MITTELSTAND / WIRTSCHAFTSENTWICKLUNG

Investitionen in Deutschland: Kluge Corona-Instrumente auch nach der Pandemie

Der Karneval ist in diesem Jahr ausgefallen. Dennoch kommt einem beim Blick auf einige Datenentwicklungen der jüngsten Zeit der Lied-Klassiker der närrischen Saison „Auf und nieder, immer wieder …“  in den Sinn. Obwohl man eher zusammenzuckt, wenn aktuell von steigenden Zahlen in der Statistik die Rede ist, gibt es auch erfreulich Aufwärtsbewegungen, so beim BIP-Wachstum für Q4 des vergangenen Jahres: Statt 0,1% wie noch bei der Schnellschätzung im Januar, rechnet das Statistische Bundesamt jetzt mit 0,3%. Da alle Beobachter für das laufende Quartal allerdings von einem Rückschlag in den Minusbereich ausgehen, ist das nur ein kurzer Lichtschimmer.

Rauf ging es am aktuellen Rand auch mit den Zinsen für langlaufende US-Staatsanleihen, und zwar um 0,5 Prozentpunkte. Seitdem ist ein Begriff in die Medien zurückgekehrt, der lange keine Rolle spielte: Inflation. Denn natürlich ist der Zinsschritt nach oben Ausdruck gestiegener Inflationserwartungen, in den USA gut begründbar mit dem geplanten Mega-Anti-Corona-Konjunkturprogramm in Höhe von 1,9 Billionen US-Dollar. Hierzulande befeuern die Teuerungsraten der letzten beiden Monate (Januar von 1 Prozent, Februar 1,3 Prozent; jeweils gegenüber Vorjahresmonat) die Inflations-Comeback-Diskussion.

Folgt man der Spur von Wachstum und Inflation sowie deren Zins-Zusammenhang, dann landet man bei einer Größe, deren Entwicklung in den zurückliegenden Jahren sehr gut mit dem eingangs zitierten Karnevalslied illustriert wird: Investitionen. Erhaltung und Modernisierung des Kapitalstocks einer Volkswirtschaft sind eminent wichtig für die Sicherung von Beschäftigung, Wohlstand und – Ressourcenschonung. Ohne funktionierende Finanzierung – hier kommen Zinsen ins Spiel – schwache Investitionen. Schwache Investitionen schmälern das Wachstum. Anders gesagt gilt für sie: Besser auf statt nieder.

Der Anteil der Bruttoanlageinvestitionen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Deutschland folgt seit den 1990er Jahren allerdings einem rückläufigen Trend, gemildert seit ca. 2015. Die folgende Abbildung zeigt im gleichen Zeitraum die jährlichen Veränderungsraten der gesamtwirtschaftlichen Investitionen. Deutlich wird, wie stark Investitionen vom politischen und gesamtwirtschaftlichen Umfeld abhängen. Die Stabilität dieses Rahmens schlägt direkt durch auf die Investitionsprojekte der Unternehmen.

In der Grafik erkennt man vier Schwächephasen: Mitte der 1990er Jahre im Zuge der Nach-Wende-Rezession und verschleppter Strukturreformen; das Platzen der New Economy Blase Anfang der 2000er Jahre; die Bankenkrise 2008/2009; die Eurokrise 2012/2013. In den letzten Jahren  erholten sich die Bruttoanlageinvestitionen – um nun am aktuellen Rand durch Corona wieder in die Knie zu gehen.

Die Pandemie hat das Zeug, die Zukunftserwartungen und damit die Investitionsbereitschaft der Unternehmer nachhaltig in Mitleidenschaft zu ziehen. Klingt sie ab, steht für die Firmen zunächst der Kampf zurück in die Normalität auf dem Plan. Ist das geschafft, muss man davon ausgehen, dass weiter auf Sicht gefahren wird. Corona als ein Schwarzer Schwan, also ein absolut unerwartetes (in dem Fall Negativ)Ereignis, senkt die Risikobereitschaft. Verstärkt wird dieser Faktor durch ein Umfeld, das seit geraumer Zeit von enormer Volatilität geprägt ist. Themen wie Technologiesprünge, Digitalisierung, Umbruch der Energiewelt, Migrationsströme und wachsende fiskalische Defizite weltweit sowie Handelskonflikte sind Ausdruck hiervon. Der Corona-Knick fällt also in eine Phase, da dringend in zahlreiche Transformationsprozesse investiert werden muss.

In der oben gezeigten Abbildung fällt auf, dass der Investitionsaufschwung nach den letzten Krisen rascher vonstattenging als etwa nach dem New Economy Crash. Ein Grund bei letzterem dürfte die im Vergleich der Phasen verbesserte Eigenkapitalausstattung der Unternehmen sein. Die Corona-Krise hinterlässt nun aber auch genau hier Spuren.

Angesichts solcher Erfahrung scheint es plausibel, dass in der Nach-Corona-Ära nicht alles von allein seinen geregelten Investitions-Gang gehen wird. So ist es klug zu überlegen, wie Politik die Investitionsbereitschaft stützen kann. Vorschläge, u.a. von der Deutschen Bank, gehen in die Richtung, bewährte Corona-Hilfsinstrumente beizubehalten. Die Vorschläge beinhalten eine stärkere Standardisierung von stillen Beteiligungen auf der Eigenkapitalseite und verbilligte Zinssätze, Tilgungszuschüsse sowie Haftungsfreistellungen auf der Fremdkapitalseite. Die Ideen sind sicher eine gute Grundlage für Diskussionen auf Bundes- wie auf Länderebene. Aus marktwirtschaftlicher Sicht wünschenswert wäre, sie mit einem Verfallsdatum zu versehen – denn jedes Abmildern von Wettbewerbsmechanismen durch staatliche Lenkung neigt auf Dauer zu Verzerrungen. Letztlich sollte man dafür sorgen, dass – nicht zuletzt angesichts der Demografie – der Faktor Kapital dauerhaft gestärkt wird. Oder anders ausgedrückt, dass Investitionen eher rauf als runter gehen.

Autor: Dr. Alexander Schumann, Leiter Politik und Konjunktur, Sonderprojekte

Veröffentlichung: 4. März 2021

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