Thomas Herzog, Pendix-Geschäftsführer
#ErfolgeOst
Elektrischer Rückenwind
Pendix aus Zwickau hat einen hochwertigen Nachrüst-Elektroantrieb für Fahrräder entwickelt. Damit hat das Start-up nicht nur die Marktführerschaft in seiner Nische in Deutschland erobert – sondern es bis nach Australien geschafft. Dabei hatten die Gründer eigentlich etwas ganz anderes vor.
Wäre alles so gelaufen, wie es sich die fünf Pendix-Gründer als junge Männer vorgestellt hatten, würde diese Geschichte wohl von schicken Elektroautos handeln, vielleicht vom sächsischen Tesla aus der Wiege des Audi und des Trabant. Denn eigentlich lieben die kreativen Hightech-Tüftler vor allem Autos: Während des Studiums konstruieren sie im Racing Team der Hochschule Zwickau einen Rennwagen mit E-Motor. Nach dem Studienabschluss gründen sie die „Herms Technologies“ als Dienstleister für die Autoindustrie. Doch kurz nach dem Start melden sich ausgerechnet die Mitteldeutschen Fahrradwerke MIFA bei ihnen. Sie sollen für die Fahrradflotten der Deutschen Post einen alternativen Antrieb entwickeln, um die Briefträger zu entlasten. Herms Technologies nimmt den Auftrag an und liefert – doch die MIFA geht in die Insolvenz.
„Wir hatten ein marktreifes Produkt, aber keinen Anwender mehr“, erinnert sich einer, der die Enttäuschung hautnah miterlebt hat: Thomas Herzog, 37, gelernter Autohändler und einer der Firmengründer. Also beschließen die fünf Autoliebhaber, aufs Fahrrad umzusteigen und richtig Gas zu geben: 2013 entsteht Pendix, 2014 gewinnen sie den Sächsischen Staatspreis für Design, 2015 kommt der eDrive-Antrieb auf den Markt. Herzog, der Industrial Management und Engineering studiert hat, wird kaufmännischer Geschäftsführer des jungen Unternehmens.
Mittlerweile baut Pendix einige Tausend der elektrischen Fahrrad-Nachrüstantriebe pro Jahr, hat mehr als 50 Mitarbeitende und schreibt weit über zehn Millionen Euro Umsatz mit steigender Tendenz. Denn Pendix ist ein Allrounder: Mehr als 80 Prozent der marktüblichen Räder können laut Herzog mit den Antrieben ausgestattet werden. Zudem seien die Nachrüstsätze extrem hochwertig, verlässlich und langlebig. So gelten die Zwickauer bei Händlern und Medien bereits als Marktführer in einer Branche mit rund 20 nationalen und internationalen Anbietern. Pendix ist zudem in vielen Ländern Europas vertreten, darüber hinaus auch in Australien und Kanada. Etwa 60 Prozent der Kunden/innen sind Privatleute, die ihre hochwertigen Räder mit einem kleinen E-Motor ertüchtigen wollen. Hinzu kommen Unternehmensflotten bei Briefdienstleistern wie Postcon und PIN-Mail, bei der Funke-Mediengruppe und auf Werksgeländen von mehr als 30 Industriekunden wie Volkswagen. Mittlerweile baut Pendix mit seiner Cargobike-Tochter VSC.BIKE im sachsen-anhaltischen Allstedt sogar ein komplettes, extrem robustes Rad mit eDrive-Antrieb für Briefzusteller – und beliefert tatsächlich die Deutsche Post.
Beispiel Feuerwehr-E-Bike 3
Beispiel Christina Bikes 0
Der Clou ist: Pendix hat sein Knowhow aus dem Motorsport auf Fahrräder übertragen. Der Motor, der am Tretlager verbaut wird, hat kein Getriebe und macht keine Geräusche. „Wenn der Motor nicht eingeschaltet ist, tritt sich das Rad wie immer“, sagt Thomas Herzog. „Uns war wichtig, dass das ursprüngliche Radfahrgefühl erhalten bleibt.“ So kann ein Berufs-Pendler morgens entspannt zur Arbeit gleiten und abends in die Pedale treten wie beim Workout. Nicht umsonst leitet sich der Firmenname vom Pendeln ab.
Sensoren und Algorithmen sorgen zudem dafür, dass der Antrieb mitdenkt, das Tretverhalten seiner Nutzer/innen nach und nach kennenlernt und sich immer besser auf sie einstellt. Der Antrieb ist auf die linke Tretkurbel montiert, damit sieht das Rad aus als hätte es zwei Kettenblätter.
Inzwischen gibt es den eDrive in verschiedenen Stärken sowie mit unterschiedlich großen Akkus. Sie werden anstelle der Flaschenhalterung am Unterrohr des Rahmens festgeklemmt und sehen aus wie eine moderne Wasserflasche. Die Preise für die Nachrüstsätze liegen je nach Akkugröße zwischen 999 und knapp 2200 Euro und können ganz nach Bedarf konfiguriert werden. „Im Vergleich zu den Preisen von E-Bikes haben wir ein attraktives und nachhaltiges Angebot“, sagt Herzog. „Wir sorgen dafür, dass nicht jeder zwei oder drei Räder im Keller hat. Das ist preisgünstiger und vermeidet unnötigen Müll.“
Pendix Produktionswerk
Pendix Produktionswerk
Gefertigt werden die Motoren in Wilkau-Haßlau, einem Nachbarort von Zwickau, in dem die Firma bis heute ihre Zentrale hat. Die Akkus montiert ein Partner mit Bauteilen aus dem Erzgebirge in Baden-Württemberg. Die Corona-Pandemie hat Pendix weitgehend unbeschadet überstanden. „Anfang März vorigen Jahres, als etliche Stornierungen von Fachhändlern eingingen, haben wir zunächst auf Kurzarbeit umgestellt“, erzählt Herzog. „Aber schon nach Ostern ging es mit Vollgas weiter.“ Unter dem Strich sei 2020 ein sehr erfolgreiches Jahr mit weiterem Umsatzwachstum geworden. Probleme bereiten derzeit Zulieferfirmen, die pandemiebedingt nicht alle Teile wie gewünscht bereitstellen können. „Uns erreichen täglich Hiobsbotschaften“, sagt Herzog. „Aber noch funktioniert alles.“
Ohnehin hat das Unternehmen potente Investoren im Rücken: den Technologiegründerfonds Sachsen, die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Sachsen, die AS Vantage Holding und neuerdings sogar einen australischen Teilhaber. Sie tragen dazu bei, dass es mit Pendix weiter bergauf geht.
Interview und redaktionelle Bearbeitung durch: Sven Heitkamp | Freier Journalist | Leipzig
(Bildquellen: Pendix GmbH)
Veröffentlicht: 28. Mai 2021
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