Patrick Steglich, CEO HyPhoX GmbH
MITTELSTAND / BRANCHEN

Schnelle Mikrolabore aus Brandenburg

An der Technischen Hochschule Wildau ist das Startup HyPhoX entstanden. Deren neu entwickelten, digitalen Schnelltests weisen binnen weniger Minuten Bakterien und Viren, Legionellen und Proteine in Flüssigkeiten nach. Die Sprunginnovation der Gründer könnte den Analysemarkt für Unternehmen drastisch verändern – und auch manchen Hausarzt-Besuch überflüssig machen.

 

An diesen improvisierten Tag wird Patrick Steglich vielleicht noch manchmal zurückdenken. Der 37-Jährige mit dem Vollbart und der markanten schwarzen Brille sitzt im Treppenhaus der Technischen Hochschule Wildau. Mit Laptop auf den Knien und etwas wackeligem WLAN-Netz hockt der habilitierte Experimentalphysiker auf kalten Steinstufen und gibt Interviews als CEO. Sein junges Unternehmen HyPhoX hat noch keine eigenen Büros an der Hochschule, die GmbH ist noch nicht mal richtig gegründet – aber dennoch schon äußerst erfolgreich: HyPhoX wurde gerade mit dem Leibniz-Gründungspreis als wichtigstem Forschungsförderpreis Deutschlands sowie dem Innovationspreis Berlin-Brandenburg ausgezeichnet. Die technologische Entwicklung der Gründer vereinfacht, verbilligt und beschleunigt Medizin,- Lebensmittel- und Umweltanalysen dramatisch und hat das Zeug, als Sprunginnovation bisherige Märkte zu revolutionieren.

Bislang sind viele Laboruntersuchungen sehr zeitaufwändig und teuer. Von der Entnahme der Probe bis zum Ergebnis vergehen meist mehrere Tage. Die Gründer von HyPhoX haben sich vorgenommen, dies zu ändern. Mit ihrer Lab-on-a-Chip-Technologie haben sie ein winziges Analyselabor auf nur einem Quadratmillimeter untergebracht. Es vereint optische, elektrische und mikrofluidische Komponenten und kann Probeflüssigkeiten vor Ort in Echtzeit analysieren. Und das so einfach wie ein Corona-Test. „Wir verbinden die Kraft der drei Welten – optisch, elektronisch und chemisch – auf einem Mikrochip“, sagt Steglich, ein ausgebildeter Schlosser und Experte für Photonik. Der Name HyPhoX stehe dabei für „Hybrid Photonics“: Photonik ist die klassische Schnittstelle zwischen Optik und Elektronik. Für seine photonischen Sensoren nutzt das Team neben Silizium aber auch organische Materialien wie so genannte Fängermoleküle. „Über das Schlüssel-Schloss-Prinzip werden damit Viren, Biomarker oder toxische Substanzen eingefangen“, erklärt der CEO.

Clou Nummer eins des patentierten Ansatzes: Der HyPhoX-Sensor kann nicht nur diverse Stoffe feststellen, sondern auch deren Mengen und Konzentrationen. Clou Nummer zwei: Mit der neuen Technologie passen auf eine Silizium-Scheibe in der Chipfabrik 50 Mal mehr Biochips. Damit werden die Kosten und der Ressourcenverbrauch in der Massenproduktion drastisch reduziert. Das Interesse in Forschung, Wirtschaft und Medizin an den innovativen Sensoren ist entsprechend groß.

Entstanden ist das innovative, kostengünstige Analysetool in einem Joint-Lab der Hochschule Wildau und des Leibniz-Instituts für innovative Mikroelektronik (IHP) in Frankfurt/Oder. Unterstützt wurden die Forscher dabei von der Bundesanstalt für Materialforschung (BAM) in Berlin-Adlershof. Derzeit werden die ersten HyPhoX-Prototypen validiert und zur Marktreife weiterentwickelt. Nächstes Jahr sollen bereits die ersten Sensoren in kleinen Stückzahlen für Forschungsinstitute und Labore auf den Markt kommen. Und schon in drei Jahren könnten die medizinischen Schnelltests etwa für Blut-, Urin- und Speichelanalysen in Europa, USA und Indien in Millionen-Stückzahlen vertrieben werden, hofft der Naturwissenschaftler, der nicht zu Übertreibungen neigt. Anwendungsbeispiele gibt es viele: Troponin als Indikator für einen Herzinfarkt könnte gleich vor Ort von Pflegepersonal oder Angehörigen nachgewiesen werden. Nach einer Chemotherapie könnten Patientinnen und Patienten ihren Gesundheitsstatus Zuhause selbst überprüfen, statt dafür wieder in die Klink zu müssen. Und in den USA werde schon über den tagtäglichen Test des Gesundheitszustands für jedermann nachgedacht – wie das morgendliche Zähneputzen.

In Laboren habe man viele dieser Produktschritte schon realisieren können. HyPhoX sei nun aber der Durchbruch zum massentauglichen Produkt gelungen, sagt Steglich. Zu seinem Team gehören auch die Mitgründer Martin Paul, ein Biochemiker, der an der BAM promoviert hat, und Christoph Schumann, der als CFO das Business Development vorantreibt. Als Mentor steht Physiker Andreas Mai, Professor für Mikro- und Nanoelektronik an der TH Wildau und Abteilungsleiter am IHP-Leibniz-Institut, bereit.

Bis Mitte nächsten Jahres wird das Team mit dem Exist-Gründungsstipendium des Bundeswirtschaftsministeriums gefördert. Danach sind unterschiedliche Finanzierungsszenarien denkbar, sagt Steglich – sei es über Investments, weitere Förderungen und Bankenfinanzierungen. Auch eine mögliche Unterstützung durch die Bundesagentur für Sprunginnovationen SprinD kommt infrage. Wenn der Aufbau wie geplant weiterläuft, könnte die Belegschaft bald schon auf 20 und in Zukunft auf bis zu 80 Beschäftigte wachsen. Dann soll die neu gegründete GmbH auch über eigene Büroräume und stabiles WLAN verfügen.

„Der Raum Berlin-Brandenburg bietet genau das, was wir benötigen: Eine sehr dynamische Mikroelektronik-Branche, die viel mit unserem Metier zu tun hat, mehrere große, namhafte Forschungsinstitute und Hochschulen und zugleich die Chance auf die Gewinnung von Fachkräften. Wir sind hier sehr glücklich, es gibt für uns keinen Grund, wegzuziehen.“

Patrick Steglich | CEO von HyPhoX GmbH

Interview und redaktionelle Bearbeitung durch: Sven Heitkamp | Freier Journalist | Leipzig
(Bildquellen: HyPhoX)

Veröffentlicht: 26. April 2024

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