MITTELSTAND / WIRTSCHAFTSENTWICKLUNG

Wirtschaftsstandort: Wo bleibt die Dynamik?

Wirtschaftsentwicklung in Ostdeutschland

Lang anhaltender Aufschwung

Deutschland hat in den letzten Jahren einen langanhaltenden Aufschwung durchlebt. Hiervon profitierten ebenfalls die ostdeutschen Länder und Wirtschaftszweige (s. Grafik), allerdings in unterschiedlichem Ausmaß. Auch 2018 war durchaus erfolgreich. Der Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) fiel mit 1,6% sogar etwas stärker als der bundesweite Vergleich aus. Das Wachstum ist deutlich Berlin (3,1%) zuzurechnen. Ohne die Hauptstadt lag der Zuwachs im Osten bei einem Prozent, mit einer Bandbreite von +0,5% in Thüringen bis +1,4% in Brandenburg.

Jahresauftakt 2019: Überraschend positiv

Eher überraschend begann das Jahr 2019 positiv. Das bundesweite BIP wuchs im ersten Quartal um 0,4%. Dabei zeigte sich die Binnennachfrage robust, unabhängig von den Weltmärkten und der gedrückten Stimmung der Industrie. Besonders die Konsumausgaben der privaten Haushalte legten stark zu, getragen von der guten Lage am Arbeitsmarkt und den einhergehenden Lohnzuwächsen. Eine hohe Dynamik verzeichneten zudem die Bauinvestitionen, die vom milden Winter (Vorzieheffekte) profitierten. Ebenfalls wurde stärker in Ausrüstungen investiert.

Ausblick mit hohen Risiken verbunden

Dennoch wird sich 2019 wohl eher verhalten entwickeln. Einerseits fallen inzwischen die Geschäftserwartungen deutlich schwächer aus, vor allem in der Industrie. Andererseits ist die deutsche Wirtschaft stark von der weltwirtschaftlichen Entwicklung abhängig. Eine globale Nachfrageschwäche, weitere Eskalationsstufen in den Handelspolitiken (Streit USA-China, USA-EU etc.) sowie politische Risiken (z.B. Situation Iran/Nahost, evtl. „No-Deal-Brexit“) hinterlassen hier ihre Spuren. Entsprechend lauten die Prognosen (s. Grafik). Für das laufende Jahr erwartet etwa der Bundesverband deutscher Banken (BdB) einen eher geringen BIP-Zuwachs von 0,7%. Sofern das globale Wirtschaftswachstum wieder anziehen sollte, wird für 2020 ein Niveau von +1,6% prognostiziert. Dem deutschen Gesamttrend wird sich die ostdeutsche Wirtschaft nicht entziehen können, auch wenn Lageeinschätzungen und Erwartungen in der aktuellen DIHK-Konjunktur-umfrage ein gegenüber dem gesamtdeutschen Durchschnitt leicht besseres Bild zeichnen.

Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft im Blick

Können wir das ändern?

Angesichts der eher schwachen Aussichten ist es umso notwendiger, die Selbsterneuerungskräfte der Wirtschaft zu stärken. Insgesamt steht der Wirtschaftsstandort schon heute vor erheblichen Herausforderungen. Internationalisierung und Digitalisierung, die Frage nachhaltigeren Wirtschaftens etc. stellen die Geschäftsmodelle der Unternehmen auf den Prüfstand. Die Antwort darauf kann nicht in einer Konservierung der Strukturen, sondern nur in der Aktivierung der Innovationskräfte bestehen.

Kräfte stärken

Zunächst sind natürlich die Unternehmen selbst gefragt, in ihre Zukunft zu investieren. Die Politik sollte sich aber darauf konzentrieren, verlässliche und leistungsfähige Rahmenbedingungen vor Ort zu schaffen (s. Grafik). Dabei wird man um eine Priorisierung der Ausgaben nicht umhinkommen, zumal die Einnahmen nicht mehr so stark „sprudeln“ dürften (Stichworte: Konjunktur, Abschaffung Soli, neue EU-Strukturfondsperiode).

