Blaumann,Uwe
Geschäftsführer Uwe Blaumann
MITTELSTAND / BRANCHEN

Der Möbel-Macher

Mit Anfang 30 übernimmt Uwe Blaumann die alte Möbelfabrik für Schlafzimmer und Polstermöbel in Schönberg zwischen Wismar und Lübeck. Der Technische Leiter des ehemaligen Kombinats wird über Nacht zum Geschäftsführer und später auch zum Inhaber. Heute, 30 Jahre später, ist seine Firma Palmberg ein bedeutender Büromöbelhersteller für halb Europa. Und auch seine Nachfolge ist schon geregelt.

 

Mit lautem Gedröhn schieben die Sägemaschinen maßgeschneiderte Holzplatten aufs Band, fast 10.000 Stück am Tag. Meterdicke Rohre saugen die Späne aus der hochmodernen Werkshalle. Im Raum nebenan herrscht derweil ruhige Handarbeit: Hier werden die furnierten Holzplatten zu kompletten Schreibtischen, Schränken und Bürosystemen montiert, in graue Decken gehüllt und im Bauch von Lastzügen verstaut. 24 Lkws rollen jeden Tag vom Hof des Möbelbauers Palmberg in Schönberg, einem Örtchen im Westen Mecklenburgs, wo das Holz nachhaltig vor der Haustür wächst.

Trotz seiner Randlage hat das Unternehmen einen bemerkenswerten Wandel vom volkseigenen Kombinat zu einem führenden Büromöbel-Unternehmen in Europa durchlaufen. 570 Mitarbeiter dürften 2020 – trotz Corona-Pandemie – einen neuen Rekord von fast 110 Millionen Euro Umsatz erwirtschaften, sagt Uwe Blaumann, der Gründer, Geschäftsführer und Vater dieser Erfolgsgeschichte. Für sein Lebenswerk wurde er zum 30. Jahrestag der deutschen Einheit vom Ostdeutschen Bankenverband als „Macher 30“ mit dem Ehrenpreis des Ostens ausgezeichnet.

In einer Ausstellung mit dem aktuellen Möbelsortiment sitzt der Mann mit den schulterlangen, hellgrauen Haaren an einem Konferenztisch und erzählt anekdotenreich die Geschichte seines Aufstiegs. Schon im Sommer 1989, als die ersten Grenzzäune in Osteuropa fielen, Botschaften ihre Tore öffneten und Zehntausende Leipziger demonstrierten, habe er mit manchen Kollegen die Köpfe zusammengesteckt: Was machen wir, wenn Freiheit und Einheit wirklich kommen? Uwe Blaumann ist damals Technischer Leiter des Werks, es gehört zum riesigen VEB-Möbelkombinat Ribnitz-Damgarten. In Schönberg bauen sie Schlafzimmer und Polstermöbel, vor allem für russische Kunden, doch nach der Wende bricht das Geschäft zusammen.

Das Palmberg-Werk in Rehna.
In den Werken werden computergestützte Produktionsmaschinen verwendet.

225 Menschen fragen sich, wie es weitergeht. „Irgendwann hab’ ich gedacht: Blaumann, warum machst du es nicht selbst?“, erzählt der Diplomingenieur. Der junge Mann aus Schönberg hatte in Wismar Stahlschiffbau studiert und Marx‘ „Politische Ökonomie“ als seinen Wegweiser für den Kapitalismus entdeckt. 1984 fing er im Möbelwerk an, zur Wende kannte er dort jede Schraube und jeden Schrauber. Zusammen mit seinem Kompagnon Torsten Utz, einem Möbeltischler aus Norderstedt bei Hamburg, legen sie als Geschäftsführer des Treuhand-Betriebs los. 1991 wird ihr Betrieb endgültig privatisiert.

