Sebastian Schreiber, CTO der SOMAG AG
MITTELSTAND / BRANCHEN

In der Luft, zu Wasser und an Land

Die SOMAG AG aus Jena liefert Stabilisierungssysteme für ruckelfreie Bilder und Daten aus Flugzeugen, Schiffen und Fahrzeugen. Aus einem ehemaligen Vorläufermodell des Zeiss-Konzerns entwickelt das Familienunternehmen einen Weltmarktführer. Für weiteres Wachstum wird gerade gesorgt.

In einer Werkstatt in Jena steht eine 50 mal 60 Zentimeter große Alu-Konstruktion in orange, die auf Knopfdruck beginnt zu federn und zu schwingen. Ein schwarzer Ring in seiner Mitte kann schwere Hightech-Kameras, Scanner, Antennen oder Sensoren tragen, die auch bei leichten Vibrationen oder heftigen Bewegungen ruhig und stabil gehalten werden – damit sie ruckelfreie Bilder und saubere Daten liefern. Die Stabilisierungssysteme aus Jena kompensieren Schwingungen und Lageveränderungen in allen drei Achsen und sind heute weltweiter Industriestandard. Ihr Lieferant, die SOMAG AG Jena, ist Weltmarktführer für die Plattformen für hochpräzise Luftbildfotografie und andere Datenerhebungen.

Die Kunden der Thüringer sind Wirtschaftsunternehmen und Regierungsbehörden, Forschungseinrichtungen und Verteidigungsorganisationen in der ganzen Welt. Unter anderem hat SOMAG eine maßgeschneiderte GSM 4000 für die Bundeswehr entwickelt. Sie liefert seitdem an Bord eines Airbus A319, der zu den modernsten Beobachtungsflugzeugen der Welt zählt, präzise Daten. Der Freistaat Thüringen hat die SOMAG AG kürzlich zu einem seiner Hidden Champions gekürt. Zudem wurde das Unternehmen gerade mit dem „Großen Preis des Mittelstandes” geehrt.

Das Stabilisierungssystem von SOMAG sind heute weltweiter Industriestandard.
Im Marine-Bereich liegt noch großes Wachstumspotential für die Spezial-Stabilisatoren.

Sebastian Schreiber, 38 und CTO bei SOMAG, drückt auf einen der Köpfe und führt die Technologie vor. „Wir liefern sehr kompakte Geräte, die große Lasten bis 300 Kilogramm tragen können. Sie stabilisieren die Nutzlast mit sehr hoher Genauigkeit und sorgen somit für minimale Abweichungen“, sagt der junge Co-Geschäftsführer. Die selbst entwickelten „Gyro Mounts“ mit hydraulischen oder elektromechanischen Systemen, die je nach Größe zwischen 20.000 und 80.000 Euro kosten, werden in der hauseigenen Werkstatt montiert, getestet und an die Kunden verschickt. Außer einigen Anwendern, die direkt bei SOMAG bestellen, sind dies vor allem eine Handvoll Anbieter von Spezialkameras und Sensoren in Deutschland, Österreich, Dänemark, China und Kanada. „Wir beliefern 70 Prozent des Weltmarktes“, sagt Schreiber. „Die meisten Luftbilder, die man im Internet findet, sind mit Hilfe unserer Technik entstanden.“ Nur Leica Geosystems in der Schweiz habe ein eigenes System entwickelt und kommt ohne SOMAG-Technik aus. Noch.

Gestartet mit einer Handvoll Experten hat das Unternehmen heute mehr als 30 Mitarbeiter, darunter vor allem Experten für Elektronik, Mechanik und Software. Mit ihnen macht SOMAG inzwischen vier bis fünf Millionen Euro Umsatz im Jahr. Und weiteres Wachstum ist programmiert. Im Frühjahr will Schreiber mit seinen Kollegen in einen Neubau auf dem Nachbargrundstück umziehen. Dort können dann mehr als 50 Kolleginnen und Kollegen arbeiten. „Wir könnten heute schon mehr Geräte herstellen und verkaufen, wenn wir mehr Platz hätten“, sagt Schreiber. Das soll sich künftig ändern. Schreiber: „Im neuen Gebäude können wir unsere gesamten Prozesse optimieren, da wir das Haus ganz nach unseren Bedürfnissen konfigurieren und die Arbeitsplätze aufgabengerecht gestalten.“ Dabei war SOMAG erst 2015 aus einem Gründerzentrum in die erste eigene Immobilie ins Gewerbegebiet „Jena21“ gezogen. Nun folgt bald der nächste Schritt. Vor allem will SOMAG dann mehr Geräte für die Schifffahrt herstellen. Im Marine-Bereich liege noch großes Wachstumspotential für die Spezial-Stabilisatoren, so Schreiber. Bis 2025 will SOMAG mehr als fünf Millionen Euro Umsatz schaffen.

