Das Gründerteam der wandelbots GmbH
© Anne Schwerin
#ErfolgeOst
Grundschule für Roboter
Das Dresdner Start-up Wandelbots revolutioniert den Einsatz von Robotern in Unternehmen. Ihr Erfolgsrezept: Der Mensch macht vor, die Maschine ahmt nach. Binnen zwei Jahren ist das Team von sechs Gründern um 60 Kollegen gewachsen.
Hightech trifft Gründerzeit in Dresden: In einer Villa am Großen Garten steht mitten unter der herrschaftlichen Empore des Treppenhauses ein Symbol der Zukunft. Im gleißenden Licht einer runden LED-Lampe leuchten zwei Roboterarme auf einem Podest und warten auf ihren nächsten Einsatz – willkommen bei einem der zurzeit angesagtesten Start-ups im Osten: Wandelbots. Erst vor zwei Jahren an der TU Dresden gegründet, räumt das ständig wachsende Team zurzeit einen Innovationspreis nach dem anderen ab. Der Erfolg basiert auf der scheinbar simplen, aber nachhaltigen Idee der Gründer: Das Anlernen von Industrierobotern durch einfaches Nachahmen. Der Mensch macht vor, der Roboter macht nach.
Egal, ob der Hersteller Kuka, Denso, Fanuc, Universal, ABB, Samsung oder ganz anders heißt: Aufwändiges Programmieren, für das IT-Spezialisten endlose Zeilen komplexer Codes schreiben müssen, entfällt. Zeitaufwand und Kosten werden drastisch reduziert. Schon mit einem Kapuzenpulli mit aufgenähten Sensoren oder einem Zeige-Stift mit verschiedenen Werkzeug-Aufsätzen können die gewünschten Bewegungen vollführt werden. Die Wandelbots-Software wandelt die mit Sensoren erfassten Abläufe in Steuerungsbefehle um. Sie sagen dem Roboter, wie er seine Aufgabe ausführen soll. Details können dank einer bildlichen Darstellung am Tablet millimetergenau feinjustiert werden. Das Herzstück der Technologie heißt schlicht: Wandelbox. „Durch unsere, intuitive und kostengünstige Teach-Lösung bleibt die Nutzung von Robotern nicht mehr großen Playern wie Automobilkonzernen vorbehalten – sie wird auch für kleine und mittlere Unternehmen ohne Fachkenntnisse und Rieseninvestitionen einfach nutzbar“, sagt Mitgründer und Co-Geschäftsführer Georg Püschel. „Es ist die Demokratisierung von Robotern.“
Die frühere Villa eines Dresdner Architekten ist heute Wandelbots Zukunftslabor
Pick and place – Roboter helfen in der Backstube mit
Erste Projekte mit dem simplen „Roboter-Teaching“ laufen schon: Die Gläserne Manufaktur von VW in Dresden setzt Wandelbots-Technologie für verschiedene Anwendungen wie Fenstergrundierungen ein und auch Chip-Riese Infineon gehört zu den Partnern. Ab Ende 2019 kommt sogar ein Bäcker in Görlitz hinzu, der probeweise Brötchen-Rohlinge vom einem intelligenten Greifarm auf Bleche legen lässt. Dafür wird in einem Forschungsprojekt der Uni eigens ein Container mit 5G-Funktechnologie neben der Backstube aufgebaut. „Mit unseren Mensch-Roboter-Anwendungen wird bereits geklebt, gepickt, montiert, poliert, geschliffen und mit Kameras inspiziert“, erzählt Technikchef Püschel. Kooperiert werde auch mit anderen großen Automobilherstellern von Audi und BMW bis zu Renault und Fiat. Noch laufen die Projekte zur Probe, doch schon nächstes Jahr soll die Serienproduktion der sogenannten „TracePens“ bei einem Fabrikationsdienstleister starten.
Begonnen hat der steile Aufstieg mit einem halben Dutzend Absolventen und Doktoranden der TU Dresden. „Eigentlich hatten wir nach Möglichkeiten gesucht, unsere abstrakten Forschungen zu Software-Architekturen besser sichtbar und verständlich zu machen“, erzählt Dr.-Ing. Püschel. Dabei seien sie auf die Roboter gekommen. Maria Piechnick, Frau der ersten Stunde unter den Gründern und Ehefrau von CEO Christian Piechnick, hatte sich mit intelligenten Textilien befasst und die Sensorjacke entwickelt – sie ist heute ein Kernstück der Firma. 2015 bewarben sich die Nachwuchsforscher um einen Innovationspreis des Augsburger Roboterherstellers Kuka. Mit dessen Auszeichnung folgte ein Stand auf der Hannover-Messe, ein Berg Visitenkarten interessierter Unternehmen und schließlich die erste Finanzierung des Berliner Seed-Investors Atlantic Labs. 2018 folgte eine weitere Investorenrunde mit sechs Millionen Euro von Paua- und EQT-Ventures.
Mit einem Zeige-Stift mit verschiedenen Aufsätzen werden gewünschte Bewegungen vorgeführt
In einer Sensor-Jacke wird dem Roboter seine Aufgabe demonstriert
Inzwischen streckt Wandelbots die Fühler nach Asien aus. Die Dresdner arbeiten mit dem chinesischen Haushaltsgeräte-Multi Midea zusammen und werden bald im neuen Start-up-Accelerator der Bundesregierung in Tokio vertreten sein. In Dresden bleiben wollen sie dennoch: „Es ist uns wichtig, Sachsen etwas von dem zurückzugeben, was wir hier an Unterstützung erfahren“, sagt Püschel. Allerdings vermisst Püschel – trotz bester Startbedingungen an der Exzellenz-Uni – noch ein lebendiges Netzwerk der Start-up-Szene. Auch potente private Risikokapitalgeber, die jungen Gründern auf die Sprünge helfen, müsste es jenseits von Berlin noch mehr geben. Für ihren Weg in die internationalen Märkte baut Wandelbots indessen auf Unterstützung der Hausbank.
Ein Wachstum der Wandelbots ist absehbar: Das Team hat sich binnen zwei Jahren auf 65 Kollegen verzehnfacht, unter ihnen vor allem IT- und Software-Experten und eine Handvoll Designer. Die Villa in der Tiergartenstraße wird wohl im nächsten Jahr zu klein.
Wandelbots bei Volkswagen
VW-Vorstandsvorsitzender Herbert Diess
Interview und redaktionelle Bearbeitung durch: Sven Heitkamp | Freier Journalist | Leipzig
(Bildquellen: wandelbots GmbH)
Veröffentlicht: 07. Oktober 2019
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