Der Anfang ist hart, zeitweise muss der Hoffnungsträger und Vertrauensmann die Belegschaft auf nur noch 68 Kollegen reduzieren, die meisten gehen in Kurzarbeit. Die Rettung bringt ein Großauftrag der Polizei des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Palmberg – die Firma ist nach ihrem Straßennamen benannt – produziert fortan Büromöbel für Deutschland statt Schlafzimmer für Russland. Seine umtriebigen Vertriebsleute besorgen sich von den IHKs die Adressen der Fachhändler von der Ostsee bis ins Erzgebirge und von Lübeck bis Landsberg und klappern sie ab. Der Umsatz verdoppelt sich jährlich: „3,1 Millionen 1991. 8,2 Millionen 1992. 16,2 Millionen 1993.“ Uwe Blaumann hat die Zahlen locker im Gedächtnis. In den folgenden Jahren habe er die meisten entlassenen Kollegen wieder einstellen können, betont er. Mitte der 90er Jahre beginnen sie auch das Ausland zu erobern. Kunden aus den Niederlanden machen den Anfang, Palmberg lernt sie auf der Leitmesse Orgatec in Köln kennen. Mit der Zeit erobern sie auch Belgien, Österreich und die Schweiz. Der Export macht mittlerweile rund zehn Prozent des Umsatzes aus. Palmberg produziert heute acht verschiedene Arbeitsplatzsysteme, drei Schrankprogramme und diverse Sonderanfertigungen: jeden Tag 700 Schreibtische, 300 Rollcontainer und 800 Schränke. Es sind hochwertige Büroeinrichtungen, die man nicht beim Discounter findet, sondern beim Fachhändler.

Das Unternehmen gewann mit seinem Akustikelement "DISC" den German Design Award.
Während der Corona-Pandemie produziert Palmberg auch hochwertige Hygieneschutzwände.

Die Corona-Pandemie beschert Palmberg zwar einige Tage Produktionsausfall und zeitweise einen dramatischen Einbruch der Bestellungen. Doch die Not macht das Team erfinderisch. Die Experten entwickeln binnen kürzester Zeit hochwertige Hygieneschutz-Scheiben mit Holzfuß und Glas für Schreibtische und Empfangstresen. Vor ein paar Jahren hatte Palmberg schon farbenfrohe, akustisch hochwirksame Büromöbel-Komponenten mit Tischaufsätzen, Absorber, Trennwände und Panels entwickelt. Sie haben eine hohe Absorptionskraft für Lärm und können zudem als Blickschutz dienen. Die so genannte „Disc“ wurde sogar mit dem „German Design Award“ 2020 ausgezeichnet. Die Elemente entstehen im benachbarten Rehna am neuen Werksstandort, der 2019 von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) eröffnet wurde. Das hochflexible, digital gesteuerte Produktionssystem macht auch Einzelanfertigungen möglich.

120 Millionen Euro hat Uwe Blaumann in den vergangenen 30 Jahren in den Aufbau und Ausbau seines Unternehmens investiert. Manchmal, so sagt er, hätte er sich dabei allerdings mehr Vertrauen der lokalen Banken in sein wachsendes Unternehmen gewünscht. Im Herbst 2023 geht der Chef mit fast 66 Jahren in Rente. Danach, so sagt er, werde man ihn nicht mehr auf dem Firmengelände sehen. Tatsächlich ist seine Nachfolge schon geregelt. Seine Tochter Nicole Eggert und die Tochter des inzwischen gestorbenen Mitgründers, Julianne Utz-Preußing, steuern seit Anfang 2017 als geschäftsführende Gesellschafterinnen gemeinsam mit ihm die Firma. Mitgeben will er den jungen Frauen vor allem eine Lektion. „Das A und O ist es, die Menschen mitzunehmen“, sagt er. „Man braucht sie für den Erfolg.“ Auch deshalb bildet Palmberg in diversen Berufen seine Mitarbeiter selber aus: Tischler und Holzmechaniker, IT-Fachleute, Entwickler, Logistiker – und sogar die Fahrer für die hauseigene Lkw-Flotte.

Interview und redaktionelle Bearbeitung durch: Sven Heitkamp | Freier Journalist | Leipzig
(Bildquellen: Palmberg)

Veröffentlicht: 17. Dezember 2020

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