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Der Traum vom sauberen Fliegen

Das Brandenburger Unternehmen Apus entwickelt elektrische Flugzeuge, die mit Wasserstoff fliegen. Die ersten Prototypen sollen Ende nächsten Jahres abheben – ganz ohne CO2-Emissionen.

In Strausberg nordwestlich von Berlin liegt ein kleiner, sanierter Flughafen aus den 1920er Jahren, mit langen Betonpisten und Grasbahnen. Wer sich dem Areal von der Flugplatzstraße nähert, läuft auf eine moderne Fertigungshalle zu, an deren Fassade ein kleiner blauer Schriftzug prangt: „apus“.

Hinter den Stahlbetonmauern entwickelt ein Team um den Firmengründer und Geschäftsführer Phillip Scheffel hybridelektrische, klimaneutrale Flugzeuge. Scheffel und sein 35-köpfiges Team treibt der Traum vom emissionsfreien Fliegen mit Elektromotoren. „Die Luftfahrt ist für einen wesentlichen Teil des Schadstoffausstoßes in der Atmosphäre verantwortlich“, sagt der passionierte Hobbyflieger. „Doch die Menschen werden sich das Fliegen nicht nehmen lassen. Deshalb entwickeln wir Alternativen, die den CO2-Ausstoß auf null bringen.“

Die brandenburgische Wirtschaft glaubt bereits an die Innovationsfähigkeit des Entwicklerteams: Sie verlieh Apus Aeronautical Ende 2021 den Brandenburger Zukunftspreis. „Auch wenn es noch etwas dauert, bis große Flugzeughersteller die neuen emissionsfreien Antriebe aus Strausberg verbauen, ist die Jury überzeugt, dass hier ein bedeutendes Kapitel Luftfahrtgeschichte geschrieben wird“, sagte Carsten Christ, Präsident der IHK Ostbrandenburg, bei der Preisverleihung.

In der Fertigungshalle liegt ein kompletter Flugzeugrumpf aus Karbonfasern, der für die großen Technikmessen dieses Jahres in Friedrichshafen, Hannover und Berlin hergerichtet wird. Auf einem Versuchsstand laufen Experimente mit Elektromotoren und Brennstoffzelle. Und unter einer Plane steht eine „Extra 300“ – ein Kunstflugzeug mit innovativem Elektromotor, das bereits mehrere Höhen- und Geschwindigkeitsrekorde aufgestellt hat.

Die Apus Produktionshalle in Strausberg
Der sanierte Flughafen in Strausberg aus en 1920er Jahren mit einer modernen Fertigungshalle des Unternehmens Apus.

Sein Beispiel zeigt: Die Pläne von Apus sind keine Zukunftsmusik aus Wolkenkuckucksheim. Das Unternehmen steht kurz vor dem Durchbruch: Ende 2023 sollen die ersten Prototypen mit Elektromotor und Brennstoffzelle in den Himmel aufsteigen. Danach soll ihre Serienfertigung beginnen.

Derzeit werden zwei hybridelektrische Modelle gleichzeitig entwickelt: Die Apus i-2, ein viersitziges Reiseflugzeug mit zwei Motoren und bis zu 800 Kilometern Reichweite, und der Apus i-5, ein Frachtflieger mit vier Motoren und Stahlgestell, der auch für bis zu 19 Passagiere ausgestattet werden kann.

In den Maschinen stecken die größten elektrischen Flugzeugmotoren Deutschlands. Die Maschinen fliegen dabei allein mit einer Brennstoffzelle und einer Batterie als Booster für die Starts, die während des Fluges wieder geladen wird. Der Wasserstoff wird in langen Rohren, die in den Tragflächen verlaufen, gespeichert. „Wir planen ausschließlich hocheffiziente, CO2-freie Elektroantriebe“, sagt Scheffel. „Als Segelflieger ist man es gewohnt, aus wenig Energie viel Reichweite zu machen.“ Zwar gebe es viele Start-ups, die sich mit dem elektrischen Fliegen beschäftigen – aber fast alle setzten auf Batterien, die jedoch vier- bis fünfmal so viel wiegen wie eine Brennstoffzellenanlage.

