Jörg Reinhold, Mitgründer und Geschäftsführer IDLoop
MITTELSTAND / BRANCHEN

Fingerabdruck ohne Berührung

Ein Gründer-Quartett aus der Optik-Metropole Jena hat ein Verfahren gefunden, Fingerabdrücke zu nehmen, ohne dass man auf eine Glasplatte tippen muss. Der 3D-Scanner für behördliche Nutzungen könnte die Grenz- und Zugangskontrollen überall auf der Welt revolutionieren. Die EU fördert die Idee von IDloop mit zehn Millionen Euro. Auch private Investoren sind eingestiegen.

Der unscheinbare schwarze Kasten mit dem weißen Rand ist gerade mal 15 mal 15 mal 15 Zentimeter klein. Aber er hat es in sich. Er kann von vier Fingern einer Hand gleichzeitig innerhalb von Sekunden Fingerabdrücke einscannen – ohne jede Berührung. Jörg Reinhold stellt die Box auf seinen Schreibtisch im Technologie- und Innovationspark in Jena und hält seine Hand hinein. „Mit roten und grünen Lichtern wird künftig angezeigt, ob man die Finger an der richtigen Position über der Optik hält, dann nimmt unser Scanner die Papillarlinien mit 15 Bildern pro Sekunde auf“, sagt er. „Wir konnten extrem schnelle, hochauflösende Kameras, Hochleistungs-Grafikprozessoren und Software mit Künstlicher Intelligenz in einem leicht zu bedienenden Gerät zusammenführen, das in jede vorhandene Grenzkontrolllösung passt.“

Reinhold ist einer der Väter der Idee und Geschäftsführer des Biometrie-Startups IDloop, das in Kürze seinen Siegeszug an die Flughäfen und andere Grenzkontroll-Orte der Welt antreten könnte. Nach zwei Jahren Entwicklungszeit sind die Prototypen so weit ausgereift, dass die ersten Kunden Verträge in Millionenhöhe unterschrieben haben. Jetzt laufen die ersten Pilotprojekte. Auch einen Kunden in Asien hat das Team aus Jena gerade besucht.

Der große Durchbruch war erst im Februar verkündet worden: Die Europäische Kommission wählte das Projekt im Rahmen seines EIC-Accelerators für eine Förderung mit zehn Millionen Euro aus: 2,5 Millionen Euro Fördermittel sowie 7,5 Millionen Euro direkter Investitionen. Mit dem Geld wird nun die Weiterentwicklung des Systems zur Marktreife vorangetrieben. „Die Bewerbung war ein langer, zäher Prozess und die Erfolgschancen standen bei unter fünf Prozent“, erzählt Reinhold. Doch mit dem Zuschlag sei IDloop das erste Unternehmen in Mitteldeutschland, das sich für das europäische Programm qualifiziert habe.

Zum Jahreswechsel konnte das Startup bereits seine erste öffentliche Venture-Capital-Finanzierungsrunde bekannt machen: Die baden-württembergische Papst Venture Capital und die sächsische Purpose Q Ventures unterstützen IDloop jetzt als Minderheitsgesellschafter. „Mit diesen Finanzierungen können wir unser erstes Produkt bald auf den Markt bringen“, sagt Reinhold.

Das neue System, das unter anderem mit dem Thüringer Innovationspreis und vom Digital Innovation Hub Photonics ausgezeichnet wurde, könnte in der Biometrie einen neuen Standard im globalen Markt setzen. Denn bisher werden Fingerabdrücke überall auf der Welt durch das zeitraubende Berühren von Scanner-Oberflächen aufgenommen und können nur auf diese Weise abgeglichen werden – sei es bei Zugangs- und Grenzkontrollen, beim Beantragen von behördlichen Dokumenten, in der Kriminalistik oder bei der Registrierung von Wählern. Die kontaktlose 3D-Aufnahmetechnik von IDloop laufe indes binnen Sekunden ab. Damit beschleunige das Verfahren die Abfertigung im Reiseverkehr enorm. „Die Aufnahme aller zehn Finger und die Verarbeitung der Daten nimmt weniger als zehn Sekunden in Anspruch“, sagt Reinhold. Außerdem ist sie viel hygienischer – in Zeiten globaler Pandemien ein immenser Vorteil.

Die Gründer (von links) – Philipp Riehl (Business Development), Daniel Gläsner (Softwarestrategie), Jörg Reinhold (Geschäftsführer), Dr. Tom Michalsky (Produktentwicklung).
Lange Schlangen bei der Abfertigung im internationalen Flugverkehr. Ein 3D-Fingerabdruckscanner kann die Wartezeit deutlich verkürzen.