Innovationen unterstützen

Wichtig ist, auf Innovationen und entsprechende Investitionen vor Ort zu setzen. Alles was hier den Unternehmen hilft, hilft am Ende dem Standort. Die vorgesehene steuerliche Forschungsförderung etwa ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ebenfalls sollte die Modernisierung der Infrastruktur weiter vorangetrieben werden (u.a. Lückenschlüsse bei Autobahnen, Bahn-Elektrifizierungen). Besonders wichtig ist weiterhin die Kooperation zwischen den Unternehmen selbst und mit der Wissenschaft. Bestehende Netzwerke sollten unterstützt bzw. deren Gründung forciert werden. Hier wäre generell mehr Sichtbarkeit der Akteure und deren Erfolge wünschenswert, auch über Deutschland hinaus. Überdies muss die Digitalisierung „auf mehr Tempo kommen“: Bei Verwaltungsprozessen, Infrastruktur und Bildung.

Nötig sind eine gezielte Förderung der Gründungsbereitschaft (Stichworte: Unternehmerbild, Beratungsangebote etc.) sowie eine Bildungspolitik, die die bestmöglichen Grundlagen für gut ausgebildete Arbeitskräfte legt. Zeitgleich ist angesichts der demografischen Situation eine qualifizierte Zuwanderung unausweichlich. Mit dem Zuwanderungsgesetz wurde hier richtigerweise zumindest der Paradigmenwechsel eingeleitet. Jedoch müssen die Regionen auch für Zuwanderung attraktiv sein — nicht zuletzt durch die Gewährleistung einer offenen Gesellschaft.

Gefragt ist also eine konsistente Politik auf allen Ebenen, die die Erneuerungskräfte in Gesellschaft und Wirtschaft unterstützt. Dies gilt gerade auch für die europäische Perspektive. Nur eine geschlossene und handlungsfähige EU wird auf die drängendsten Herausforderungen für Wirtschaft und Gesellschaft reagieren können.

Wirtschaft nachhaltiger denken?

Ist ein Umbau notwendig?

Neben der politischen Umwelt ändert sich auch die gesellschaftliche Wahrnehmung der Dinge. Die Europawahl ist ein Symptom, „Fridays for Future“ ein Signal: Dafür, dass viele Bürger mehr Engagement im Klima- und Umweltschutz erwarten. In der neuesten Studie „Umweltbewusstsein in Deutschland“ sehen zwei Drittel der Bundesbürger dies als wesentliche Herausforderung – zufrieden mit der Politik sind nur wenige. Sollen die diskutierten Ziele erreicht werden, werden sich Gesellschaft und Wirtschaft anpassen müssen. Dies bedeutet zugleich einen erheblichen Bedarf an Mehrinvestitionen: Ohne Investitionen – kein Klimaschutz. Der Umbau der Wirtschaft wird daher auch durch eine Neujustierung der Anreize begleitet werden müssen, eine Industrie- und Strukturpolitik „mit der Gießkanne“ reicht nicht aus. Hierbei sind auch neue Förderansätze für nachhaltige Infrastruktur- und andere Investitionsprojekte zu finden. Offen zu diskutieren ist zudem z.B. über eine allgemeine CO2-Bepreisung, ohne die Sozialverträglichkeit und branchenspezifische Transformationszeiträume zu vernachlässigen.

Banken als Partner der regionalen Wirtschaft

Private Banken: Hauptkreditgeber

Eine Erneuerung der Wirtschaft bedarf erheblicher Investitionsmittel. Ohne Kapitalgeber wird dies kaum zu stemmen sein. In der kleinteilig strukturierten ostdeutschen Wirtschaft bleiben Banken und Sparkassen die wesentlichen Player. Hauptkreditgeber für die hiesigen Unternehmen, Selbständigen, Kaufleute etc. sind die privaten Banken. In einem gewachsenen Gesamtmarkt konnten sie diese Rolle auch 2018 behaupten (Marktanteil bei Krediten an die Wirtschaft: 40% — s. Grafik), auch wenn sie keine Ausweitung ihrer Kreditbestände verzeichneten. Bei der Unterstützung der Unternehmen beim Gang auf Auslandsmärkte dominieren die privaten Banken sogar deutlich (lt. einer ZEW-Untersuchung werden über 90% des Außenhandels im Osten über sie abgewickelt). Die Bankenwelt bleibt allerdings eine Branche im Umbruch (Stichworte: Digitalisierung, Regulierung, EZB-Zinspolitik). Auch das Umfeld für die Mittelstandsfinanzierung wird sich weiter verändern.