Scheffel ist derzeit auf der Suche nach privaten Kapitalgebern, um in den Serienaufbau starten zu können. „Es könnte ein Zusammenschluss von mehreren Investoren werden“, sagt Scheffel. Bisher liegt das Unternehmen voll in der Hand der Gesellschafter – neben Scheffel gehören dazu die Mitgründer Martin König, Robert Adam und Jan Eichhorn. „Wir sind alle selbst Flieger“, sagt Scheffel. „Das ist eine Passion.“

Der jährliche Umsatz des Unternehmens liegt zurzeit bei drei bis vier Millionen Euro. Doch das könnte anders werden, wenn die Zulassungen für ihre Neuentwicklungen reibungslos über die Bühne gehen. Ab 2025/2026 sollen bis zu 100 i-5-Carrier und bis zu 40 i-2-Reiseflieger pro Jahr produziert werden. Es wäre die vorläufige Krönung der jungen Firmengründung. Scheffel: „Unsere Challenge ist jetzt der finanzielle Sprung in den Produktionsmarkt.“

Die Fluggeschichte des heute 42-Jährigen beginnt bereits in seiner Jugend. Geboren in Erfurt, lernt er schon als 14-Jähriger das Segelfliegen – ein Hobby, das auch seine Eltern pflegten. Nach dem Abi studiert Scheffel in Dresden Maschinenbau und beginnt nach dem Diplom beim Segelflugzeug-Bauer Stemme AG in Strausberg. Die Firma ist international führend bei Hochleistungs-Segelflugzeugen, Scheffel wird ihr Entwicklungsleiter. Ab 2011 richtet Scheffel den jährlichen Flugwettbewerb Green-Speed Cup aus, der zum Vorläufer für die eigene Firma wird. 2014 macht er sich schließlich mit einem der Stemme-Projekte selbstständig.

Firmengründer und Geschäftsführer des Unternehmens Apus, Phillip Scheffel.

Apus entsteht zunächst als Entwicklungsdienstleister für leisere, saubere und effizientere Maschinen zwischen Himmel und Erde. Zu ihren internationalen Kunden gehören bald der französische Technologiekonzern Safran, Siemens und Rolls Royce. Kurz nach dem Start beflügelt das Unternehmen, dass die Bundesregierung ihre Luftfahrtforschungsprogramme, die bisher vor allem Konzernen wie Airbus und Dornier nutzten, für kleine und mittlere Unternehmen öffnet. So können Fremdaufträge mit Fördermittel kombiniert werden. Apus wächst jedes Jahr und kann sich mehr und mehr auf die eigenen visionären Technologieziele konzentrieren. Ihre enge Zusammenarbeit mit den Hausbanken wie auch der Bürgschaftsbank Brandenburg hilft dabei.

„Der technologische Umschwung im Zuge des Klimawandels erlaubt viele Neuentwicklungen, die die Luftfahrt verändern werden“, sagt Scheffel. Dabei hilft ihm auch die Kooperation mit Forschungsinstitutionen wie dem Zentrum zur Erforschung hybrid-elektrischer Antriebe an der Brandenburgisch-Technischen Universität in Cottbus. „Wir arbeiten eng zusammen und entwickeln gemeinsam Projekte weiter“, sagt Scheffel. Es sei allerdings nicht hilfreich, wenn Forschungsinstitute in Entwicklungskonkurrenz zu privaten Unternehmen treten. „Helfen würde uns, wenn die Bundesregierung wie andere Länder auch den Ausstieg aus klassischen Antrieben planen und die Entwicklung C02-freier Antriebe, also den Markt und die Flugzeug-Nutzer, subventionieren würde.“

Auf Wachstumskurs ist Apus jedenfalls: Dieses Frühjahr bauen die Entwickler am Strausberger Flughafen eine zweite Halle, damit ihre Flieger mit bis zu 26 Metern Spannweite genug Platz bekommen. Erster Spatenstich ist Anfang April – ein wichtiger Auftakt.

 

Interview und redaktionelle Bearbeitung durch: Sven Heitkamp | Freier Journalist | Leipzig
(Bildquellen: Apus)

Veröffentlicht: 10. März 2022

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