowie ein Büro und einen Repräsentanten für den amerikanischen Markt. Neben ihrer Miniatur-Lösung bauen die Magdeburger Pioniere einen spektakulären Großauftrag aus den Niederlanden. Binnen drei Jahren sollen sie den weltweit stärksten MRT-Magneten mit 14 Tesla Feldstärke aufstellen. Der Hochfeldmagnet soll es ermöglichen, noch feinere und dynamischere Bewegungen im Gehirn darzustellen. Er dürfte weltweit neue Standards setzen. „Mit dem Gerät können wir dem Menschen beim Denken zusehen“, sagt Röll.

Computertomograph als OP-Assisstent von Raydiax

Die Gründer von Raydiax um Thomas Hoffmann (ganz links)

Der promovierte Physiker hat sich 20 Jahre im Siemens-Konzern vor allem um Magnetresonanztomographie gekümmert, ehe er mit seiner Produktidee im Wissenschaftshafen vor Anker ging. Beim Aufbau halfen der Gründer des Energiekonzerns Getec, Karl Gerhold, und der Mitgründer des Dienstleistungs-Riesen RegioCom, Klemens Gutmann, mit Millionen-Investitionen. Auch Sachsen-Anhalt und das Bundesforschungsministerium unterstützen die Entwicklung. Das Universitätsklinikum, die Otto-von-Guericke-Universität und der Forschungscampus Stimulate bieten zudem ein ideales Umfeld für die Weiterentwicklung.

Das ist beim Startup Raydiax ähnlich, das mit dem neuen Wirtschaftspreis Sachsen-Anhalt in der Kategorie Existenzgründung ausgezeichnet wurde. Das 2022 gegründete Unternehmen mit 20 Beschäftigen entwickelt ein innovatives Therapieassistenzsystem im Computertomographen, das Krebsoperationen schonender gestaltet, die Strahlenbelastung reduziert – und weltweit auf großes Interesse stößt. Um die Entwicklung des präklinischen Prototyps voranzutreiben und den Markteintritt in Europa und den USA vorzubereiten, erhielt das Spin-Off im Herbst 2023 insgesamt 3,5 Millionen Euro frisches Kapital: Eine Seed-Runde von 2,4 Millionen Euro vom HighTech Gründerfonds HTGF und bmp Ventures mit den IBG-Fonds sowie eine 1,1 Millionen Euro schwere Aufstockung der EXIST-Förderung. „Wir werden in diesem Jahr den ersten prä-klinischen Prototypen haben“, berichtet CEO Thomas Hoffmann. Er sei aber wegen der Regulatorik noch nicht am Patienten anwendbar. „Aber wir sind selbstverständlich bestrebt, die ersten Systeme in den beiden Unikliniken Sachsen-Anhalts platzieren zu können“, so Hoffmann. „Die Bereitschaft der Ärzte besteht.“ Allerdings sei die Finanzierung noch zu klären.

Ein Schnellboot ist auch das vom Bund geförderte Startup mediMESH, das einen vereinfachten Zugang für Unternehmen zu klinischer Expertise schafft. Die KI-gestützte kollaborative Plattform bietet eine innovative Fortbildungslösung für das Gesundheitswesen: Dank der AI-Tools kann medizinisches Fachwissen leicht verständlich, ansprechend visualisiert und geteilt werden. Mit den herausragenden Neugründungen soll sich Magdeburgs Wissenschaftshafen zu einem international wettbewerbsfähigen Hightechzentrum entwickeln, sagt Vorstandssprecher Rose – und zu einem attraktiven Lebensraum der Landeshauptstadt.

„Unsere Gründung in Magdeburg war die logische Konsequenz aus den perfekten Ausgangsbedingungen vor Ort: Wir haben zwei Investoren aus der Region gewonnen, die sich für unsere Pläne begeistern konnten. Ohne sie wäre der Start so nicht möglich gewesen. Zudem haben wir mit der Otto-von-Guericke-Universität, dem Uniklinikum und dem Forschungscampus STIMULATE am Wissenschaftshafen ein ideales Umfeld und ein großes Potenzial an Nachwuchstalenten vorgefunden. Auch Sachsen-Anhalt und der Bund unterstützen uns hier sehr.“

Stefan Röll
Gründer und CEO von Neoscan Solutions

Interview und redaktionelle Bearbeitung durch: Sven Heitkamp | Freier Journalist | Leipzig

Biildquellen: Profilbild Georg Rose (Stella Maris Fotografie), Profilbild Stefan Röll (IMG_genese Werbeagentur), Neoscan (IMG _ Nilz Böhme _ Neoscan Solutions)

Veröffentlicht: 17. Februar 2025

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