„Basel IV“ steht vor der Tür

Finanzierungen könnten teurer werden

Aktuell bereitet die EU die Umsetzung von „Basel IV“ in europäisches Recht vor. Dabei handelt es sich um 2017 international vereinbarte Anpassungen der als Basel III bekannten Bankaufsichts-Regeln. Vorgesehen sind vor allem Veränderungen auf Ebene der sogenannten risikogewichteten Aktiva (RWA), um hohe Schwankungen der RWA zu verringern und die Kapitalquoten der Banken transparenter zu gestalten. Laut den Aufsehern sollte es bei der Umsetzung zu keiner signifikanten Erhöhung der Kapitalvorschriften kommen. Im globalen Durchschnitt wurde dies auch erreicht. Für das Geschäft vieler europäischer Banken gilt dies jedoch nicht. Wie der BdB in einem Gutachten zeigen konnte, werden vor allem risikoarme Geschäfte hierzulande stärker als bisher belastet. Dies gilt z.B. für private Baufinanzierungen aber auch für Mittelstandskredite. Bei letzteren gilt zudem der derzeit im EU-Recht vorhandene KMU-Unterstützungsfaktor (= Privileg für Mittelstandsfinanzierungen, damit Banken für diese rechnerisch weniger Eigenkapital vorhalten müssen) nicht mehr in gleicher Form. Insgesamt werden sich die durchschnittlichen Risikogewichte signifikant erhöhen (s. Grafik). Für die einzelne Finanzierung muss dann mehr Bank-Eigenkapital unterlegt werden. Dies dürfte langfristig spürbar auf die Unternehmensfinanzierung durchschlagen, auch wenn das Zinsniveau und der intensive Wettbewerb im Bankgeschäft die Auswirkungen (höhere Konditionen, knapperes Angebot) z.Zt. noch überdecken.

Sustainable Finance: Perspektivisch wichtig

Strategische Herausforderung: Nachhaltige Finanzierungen

Ein Paradigmenwechsel der Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit wird auch den Bankensektor einbeziehen. Sind die Institute doch als Finanzierungspartner in viele Investitionen ihrer Kunden involviert. Erste Maßnahmen zur Ausgestaltung einer nachhaltigen Finanzwirtschaft werden gerade auf EU- und Bundesebene diskutiert. Der Einbezug der klassischen Unternehmensfinanzierung über Kredit steht zwar (noch) nicht an, sollte aber auf freiwilliger Basis möglich sein. Dabei gilt es zunächst, die Klassifizierung, was als nachhaltig angesehen wird, verständlich und praxistauglich zu gestalten. Die Kriterien (Taxonomie) sollten so schlank und flexibel sein, um ohne große Bürokratie angewendet werden zu können, aber auch eindeutig genug ausformuliert werden, um „Greenwashing“ effektiv zu verhindern.

Der Blick der privaten Banken

  • Deutschlands Wirtschaft wird sich verändern müssen. Jahrelang erfolgreiche Geschäftsmodelle sind mit einem Fragezeichen versehen (Auswirkungen gesellschaftlichen und technologischen Wandels).
  • Wirtschaftsumbau bedarf geeigneter Rahmenbedingungen, auf deren Optimierung sich die Politik konzentrieren sollte (Bürokratie, Infrastruktur, Bildung, Zuwanderung etc.), aber auch...
  • …erheblicher Investitionsmittel. Die privaten Banken sind dabei wichtige Partner für die ostdeutsche Wirtschaft (Hauptkreditgeber mit 40% Marktanteil). Die Bedingungen für die Mittelstandsfinanzierung werden sich stärker verändern (aktuell: Auswirkungen „Basel IV“ — perspektivisch: u.a. Sustainable Finance).
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