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Dirk Zadermack, General Manager von Ampereship

#ErfolgeOst

Fähren unter Strom

Strahlkraft aus Stralsund: Ampereship baut vollelektrische Fähren, die bereits auf zahlreichen Gewässern Europas verkehren. Mit Pioniergeist zeigt das junge Unternehmen, wie nachhaltige Schifffahrt internationale Märkte erobert. Für Geschäftsführer Dirk Zademack hat die Reise gerade erst begonnen.

74 Meter hoch erhebt sich die türkis-blaue Halle der einstigen Stralsunder „Volkswerft“ über der Ostsee – ein Dinosaurier der DDR-Zeit. Zu ihren Füßen aber wächst ein Pionier einer nachhaltigen, grünen Schifffahrt heran: Ampereship, ein junges Unternehmen, das sich auf vollelektrische Passagierschiffe und Fähren spezialisiert hat. Die Elektro-Solar-Schiffe aus Stralsund erobern mittlerweile die Gewässer Europas, darunter: den Bodensee und den Zürichsee, den italienischen Iseosee, die Spree, die Mosel, die Ostsee und bald auch die Nordsee vor Helgoland. Zwei Dutzend Schiffe sind dann bereits im Einsatz.

Nicht ohne Stolz führt General Manager Dirk Zademack durch die Produktionshalle, in der die hochseetaugliche Dünen-Fähre für Helgoland montiert wird. Der silbern glänzende Rumpf aus Aluminium steht aufgebockt in einem Baugerüst. Funken fliegen, es wird gesägt und gehämmert. Im Bauch des Schiffes verschweißen Handwerker die Wände und verlegen Kabel. In den Elektro- und Mechanik-Werkstätten beugen sich Männer in Latzhosen über digitale 3-D-Pläne für den Innenausbau. Im Winter soll das fertige Schiff vom Stapel laufen: knapp 16 Meter lang und mit Platz für 95 Passagiere. Von einem Schlepper wird es dann durch den Nord-Ostsee-Kanal zu Deutschlands einziger Hochseeinsel gezogen, um ab der neuen Saison zwischen Hauptinsel und Düne zu pendeln.

Die Jungfernfahrt wird einen neuen Höhepunkt in der jungen Firmengeschichte markieren. 2012 war die erste Elektrofähre aus Stralsund auf dem Aasee in Münster gestartet. Damals war Ampereship noch eine Business-Unit des niederländischen Mutterhauses Ostseestaal, das nach neuen Geschäftsfeldern suchte, um Hallen und Personal besser auszulasten. CEO und Mitgründer Thomas Kühmstedt hatte sich dabei in den Kopf gesetzt, dass es für die Schifffahrt nicht nur Hybridlösungen mit Strom und Diesel geben könne, sondern rein elektrische Antriebssysteme ohne Verbrenner. Er sollte Recht behalten.

Entstanden vor 15 Jahren aus einer Sparte des niederländischen Unternehmens Ostseetaal ist heute ein eigenständiges Unternehmen geworden.

Die Bauteile werden – nach Plänen und Ideen aus der Entwicklungsabteilung – von Zulieferern angefertigt und zugekauft und in Stralsund montiert.

Der Wasserbus „Solaaris“ schippert noch heute auf dem Münsteraner See, und das Motorschiff „Insel Mainau“ stellte diesen Sommer auf dem Bodensee einen Rekord auf: Der vollelektrische Katamaran für 300 Passagiere legte in einer 19-stündigen Dauertestfahrt 211 Kilometer zurück – und hatte am Ende noch 20 Prozent Batteriekapazität übrig. Das Schiff nutzt dazu eine eigens entwickelte, intelligente Steuerungssoftware sowie beidseitige Solarmodule. „Unser Rekord zeigt, dass emissionsfreie Schifffahrt schon heute alltagstauglich und wirtschaftlich ist“, sagt Kühmstedt. Die Schiffe werden dabei nachts am Anleger geladen, um tagsüber zu fahren. Solarpanels auf den Dächern steuern je nach Größe und Auslastung zehn bis 20 Prozent des Energiebedarfs bei.