Ein Beispiel eines Luftbildes dank des Stabiliiserungssystems der SOMAG AG.
SOMAG steht für Sensorik, Optik, Mechanik, Anwendungssoftware und Gerätebau und wurde 2002 gegründet.

Gegründet hat das Unternehmen der ehemalige Zeiss-Konstrukteur Konrad Steps. Nach einer Entlassungswelle in den 90er Jahren hatte er sich 1998 zunächst mit einem eigenen Ingenieurbüro selbstständig gemacht und 2002 die SOMAG AG in Jena gegründet. Das Kürzel steht für Sensorik, Optik, Mechanik, Anwendungssoftware und Gerätebau. Nachdem sich Zeiss von einem ähnlichen Vorläufermodell getrennt hatte, die Produktion einstellte und nach zehn Jahren die Patente freigab, ging Steps damit ab 2004 auf den Markt. Seither konzentriert sich das Unternehmen auf die Entwicklung und Herstellung seiner Systeme, hat die Technologie immer weiterentwickelt und den Weltmarkt erobert.

Gründervater Steps ist heute 80 Jahre alt, sein Sohn Andreas und Sebastian Schreiber führen schon seit Jahren die Geschäfte. Dabei war Schreiber durch puren Zufall zum Unternehmen gekommen: Während seines Maschinenbaustudiums an der Ernst-Abbe-Hochschule in Jena absolvierte Schreiber dort 2006 ein Praktikum. Später kümmerte er sich zunächst um Auftragsentwicklungen und den technischen Support. Inzwischen führt er die Geschicke des Hauses. Auch Andreas Steps wurde von seinem Vater schon während des Studiums im Unternehmen beschäftigt und übernahm ab 2008 Schritt für Schritt die Arbeit im Vorstand. Mit Erfolg. 2018 überreichte Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) dem Senior und seinem Junior-Chef eine Auszeichnung für gelungene Unternehmensnachfolge.

Das Unternehmen hat heute mehr als 30 Mitarbeitende und wurd als Hidden Champion vom Freistaat Thüringen ausgezeichnet.
Das Laser-Scanning System VEXCEL im Einsatz.

Eine Übernahme durch andere Firmen haben Steps’ und Schreiber stets abgelehnt. „Unsere Strategie ist es, unabhängiger Anbieter am Markt zu bleiben. Damit sind wir immer gut gefahren.“ Die Technologie bleibe systemoffen – und alle Kunden könnten gleichrangig behandelt werden. So blieb SOMAG immer im Familienbesitz. Bei Auslandsgeschäften unterstützt indes die Deutsche Bank mit der Ausstellung von „Letter of Credits“, die Thüringer Aufbaubank ist zudem wichtiger Partner bei der Finanzierung des Neubaus. „Künftig“, sagt Schreiber, „wollen wir auch der Industriestandard für den Marine- und Landsektor werden.“

Jena ist unser angestammter Heimathafen. Hier sind wir entstanden, hier verfügen wir über gute Kontakte zu Hochschulen und Lieferanten. Und hier können wir Fachkräfte an uns binden, die auch langfristig in der Region bleiben wollen. Auch die Nähe zum großen DHL-Drehkreuz in Leipzig erweist sich für manchen Auftrag als großer Vorteil. Damit ist es für die Kunden unerheblich, wo unser Sitz liegt.Sebastian SchreiberCTO

Interview und redaktionelle Bearbeitung durch: Sven Heitkamp | Freier Journalist | Leipzig
(Bildquellen: SOMAG AG)

Veröffentlicht: 27. November 2023

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