Jörg Woltmann und Martina Hacker | KPM Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin GmbH
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Aufschwung im Porzellan-Laden

Die 255 Jahre alte Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin rüstet sich mit ihrem Eigentümer, Bankier Jörg Woltmann, für die Zukunft – mit modernen Designs und in neuen Märkten.

Zahllose hölzerne Rollwagen reihen sich in langen Gängen, sie stehen voll mit Meisterstücken aus Porzellan: Handgemachte Teller und Tassen, Becher, Figuren und Schalen in allen Schattierungen von Weiß. Vor den Fenstern sitzen Frauen und Männer an Arbeitstischen und tragen mit Pinseln und Akribie Lackschichten auf, schneiden mit enormem Geschick exakte Rauten in Schalen oder setzen winzige Körperteile zu Figuren zusammen: In der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin wird jedes Werkstück in feinster, freihändiger Handwerkskunst produziert. Und das geht seit 255 Jahren so.

Am 19. September 1763 hatte Preußen-König Friedrich II. die Manufaktur erworben und ihr sein Zeichen verliehen: das kobaltblaue Zepter. Das prächtige Kurland Service von 1790 mit klassizistischen Formen und Dekoren gehört bis heute zu den Bestsellern. Es trägt noch immer ein Viertel zum Unternehmens-Umsatz von gut zwölf Millionen Euro im Jahr 2018 bei, erzählt Geschäftsführerin Martina Hacker. Doch die altehrwürdige Manufaktur in Berlin-Charlottenburg lebt nicht nur von ihrem traditionsreichen Erbe. Sie hat sich auf den Weg in die Moderne gemacht und erobert neue, junge Käuferschichten mit innovativen, oft schlichten Designs. „Gerade bei jungen Leuten stehen die Liebe zum Handwerk und die Werte der Nachhaltigkeit wieder hoch im Kurs“, sagt Martina Hacker. Diese Begeisterung illustriert wie kein zweites Produkt der Coffee-To-go-Becher im Kurland-Design, der vorigen Herbst auf den Markt kam – als umweltfreundliches und stilvolles Statement für unterwegs. Seither wurden fast 15.000 Becher verkauft. „Es ist die mit Abstand erfolgreichste Produktneueinführung und hat einen sehr positiven Effekt auf unser Image bis in die Fachwelt hinein“, erzählt Hacker. Ähnlich verhält es sich mit einer Currywurst-Schale aus der Kurland-Serie, die etwas augenzwinkernd kreiert wurde.

Porzellan, hergestellt in Handarbeit
Coffee-to-go-Becher

Die neue Erfolgsgeschichte der alten Berliner Porzellan-Meister ist indes nicht zu denken ohne jenen Mann, der die Manufaktur 2006 gerettet hat: Jörg Woltmann, Vorstand der einst von ihm gegründeten Allgemeinen Beamten-Bank ABK, der seither die Geschicke des Hauses leitet. Er sitzt in seinem Büro in der Manufaktur, trägt das obligatorische Einstecktuch und erzählt vom steten Wandel seines Hauses. Aus patriotischer Verantwortung habe er damals die Manufaktur vor der Insolvenz gerettet, um einen Untergang oder Verkauf ins Ausland zu verhindern. Bis dahin habe er mit Porzellan noch nicht viel zu tun gehabt, aber privat das Kurland-Service besessen und die Vasen sehr gemocht. „Ich musste ja unsere Nachkaufgarantie sichern“, sagt er schmunzelnd.

Woltmann übernimmt 2006 die gesamte Belegschaft und baut sie über die Jahre weiter aus. Inzwischen zählen rund 220 Mitarbeiter zur Manufaktur. 120 von ihnen sind mit Produktion und Malerei beschäftigt, und es werden unter anderem wieder junge Feinkeramiker ausgebildet. Der neue Inhaber investiert bis heute zwölf Millionen Euro in neue Designs und die Digitalisierung mit einer sehenswerten Internetpräsenz, Schau- und Erlebniswerkstätten, 13 Stores und einem nationalen und internationalen Netzwerk an Fachhändlern. Noch im Herbst soll in Peking Store Nr. 14 eröffnen, neben einer Präsenz in Chinas Porzellanhauptstadt Jingdezhen. Auch Taiwan wurde als Markt neu erschlossen. „Viele Asiaten schätzen unsere Meisterwerke“, sagt Woltmann. Die Exportquote der Manufaktur liege bei 15 bis 20 Prozent. Von großen Wachstumssprüngen will er aber nichts wissen. „Als Manufaktur können wir immer nur eine bestimmte Menge liefern und die Stückzahlen nicht beliebig steigern.“ Allein manche Vasen für asiatische Kunden würden monatelang bemalt.

 

Serie URBINO, Bauhaus-Dekor
Vasen HALLE, Bauhaus-Dekor

„Die KPM Berlin war immer innovativ und stilprägend“, betont Woltmann und verweist auf namhafte Bauhaus-Designer, die einst Klassiker wie die Vase „Halle“ und das Service Urbino geschaffen haben. Auch Kooperationen mit großen Namen wie Bugatti, Birkenstock und Bottega Veneta prägen den Ruf der Porzellan-Welten. Und die Modernisierung schreitet voran: Mit der 2016 eingeführten Reihe KPM LAB gestaltet die Manufaktur ein modernes Konzept mit Bechern, Vasen, Schalen und Kräutertöpfen in schlichten gradlinigen Formen. Sie verbinden Ästhetik mit Multifunktionalität. Chefdesigner Thomas Wenzel – seit mehr als 25 Jahren die kreative DNA des Unternehmens – hatte sich von Behältern und Gerätschaften eines alten KPM-Porzellanlabors zu der innovativen Serie inspirieren lassen. Mit „KPM +“ ermöglicht das Traditionshaus zudem progressive Kreationen mit internationalen, zeitgenössischen Künstlern und Designern. Influencer, Blogger und Akteure in sozialen Medien machen inzwischen KPM Berlin immer wieder zum Thema. „Wir haben die Weichen für neue Zielgruppen gestellt und beobachten Marktentwicklungen und Trends genau – aber wir geben unsere Traditionen nicht auf“, betont Woltmann.

Der Umsatz ist seit seiner Übernahme mit zweistelligen Zuwachsraten gestiegen. Gewinn schreibt die Manufaktur aufgrund der enormen Investitionen allerdings noch nicht, räumt der Eigentümer offen sein. Um das königliche Erbe zu sichern, hat er 2016 eine Stiftung ins Leben gerufen, die das Kulturgut für die Zukunft dauerhaft und nachhaltig sichert. Nachhaltigkeit wird bei den Porzellan-Machern ohnehin groß geschrieben: Seit vorigem Jahr führt die Manufaktur die Hitze ihrer Öfen, die mit bis zu 1400 Grad arbeiten, an das Berliner Fernwärmenetz ab. „Mit dem Brennen von drei Currywurstschalen“, sagt Martina Hacker, „kann ein Berliner heiß duschen.“

Dekorauftrag mit und in Tradition
Mitmach-Angebot für Kinder

Interview und redaktionelle Bearbeitung durch: Sven Heitkamp | Freier Journalist | Leipzig

(Bildquellen: KPM Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin GmbH)

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