Seit dem mutigen Aufbruch vor rund 15 Jahren hat sich Ampereship zu einem führenden Hersteller von gewerblichen Elektro-Solar-Schiffen entwickelt. Die einstige Sparte von Ostseestaal ist heute ein eigenständiges Unternehmen, das seine Technologien von Schiff zu Schiff weiter optimiert. Die Hausbank hilft dabei mit Avalen und im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr. „Ohne sie könnten wir die internationalen Geschäfte nicht abwickeln“, sagt Zademack. Allerdings seien manche Standardprozesse unnötig kompliziert und veraltet. „Sie könnten unbürokratischer sein.“

Jüngstes Vorzeigeprojekt im Ausland sind zwei Elektro-Solar-Fähren für den oberitalienischen Iseosee. Die 26 Meter langen und 6,60 Meter breiten Schiffe wurden in Stralsund in Einzelteilen vorgefertigt, mit mehreren LKW in die Alpen transportiert und erst am Ufer des Sees zusammengesetzt. Eine KI an Bord wird mit Routen, Fahrplänen, Wetterdaten und Batteriespeicherständen gefüttert, um optimale Fahrprofile zu erreichen. „Wir wollen den Kapitän nicht ersetzen, aber menschliche Fehler minimieren“, sagt Zademack.

Die Elektro-Solar-Schiffe aus Stralsund erobern mittlerweile die Gewässer Europas, darunter auch die Kanäle Berlins.

Aufgrund des Transformationsdrucks hin zu Batterieantrieben geht das Unternehemn von einer stetig steigenden Nachfrage aus.

Bisher seien die Kunden vor allem öffentliche Nahverkehrsbetreiber, und die Aufträge hochsubventioniert, sagt Zademack. Der politische Druck zur CO2-Einsparung reiche noch nicht aus, um auch private Binnenschiffer zum Umstieg auf Elektroantriebe zu bewegen. Bei Anschaffungspreisen zwischen zwei und fünf Millionen Euro für ein Elektroschiff würden sie lieber 60 Jahre alte Boote mit Verbrenner weiterfahren, obwohl deren Betrieb und Unterhaltung viel teurer sind. „Wir bauen aber darauf, dass die Nachfrage in Zukunft steigt – der Bedarf an neuen Schiffen in Europa geht in die Tausende.“ Die Konkurrenz ist dabei noch überschaubar. Europaweit gibt es etwa ein Dutzend Anbieter, vor allem in Skandinavien, den Niederlanden und der Schweiz. Doch deren Preise seien deutlich höher als im Osten Deutschlands, sagt Zademack.

Da immer mehr öffentliche Ausschreibungen Batterieantriebe verlangen, dürften auch die Nachfrage und die Zahl der Elektro-Fähren-Werften weiter steigen. Dabei sieht Zademack Ampereship weniger als klassische Werft, die Schiffe komplett selbst baut. Die Bauteile werden – nach Plänen und Ideen aus der Entwicklungsabteilung – von Zulieferern angefertigt und zugekauft und in Stralsund montiert. So kommt die Firma mit rund 20 Beschäftigten aus: die Hälfte in der Fertigung, die andere Hälfte im Engineering, Einkauf und Management. Parallel bietet Ampereship die Umrüstung bestehender Schiffe auf elektrische Antriebssysteme an. „Diese Kompetenz macht uns unabhängig und ist unser klarer Wettbewerbsvorteil“, sagt Zademack.

Der 51-jährige Wirtschaftsingenieur, der aus Hamburg stammt, hat eine illustre Karriere in der Luft- und Seefahrt hinter sich: Projektmanager bei Airbus für den A380, Manager auf der Rendsburger Nobiskrug-Werft für Superyachten, Produktionsaufbau für luxuriöse Carbon-Segelyachten bei der YYacht in Greifswald. Die Leitung des operativen Geschäfts von Ampereship übernahm er im Mai 2023. Und er hat Großes vor: „In fünf Jahren“, sagt Zademack und weist auf eine karge Wiese hinter dem Bürocontainer, „möchte ich eine 5000 Quadratmeter-Produktionshalle bauen und bis zu 16 Schiffe im Jahr montieren.“

„Stralsund bietet uns alles was wir brauchen: Zugang zum Wasser, ausreichend Platz für den Schiffsbau und Menschen, die eine hohe Affinität zu unserer Branche und eine große Loyalität mitbringen. Dabei ist das Lohniveau noch geringer als in anderen Regionen Europas und hält uns wettbewerbsfähig. Last but not least: Wir arbeiten dort, wo andere Urlaub machen!“

Dirk Zademack
General Manager von Ampereship

Interview und redaktionelle Bearbeitung durch: Sven Heitkamp | Freier Journalist | Leipzig
(Bildquellen: Ampereship)

Veröffentlicht: 03. September 2025

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