SOLARWATT GmbH, Geschäftsführer Detlef Neuhaus
MITTELSTAND / BRANCHEN

Sonnenaufgang 2.0

Der Untergang der Solarindustrie im Osten schien lange Zeit besiegelt. Inzwischen aber wächst die Modulproduktion wieder mit zweistelligen Zuwachsraten, auch und gerade in Corona-Zeiten. Die einstige Vorzeigebranche erlebt einen zweiten Sonnenaufgang – wie das Beispiel Solarwatt zeigt.

 

Im Dresdner Norden, zwischen Flughafen und Mikroelektronik-Firmen, steht ein lang gestrecktes Gebäude mit hohen Glasfassaden, die sofort an Solarpanels denken lassen. Die Ähnlichkeit ist kein Zufall: Der unkonventionelle Bau ist der Hauptsitz der Firma Solarwatt, ein Pionier und Motor seiner Branche in Europa, die derzeit einen neuen Boom erlebt. Selbst die Corona-Krise hat Solarwatt trotz Hygiene-Einschränkungen, teils gekappter Lieferketten und zeitlich abgetrennter Produktionsschichten gut überstanden – und sogar neue Rekordumsätze mit zweistelligen Zuwachsraten geschrieben: voriges Jahr 25 Prozent, dieses Jahr bis zu 40 Prozent. „Wir erwarten 2020 das beste Jahr in der Geschichte des Unternehmens“, sagt Geschäftsführer Detlef Neuhaus. 115 Millionen Euro Umsatz dürften am Jahresende in den Büchern stehen.

Danach sah es nicht immer aus. In früheren Jahren musste die Solarindustrie – einst Hoffnungsträger der ostdeutschen Wirtschaft – mit massiven Subventionskürzungen und Dumpingpreisen aus Asien kämpfen. Auch Solarwatt ging 2012 durch eine selbst verwaltete Insolvenz. Inzwischen aber hat sich das bereits 1993 gegründete Unternehmen vom reinen Modulhersteller zum Komplettanbieter mit Stromspeichern und Energiemanagementsystemen gewandelt. Solarwatt gilt heute als Premiumlieferant für Hausbesitzer und Gewerbe. Mehr noch: Mit ihren hochwertigen Glas-Glas-Modulen, bei denen auch die Unterseite der Zellen zum besseren Schutz vor Schäden verglast wird, gelten die Dresdner als europäischer Marktführer.

Firmengebäude
Produktion

Hinter dem Produkt „Made in Germany“ steht ein Qualitätsanspruch mit Folgen. „Wir garantieren, dass unsere Module 30 Jahre Erträge bringen“, sagt Neuhaus. „Aber wir bauen keine Anlagen, die ausschließlich auf Rendite für Anleger ausgerichtet sind.“ Eine Strategie mit Erfolgsaussichten. Derzeit verdoppelt Solarwatt seine Produktionskapazitäten von 250 auf 500 Megawatt. Fast 14 Millionen Euro werden in den nächsten Monaten in eine neue Produktionslinie samt neuer Werkshalle investiert, kündigt Solarwatt-Finanzchef Sven Böhm an. Die Zahl der Mitarbeiter soll von noch 390 im Jahr 2019 auf etwa 530 bis Ende dieses Jahres steigen. Hinter den Investitionen steht in erster Linie der Haupteigentümer – BMW-Hauptaktionär und Unternehmer Stefan Quandt.

Befeuert wird der neue Solarboom nicht zuletzt durch die Klimadebatte: Parallel zum Aufstieg Greta Thunbergs und ihrer Fridays-for-future-Bewegung wächst auch bei Häuslebauern die Nachfrage nach werthaltigen Solaranlagen. Allein im ersten Halbjahr 2020 sind nach Daten der Bundesnetzagentur mehr als 73.000 Anlagen mit 2500 Megawatt Leistung in Deutschland hinzugekommen. Damit belief sich die installierte Leistung im Sommer 2020 auf 51,3 Gigawatt. „Die Gesellschaft spürt einen zunehmenden Druck, etwas gegen den globalen CO2-Fußdruck zu tun“, sagt Neuhaus. „Die Menschen merken, dass die Bedrohung nicht mehr nur abstrakt ist.“ Gerade noch rechtzeitig beschloss nun auch der Bundesrat die Abschaffung des 52-Gigawatt-Solarförderdeckels und damit den weiteren Ausbau der Photovoltaik in Deutschland. Von Fördermitteln und überhöhten Stromtarifen will man bei Solarwatt in Dresden aber nichts wissen. „Unser Erfolgsmodell lautet nicht, von Subventionen oder einem Green Deal abhängig zu sein“, betont Neuhaus.

