Frank Schlichting, CEO von SaxonQ

#ErfolgeOst
Quantenrechner für die Hosentasche
Das Erbe Werner Heisenbergs erobert den Alltag: Das junge Unternehmen SaxonQ um Professor Marius Grundmann baut in Leipzig die ersten mobilen Quantenrechner der Welt. Je kleiner sie werden, umso mehr will das Startup wachsen. Eine neue Finanzierungsrunde soll die Innovation jetzt vorantreiben.
Hinter den gut gesicherten Türen eines schlichten weißen Bürogebäudes in der Leipziger Südvorstand steht ein schwarzes Metallgehäuse, kleiner als ein Rollschrank, und mit einer ungewöhnlichen Aufschrift versehen: SaxonQ. Kaum zu fassen, dass im Innern der unscheinbaren Box eine Revolution stecken könnte. Ein industrietauglicher Quantencomputer im Taschenformat, mit dem die Computerwelt in Zukunft rechnen muss. Er könnte Anwendungen in Mobilität, Medizin und Energiewende, bei Kryptowährungen und Künstlicher Intelligenz dramatisch verbessern. Zukunftsmusik? Nicht unbedingt.
Fest steht: In wenigen Jahren sollen Qubits exponentiell schneller, leistungsfähiger und energieeffizienter arbeiten als aktuelle Superrechner – und komplexe Probleme lösen, für die heute ein Menschenleben nicht ausreicht. Amerikanische und chinesische Konzerne wie IBM, Google und Alibaba setzen im globalen Rennen allerdings auf große teure Hardware, die bis zum absoluten Nullpunkt heruntergekühlt werden muss. Ihre raumfüllenden Anlagen erinnern eher an Zeitmaschinen aus alten Sciencefiction-Filmen.
Die Leipziger Entwickler von SaxonQ bauen dagegen auf zwei mal zwei Millimeter kleine Diamantchips, die bei Zimmertemperatur ohne Kühlung und komplexe Infrastruktur arbeiten. Die kleinen Rechner werden einfach in die Steckdose gesteckt. Der Kern des Prozessors: Atome der Kohlenstoffstruktur des Diamanten werden mit Stickstoffatomen ersetzt. So lassen sich elektronische Eigenschaften erzeugen, die Quantenzustände ermöglichen – neben der 0 und der 1 eben auch endlose Zwischenzustände. In etwa drei Jahren sollen die Geräte bereits auf Laptopgröße geschrumpft sein und in vielleicht fünf Jahren in ein Handy passen, erzählt CEO Frank Schlichting, ein Physiker und Manager mit langjähriger Industrieerfahrung. Auch der renommierte IT-Großhändler Bechtle hat den Leipziger Quantenrechner bereits ins Sortiment aufgenommen.

Der Quantencomputer ermöglicht eine sekundenschnelle Bildererkennung.

