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MITTELSTAND / WIRTSCHAFTSENTWICKLUNG

Energiekrise: Was hilft ist „Mehr Markt – weniger Staat“

Während sich hierzulande die Temperaturen pünktlich zum Herbstanfang abkühlen, werden die Debatten hitziger. Es geht um die Energieversorgung, es geht um Erdgas und Erdöl, um Strom und steigende Rechnungen. Gerade der kleinere Mittelstand ächzt unter galoppierender Energiekosten-Inflation. Gleichzeitig fühlt man sich im Unternehmerlager von der Politik im Stich gelassen. Auf politischer Seite will man diesem Eindruck entgegentreten, will beruhigen, was aber bisher leider nicht gelingt. Hinzu kommt, dass man zwar Hilfszusagen macht, diese zum einen aber wenig konkret sind und zum anderen die Frage nach der Finanzierbarkeit immer drängender aufwerfen.

Unternehmen fordern nachhaltige Politik-Antwort

Denn nach zwei Jahren mit Pandemie-Unterstützungsprogrammen sind die öffentlichen Kassen nicht gerade in einer entspannten Lage. Gleichzeitig wollen die Betriebe nicht den nächsten Hilfskredit auf die Bilanz nehmen, sondern verlangen nachhaltige Politik-Antworten auf die Krise: Energiekosten sind ein entscheidender Faktor jeder Unternehmensplanung und -kalkulation. Der Tenor in der Wirtschaft lautet, die Eigen- und Fremdkapital-Balance nicht noch stärker beeinträchtige zu wollen. Eingetrübte Konjunkturaussichten erschweren es zusätzlich, weitere Annuitäten zu stemmen.

Wenn die Vielfalt von Meinung und Gegenmeinung die Suche nach Lösungen schwer macht, hilft ein Blick auf die Fakten. Deren Fazit lautet: Die Energiekrise hat sich seit langer Zeit angekündigt. Der Russland-Ukraine-Krieg ist nicht die Ursache, sondern der letzte Tropfen in einem Fass, das sich über Jahre gefüllt hat. Anders als viele Kritiker/innen meinen, gibt es keine Marktverzerrungen, sondern die aktuellen Energiepreise spiegeln die Wirklichkeit von Angebot und Nachfrage wider. Besser gesagt, das Ungleichgewicht zwischen beiden.

Die Strompreise in Europa kletterten in den zurückliegenden Jahren stetig himmelwärts. Zwischen Lissabon und Bialystok mussten private Haushalte (zu deren Konditionen auch viele kleinere Mittelständler beliefert werden) 2021 im Durchschnitt 22 Cent/kWh zahlen. Deutsche Verbraucher/innen lagen mit 32 und liegen ganz aktuell mit 34 Cent/kWh nochmal um fast 50 Prozent drüber und damit auf dem Spitzenplatz des europäischen Preisrankings. Innerhalb des vergangenen Jahrzehnt betrug die Preissteigerung hierzulande 23 Prozent (Europa plus 14 Prozent).

Viele Betriebe beschleunigen ihre Standortumsiedlungen

Nicht anders sieht es beim Industriestrom aus, einem Parameter, der für größere Unternehmen (insbesondere des verarbeitenden Gewerbes) maßgeblich ist. Sie handeln mit den Energieversorgern individuelle Verträge aus oder kaufen sogar direkt an der Strombörse ein. Bezahlte der Sektor 2011 im Schnitt noch 14 Cent/kWh, sind es 2022 fast 27 Cent/kWh – ein Plus von nahezu 100 Prozent. Die ersten Insolvenzen namhafter Betriebe und Marken gingen bereits durch die Schlagzeilen. Zudem beschleunigen viele Betriebe ihre Standortumsiedlungen. Energieintensive Produktion wie sie typisch ist bei zahlreichen Vorleistungsgütern (also Produkten, deren Preise sich auf allen nachfolgenden Verarbeitungsstufen niederschlagen) kann in vielen Fällen nicht mehr stattfinden. Die Steigerung der Erzeugerpreise im August um fast 46 Prozent überrascht also nicht. Viel weniger die darin enthaltene Energiekomponente: 139 Prozent, also mehr als doppelt so viel wie noch vor einem Jahr. Nur am Rande: Was das in den kommenden Monaten für die Preise in den Supermärkten, für Mieten und Dienstleistungen bedeutet, kann sich jeder ausmalen.