Zwar gibt es schon andere kontaktlose Fingerabdruckscanner auf dem europäischen Markt. Sie werden aber bisher hauptsächlich in der Privatwirtschaft für Zugangskontrolle eingesetzt und hätten noch keine Zulassungen für behördliche Identifikationsprozesse, so Reinhold. IDloop dagegen bereite die Zertifizierungen und internationalen Zulassungen in der EU und in den USA vor. Spätestens nächstes Jahr sollen sie vorliegen.

Der zum Patent angemeldete Scanner arbeitet mit einer Auflösung von zehn Mikrometern, was einem Fünftel der Dicke eines menschlichen Haares entspricht. Aus den 3D-Daten berechne das System in Echtzeit 2D-Graustufenbilder, also klassische Fingerabdruckbilder. Die Daten seien kompatibel mit den behördlichen Fingerabdruck-Datenbanken. „Dieser Vorteil ermöglicht uns den Marktzugang“, betont Reinhold. Zudem erhöhe die hohe Detailgenauigkeit die Treffsicherheit beim Abgleich mit vorhandenen Daten und helfe beim Aufdecken von Fälschungen.

Mit der EU-Förderung ist auch das Wachstum von IDloop programmiert: Zu den aktuell neun Mitarbeitern sollen bis Juni vier weitere hinzukommen. Bis Ende des Jahres will das Startup auf 20 Leute wachsen, bis Ende 2024 auf 30 Beschäftigte. Eine eigentlich geplante Anwerbekampagne sei bisher nicht nötig, erzählt Reinhold. Die Interessenten kämen zurzeit von allein zu ihnen.

Dass die Erfolgsgeschichte gerade in Jena spielt, ist kein Zufall. In der Heimatstadt des Carl-Zeiss-Konzerns haben optische Neuentwicklungen eine lange Tradition. Auch Reinholds Vater ist Physiker und war zu DDR-Zeiten im Management bei Zeiss. Nach der Wende gründete er eine Firma, die klassische Fingerabdruck-Lesegeräte entwickelte und produzierte. Jörg Reinhold trat in die Fußstapfen des Vaters, wurde ebenfalls Physiker und arbeitete zunächst sieben Jahre am Institut für angewandte Physik auf dem Beutenberg-Campus der Friedrich-Schiller-Universität. Dort bekam er Kontakte zur Biometrie-Branche und wechselte zu einem Jenaer Anbieter für biometrische Fingerabdruckscanner, drei Jahre davon als Entwicklungsleiter. „Wir haben gesehen, dass es ein wachsendes Interesse an kontaktlosen Geräten gibt und haben erste Forschungsprojekte dazu gemacht“, erzählt er. Doch die Entwicklung eines berührungslosen Scanners erschien in der Firma nicht möglich.

Anfang 2021 steigt Reinhold bei seinem Arbeitgeber aus, mit ihm gehen die weiteren IDloop-Gründer Tom Michalsky, Daniel Gläsner und Philipp Riehl. 18 Monate stürzen sie sich auf die Geräteentwicklung, verzichten auf Gehalt und setzen bei der Finanzierung auf Bootstrapping und „Family and Friends“. Sehr früh steigt das Thüringer Unternehmen Docter Optics aus Neustadt an der Orla mit ein – ein großer Zulieferer von komplexen optischen Komponenten vor allem für die Autoindustrie. Das Unternehmen erkennt das Potential von IDloop früh. Es könnte künftig ein Serienfertiger für die Fingerabdruckscanner aus Jena werden.

„Unser System funktioniert, es muss nur noch optimiert werden“, sagt Reinhold, während ein 3D-Drucker im Nebenzimmer den nächsten Prototypen plottet. Die Patente sind angemeldet und die Nachfragen nach Testgeräten groß. Der Markt für Fingerabdruckscanner sei sehr groß, aber auch übersichtlich. Nur vier Systemanbieter würden etwa 70 Prozent des internationalen Geschäfts abdecken, so Reinhold. Wer bei ihnen ins Portfolio aufgenommen werde, bekomme Zugang zu Flughäfen und Grenzkontrollen der Welt. Läuft alles wie geplant, könnten dort in Zukunft Hightech-Geräte aus Thüringen stehen.

Jena passt als Zentrum für optische Technologien und Industrien perfekt zu uns. Hier finden wir wichtige Partner aus den Bereichen Optik und Elektronik und nutzen ein Gründer-Netzwerk, das sich gegenseitig unterstützt. Außerdem gibt es wichtige Hilfen für Startups – und die Friedrich-Schiller-Universität und die Ernst-Abbe-Hochschule bilden hervorragenden Nachwuchs aus. Damit sind beste Voraussetzungen für unser weiteres Wachstum gegeben.Jörg ReinholdGründer und Geschäftsführer | IDloop

Interview und redaktionelle Bearbeitung durch: Sven Heitkamp | Freier Journalist | Leipzig
(Bildquellen: IDLoop)

Veröffentlicht: 14. März 2023

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