Zu den Hauptmotiven der Eigenheimbesitzer für eine Photovoltaikanlage zählten neben dem besseren Image der Solartechnologie vor allem der Wunsch nach Unabhängigkeit von Energieversorgern und die Chance, steigende Stromkosten in den Griff zu bekommen. Mit Solaranlagen erzeuge man seinen Strom je nach Ausstattung der Anlage für 6 bis 12 Cent, im Netz koste der Strom um die 30 Cent, rechnet Neuhaus vor. Angesichts des wachsenden Marktes und der zunehmenden Automatisierung der Produktion fallen die Preise für neue Anlagen jedes Jahr um fünf bis zehn Prozent. Die Kosten liegen heute im Durchschnitt bei 5.000 bis 15.000 Euro. „Nach sechs bis zehn Jahren hat sich eine Anlage amortisiert – verbunden mit dem guten Gefühl, das Richtige für den Klimaschutz zu tun“, sagt Neuhaus.

Nur ein vermeintliches Zukunftsthema hat Solarwatt schon seit Jahren abgehakt: Solarzellen aus Dachziegeln. Zu kleinteilig, zu teuer und zu anfällig seien die Modelle, die einst von Tesla-Star Elon Musk als Zukunftsmodell gepriesen wurden. „Davon haben wir uns schon vor 20 Jahren verabschiedet“, erzählt Neuhaus. „Es gibt bis heute keine taugliche Lösung.“ Der 55-jährige Produktionsingenieur, der aus Nordrhein-Westfalen stammt, kennt das Geschäft von der Pike auf. Er hat als junger Mann Installateur und Klempner gelernt, später Maschinenbau studiert und bei großen Unternehmen der Branche Karriere gemacht. Seit zehn Jahren leitet er nun Solarwatt in Dresden – und hat seine Feuertaufe 2012 mit der Insolvenz überstanden.

Rund 50 Prozent des Umsatzes macht Solarwatt heute in Deutschland sowie in Österreich und der Schweiz. Die zweite Hälfte wird in den Beneluxländern und Skandinavien sowie in Spanien, Italien und Frankreich erzielt. Inzwischen hat der neue Aufschwung auch die Konkurrenz auf den Plan gerufen. So melden auch Anbieter wie Heckert Solar in Chemnitz eine Vergrößerung ihrer Produktionskapazitäten. Der Schweizer Solartech-Spezialist Meyer Burger will sogar in Freiberg eine neue Produktion von Solarmodulen aufbauen. Neuhaus sieht die Ankündigungen jedoch gelassen. „Wir freuen uns über jedes innovative Unternehmen in der Region“, sagt er. „Lieber ein wachsender Wettbewerb im Inland als ein Preiskampf mit China.“

Ohnehin werde das Photovoltaikgeschäft künftig immer komplexer durch die zunehmende Koppelung mit Verkehrsträgern und der Elektromobilität sowie durch die wachsenden Speicherkapazitäten. Das Solarwatt-Innovationszentrum in Hürth bei Köln arbeite dafür ständig an neuen Lösungen. „Die Sektorenkopplung ist die große Zukunft“, sagt Neuhaus. „In der Photovoltaik 2.0 schlummert ein gigantischer Markt.“

 

Interview und redaktionelle Bearbeitung durch: Sven Heitkamp | Freier Journalist | Leipzig

(Bildquellen: SOLARWATT GmbH)

Veröffentlichung: 28. August 2020

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