So breit und vielschichtig sich die Energiekrise auswirkt, die Ursache ist einfach: Über Jahre sind konventionelle Kraftwerkskapazitäten abgebaut worden, legten die Stromerzeuger bei Kohle und Kernkraft den Rückwärtsgang ein – in Deutschland und Europa. Die Debatte um den Klimawandel schuf eine Atmosphäre, in der Investitionen in diese Energieträger mit großer Unsicherheit behaftet waren und damit unterblieben. Hierzulande legte sich die Politik 2011 und 2018 auf explizite Ausstiegspfade fest. In eben diesem Jahr mit dem Beschluss zum Kohleausstieg warnte der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), dass der Kapazitätsabbau eine europaweite Entwicklung sei. Fazit: Bei der Fokussierung auf den Ausbau erneuerbarer Energien, welche immer Last-Stabilisierung erforderlich machen, könne Deutschland nicht fortgesetzt auf Zukaufsmöglichkeiten bei unseren europäischen Nachbarn setzen. Genau in diesem Dilemma befinden wir uns heute.

Die Renaissance von Kernkraft in Europa ist relativ jung. Selbst Frankreich, die große Atom-Nation, hat seinen Kernkraftwerkspark vernachlässigt – und spürt gerade die Folgen. Andernorts waren Erweiterungsinvestitionen in Atomenergie ebenso wenig opportun, und bei der Kohleverstromung gibt es nur wenige Ausnahmen, etwa in Osteuropa.

Angebotskrise im Stromsektor ist politikgetrieben

Die aktuellen Preise sind Ausdruck einer eklatanten Angebotskrise im Stromsektor. Die ist nicht Ergebnis von Marktversagen, sondern politikgetrieben. Anderes als Kritiker/innen behaupten, funktioniert der Preis als Knappheitsanzeiger hervorragend. Denn es sind die teuren Gaskraftwerke, die am Strommarkt mit seiner festgelegten Merit-Order-Regel (die teuersten zur Nachfragedeckung hinzugenommenen Kraftwerke setzen den Preis für alle Anbieter) die Preisnotierungen in ungekannte Höhen treiben. Dass andere Erzeugerquellen fehlen, ist politisch gewollt. Gleiches gilt für den Fokus auf erneuerbare Quellen, die allerdings nie im Umfang der installierten Leistung zur Verfügung stehen und überdies der Netzstabilisierung bedürfen. Und vergessen wir nicht: Zum Abbau durch Ausstiegsstrategie kommt die gezielte Verteuerung durch staatlich administrierte Preiselemente (Stichwort CO2-Abgabe etc.) hinzu.

Da der Markt funktioniert, bedarf es jetzt der entsprechenden politischen Weichenstellungen. Energiesparapelle und damit Nachfragesenkung wirken bei einer Volkswirtschaft wie der Deutschlands weniger als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Vielmehr muss das Angebot rauf, müssen preisgünstigere Kraftwerke an den Markt zurückgeholt werden. Schnell und mit klarem Ausblick der Politik für die mittlere Frist und nicht allein für den nächsten Winter. Dann können Unternehmen sicher planen und Arbeitsplätze erhalten. Das ist effektiver und belastet keine öffentlichen Haushalte. Denn die aktuelle Uniper-Verstaatlichung im Umfang von 16 Mrd. Euro zeigt, in welche schwindelerregenden Rettungshöhen man sich begibt. Und am Preis ändert das – gar nichts.

Dr. Alexander Schumann

„Besser als immer weitere Entlastungs- und Rettungspakete oder das Verschieben der Schuldenbremse hilft uns der Markt aus der Energiekrise: Die Energiepreise sinken, wenn wir alle verfügbaren Ressourcen mobilisieren, Wettbewerb Raum geben und Planungssicherheit für Investitionen schaffen“

Dr. Alexander Schumann,
Leiter Politik und Konjunktur, Sonderprojekte

Veröffentlichung am 23. September 2022

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