Die Physiker Jan Meijer und Marius Grundmann (v.l.n.r.) haben das Startup 2021 gegründet. (Bild: Swen Reichhold)
Dass die mit mehr als 100 eigenen Patenten und Anmeldungen geschützte Technologie grundsätzlich funktioniert, hat SaxonQ bewiesen. Auf der jüngsten Hannover-Messe präsentierte das junge Unternehmen eine Live-Demonstration. Der Rechner erkannte handgezeichnete Smileys in Echtzeit. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt hat einen Quantencomputer „Made in Sachsen“ gekauft, nachdem deren Tests mit sehr hohen Standards erfolgreich durchlaufen waren. Ergebnis: industrietauglich. Derzeit bekommt das Chemnitzer Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik einen mobilen Qubit-Computer – mit Option auf ein Upgrade für mehr Qubits. Drei weitere Bestellungen sind in der Pipeline, erzählt Marius Grundmann, der das Startup mit seinem Institutskollegen Jan Meijer 2021 gegründet hat.
Der Universitätsprofessor für Experimental- und Halbleiterphysik ist Erfinder diverser Patente, Dekan der Fakultät für Physik und Erdsystemwissenschaften und arbeitet am Felix-Bloch-Institut für Festkörperphysik – und er tritt damit in die Fußstapfen Werner Heisenbergs. Der Nobelpreisträger hatte vor 100 Jahren von Leipzig aus mit der Entdeckung der Quantenmechanik die Gesetze der Physik revolutioniert. „Die Universität Leipzig ist die Wiege der Quantentheorie und idealer Ausgangspunkt für unser Startup“, sagt Grundmann. „Wir betreten absolutes Neuland und bringen die Welt der Quantenphysik in die Praxis.“ Ausgezeichnet wurde das Team bereits mit dem IQ-Innovationspreis Mitteldeutschland, dem KfW-Award Gründen sowie einer Nominierung für den Innovationspreis futureSAX 2025. dessen Gewinner Ende Juni bekanntgegeben werden. „In einem Bereich, den amerikanische Konzerne dominieren, wollen wir zeigen, dass solche Innovationen auch in Europa möglich sind“, betont Schlichting. Ein Quantencomputer im Taschenformat sei zwar sehr ambitioniert – aber in einigen Jahren durchaus realistisch.

Auf der jüngsten Hannovermesse bewies das Unternehmen, dass seine Technik funktioniert.

Das Unternehmen kann sich zudem über mehrere Auszeichnungen freuen, u.a. dem KfW-Award Gründen. (Bild: Jonas Wresch)
Aktuell machen die Gründer etwa 2,5 Millionen Euro Umsatz im Jahr, bislang rund sieben Millionen. Zurzeit arbeiten 15 Leute für SaxonQ, der Großteil von ihnen sind promovierte Physiker mit Auszeichnung. Doch die Wachstumspläne sind ehrgeizig: Schon in zwei Jahren soll das Team auf 30 Köpfe wachsen, in drei Jahren auf 60. Die nötigen Strukturen und Prozesse werden parallel aufgebaut und mehr Technik aus der universitären Forschung ins Haus geholt. In den nächsten Monaten will das Führungsteam daher eine neue Finanzierungsrunde auf die Beine stellen und führt erste Gespräche mit Investoren: sowohl möglichen strategischen Partnern als auch Wagniskapitalgebern und öffentlichen Förderern wie Technologiefonds. „Wir hoffen dabei auf flexible Banken, die mit uns an den Erfolg glauben“, sagt CEO Schlichting.
In die Breite bringen will SaxonQ die Technologie nicht unbedingt mit eigenen Fabriken. Ziel ist es, die Technologie großen Partnern zur Verfügung zu stellen – sei es für Serienproduktionen von Chips und Computern oder zur Nutzung über Cloud-Dienstleister. Die Kosten für die Computer sollen parallel von derzeit etwa zwei Millionen Euro auf wenige Tausend Euro sinken. Die Wertschöpfung könnte dabei durchaus in der Region bleiben. „Sachsen wäre gut beraten“, sagt Schlichting, „ein starkes Zeichen zu setzen und in Leipzig ein eigenes Quantencomputing-Cluster für Europa aufzubauen.“
„Leipzig ist die Wiege der Quantentheorie und bietet ein ideales Umfeld für unser Wachstum. Wir arbeiten sehr eng und gut mit der Universität Leipzig zusammen. Von ihr erhoffen wir uns neue Mitarbeiter aus dem kleinen Forschungsfeld der Quantenphysik. Leipzig ist ein attraktiver Standort zum Leben und Arbeiten mit überregionaler Ausstrahlung. Und er hat großes Potential für eine neue Cluster-Bildung.“
Frank Schlichting
CEO von SaxonQ

Interview und redaktionelle Bearbeitung durch: Sven Heitkamp | Freier Journalist | Leipzig
Bildquellen: SaxonQ, Swen Reichhold und Jonas Wresch
Veröffentlicht: 13. Mai 2025
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