Bildquelle: Fraunhofer IGD
#ErfolgeOst
Im Zeichen der Krake
Das junge Rostocker Unternehmen Kraken Power schreibt seine internationale Erfolgsgeschichte 6.000 Meter unter dem Meeresspiegel – mit druckneutralen Antriebssystemen für moderne Tauchroboter.
Wenn Eva Thiede durch ihren Firmensitz im Gewerbegebiet von Bentwisch bei Rostock führt, drückt sie dem Besucher ein kleines elektronisches Bauteil in die Hand: kleiner als eine Zigarettenschachtel, voller bunter Kabel und Platinen, komplett vergossen mit einer weichen, gelblichen Silikonmasse – ein wenig, wie ein Fossil in Bernstein. Die völlige Abwesenheit von Luft ist Teil des Erfolgsgeheimnisses der Kraken Power GmbH von Familie Thiede: Das Unternehmen entwickelt und baut einzigartige Batteriespeicher, Elektromotoren und Antriebe für Tauchroboter, die selbst 6.000 Meter unter dem Meeresspiegel bei einem Druck von 600 bar reibungslos funktionieren – aber keine dicken Stahlkapseln oder andere teure Druckgehäuse benötigen. Mit den preisgünstigeren, hauseigenen Entwicklungen und beständiger Forschung ist Kraken Power weltweit ein führender Anbieter in seiner Nische geworden. Ende 2017 wurde das Team dafür mit dem Ludwig-Bölkow-Technologiepreis des Landes Mecklenburg-Vorpommern ausgezeichnet.
Zum Einsatz kommen die Produkte aus Bentwisch an kompakten, unbemannten Tauchfahrzeugen etwa zur Erkundung von gesunkenen Wracks oder Minen, in der Meeresforschung, bei der Öl- und Gasförderung, dem Bau von Unterwasser-Pipelines oder der Errichtung und Wartung von Offshore-Windparks. Dahinter steckt ein enormer Wachstumsmarkt, seit ferngesteuerte, kostengünstige Tauchroboter die guten alten U-Boote in der Erforschung und Nutzbarmachung der Meere zunehmend ablösen. Und Rostock entwickelt sich mit Kraken Power zu einem Hotspot für neue Tiefsee-Technologien.
Animation (Bildquelle: Fraunhofer IGD)
Animation Unterwassergarten (Bildquelle: Fraunhofer IGD)
Auf langen Werkbänken in den Produktionsräumen von Kraken Power werden Akkuzellen und Steuerelektronik zu großen Batteriespeicher-Systemen montiert und in einer eigens angefertigten Silicon-Vergussanlage abgedichtet. „Das Besondere unserer Technologie ist, dass die benötigten Bauteile keinerlei Hohlraum aufweisen – dadurch sind sie absolut druckneutral“, erklärt Geschäftsführerin Eva Thiede. Dabei dürfe man sich keinerlei Fehler erlauben: Schon geringste Abweichungen könnten zu Totalausfällen führen. „Daher werden alle Geräte vor der Auslieferung in einem Labor der Uni Rostock unter Realbedingungen getestet“, so Thiede.
Den Durchbruch schaffte Kraken Power voriges Jahr, als das amerikanische Unternehmen Ocean Infinity einen millionenschweren Großauftrag für Batteriesysteme erteilte. Die Explorations-Experten sind mit Spezialschiffen mit Tauchrobotern an Bord auf der ganzen Welt unterwegs, etwa um versunkene U-Boote, verlorene Container oder die verschollene Boeing MH370 aus Malaysia zu finden. Den Marktzugang eröffnete die kanadische Mutter Kraken Robotics aus Neufundland: Sie hatte sich im Gründungsjahr 2016 mit knapp 20 Prozent an den deutschen Spezialisten beteiligt. Inzwischen hält die Namensgeberin 75 Prozent an der Firma. Auch die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern trägt durch eine stille Beteiligung zum Erfolg bei. Seit dem Großauftrag aus den USA ist Kraken Power auf 23 Mitarbeiter gewachsen. „Die Entscheidung für die kanadischen Partner war goldrichtig“, sagt Eva Thiede. „Wir könnten immer weiterwachsen, wenn wir mehr Mitarbeiter finden würden und mehr Platz zur Verfügung hätten.“
Einen neuen Schub könnte es schon im nächsten Jahr geben: Dann soll an einem künstlichen Riff vor Nienhagen und im Rostocker Fischereihafen ein großer „Ocean Technology Campus“ (OTC) als Forschungs- und Entwicklungszentrum entstehen. Bund und Land haben bereits mehr als 40 Millionen Euro Förderung für das Testfeld mit idealen Unterwasserbedingungen zugesagt, mehrere Fraunhofer-Gesellschaften sind an dem Leuchtturmprojekt beteiligt. Und auch maritime Unternehmen wollen sich an der Hafenkante ansiedeln – allen voran Kraken Power, die das weltweit einmalige Projekt für Unterwassertechnologien mit initiiert haben. Mit dem OTC als Plattform wollen die Rostocker künftig mit geballtem Knowhow international auftreten und die Vermarktung vorantreiben.
Eva und Carl Thiede (Bildquelle: Bartos Kurzawski MBMV)
Animation (Bildquelle: Fraunhofer IGD)
Entstanden ist die Unternehmens-Idee aus der Doktorarbeit von Carl Thiede, Sohn der heutigen Geschäftsführerin. Nach seinem Maschinenbaustudium in Berlin hatte er 2011 bereits über druckfeste Anwendungen in Unterwasserrobotern promoviert und sich an einem Forschungsprojekt des Bundes beteiligt. Dann arbeitete der heute 40-Jährige als Entwicklungsingenieur und Geschäftsführer für das Rostocker Unternehmen ENITECH. Aus einer Ausgründung ist schließlich Kraken Power hervorgegangen. Und die Unterwasserspezialisten haben noch Großes vor: Zukünftig will das ambitionierte Team aus Entwicklern und Technikern auch wieder einen eigenen Unterwasserroboter entwickeln.
Eine wichtige Lehre hat Familie Thiede auf ihrem stürmischen Weg der letzten Jahre allerdings mitgenommen. „Ein kleines, ostdeutsches Startup-Unternehmen wie wir kann sich nicht von einem zum nächsten Forschungsprojekt hangeln, weil wir gar nicht die Eigenmittel aufbringen können und die Banken nicht mitspielen“, sagt Eva Thiede. „Man muss seine Entwicklungen auch zu einem erfolgreichen Geschäftsmodell machen.“
Interview und redaktionelle Bearbeitung durch: Sven Heitkamp | Freier Journalist | Leipzig
Veröffentlicht: 09. Mai 2019
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