MITTELSTAND / WIRTSCHAFTSENTWICKLUNG

Zur Schwarzen Null | #FridayThoughts

Mehr investieren, auch auf „Pump“?

Deutschland steht vor gewaltigen Herausforderungen. Während die Digitalisierung die Wirtschaft kräftig durcheinander wirbelt, zieht auch der ökologischen Umbau einen hohen Investitionsbedarf nach sich. Darüber hinaus sehen zahlreiche Ökonomen die deutsche Wirtschaft momentan in einer technischen Rezession. Immer öfters steht daher die Frage im Raum, ob die „schwarzen Null“ der Bundesregierung angesichts der Umstände noch zu halten ist.

Vom Schuldenberg zum Schuldenabbau

Fakt ist: Der deutsche Staat hat in den vergangenen Jahrzehnten enorme Schulden aufgehäuft. Aktuell beträgt die Gesamtverschuldung gut 2 Billionen €. Den Höchststand erreichte die deutsche Schuldenquote mit 81,8% des nominellen Bruttoinlandsproduktes im Jahr 2010 nach Ausbruch der Eurozonenkrise. Der zunehmenden Staatsverschuldung begegnete die Bundesregierung im Jahr 2009 mit der Aufnahme einer Schuldenbremse ins Verfassungsrecht. Auf diese Weise sollten teure „Wahlgeschenke“ verhindert und eine ausgeglichene Finanzpolitik erreicht werden. Der Politik wurden hierfür sprichwörtlich die Hände gebunden.

Schuldenbremse ≠ „schwarze Null“

Die Bundesregierung hat dieses Ziel anschließend in den griffigen Slogan der „schwarzen Null“ übersetzt. Rein rechtlich gesehen bedeutet die Schuldenbremse nicht einen komplett ausgeglichenen Haushalt. Laut Artikel 109 des Grundgesetzes darf der Bund seit 2016 jährlich nur noch bis zu 0,35% des nominellen BIPs neue Schulden aufnehmen. Von einem absoluten Schuldenverbot ist nicht die Rede. Den Ländern hingegen steht dieser Spielraum bald nicht mehr zu. Ab 2020 müssen diese einen ausgeglichenen Haushalt aufweisen. Ausnahmen sieht das Grundgesetz für antizyklische Maßnahmen vor. So können Bund und Länder in schlechten Zeiten zur Stabilisierung der Konjunktur zusätzliche Kredite aufnehmen. Doch auch hier setzt das Grundgesetz enge Grenzen.

In der Realität sind die Unterschiede jedoch eher marginal. So entsprechen 0,35% des nominellen BIPs im Bundeshaushalt 2020 gut 12 Milliarden €. Angesichts der tatsächlich geforderten Investitionen eine kaum nennenswerte Summe. Eine Ausnutzung der verfassungsrechtlichen Spielräume unterscheidet sich in der Praxis daher nur marginal von der derzeitigen Politik der „schwarzen Null“.

Ist die „schwarze Null“ zu halten?

In der Folge ist eine politische Diskussion darüber entflammt, ob die „schwarze Null“ noch zu halten ist. Auch unter Ökonomen wird die Debatte kontrovers geführt. Der Chefökonom der Deutschen Bank, Stefan Schneider, sieht im Falle einer Rezession die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung zu stark eingeschränkt: „Im Abschwung durch Sparen die schwarze Null zu verteidigen, würde diesen nur verstärken und wäre nicht zuletzt angesichts der insgesamt relativ entspannten Lage der Staatsfinanzen der falsche Weg“. Ähnlich sieht dies Carl Christian von Weizsäcker, der den finanzpolitischen Spielraum der Bundesregierung, insbesondere für den Infrastrukturausbau, erweitern würde.

Es stellt sich jedoch die Frage, wie man bei Aufweichung der Schuldenbremse langfristig eine exzessive Staatsverschuldung effektiv vermeiden kann. Politische Mehrheiten sind für eine Änderung des Grundgesetzes daher derzeit nicht abzusehen. Der Ökonom Tom Krebs von der Universität Mannheim stellt sich stattdessen die Frage, wie man den Strukturwandel ohne neue Schulden finanzieren könnte und macht sich dazu Gedanken über eine Vermögenssteuer. Doch auch wenn der Bundesregierung ein deutlich höherer Betrag zur Verfügung stände, könnte sie diesen zumindest in der kurzen Frist kaum sinnvoll in Infrastrukturprojekte investieren. Die limitierenden Faktoren sind dabei in erster Linie die Planungskapazitäten der Verwaltung sowie die Kapazitäten der Bauindustrie. So hat erstere keine planungsfertigen Bauprojekte in den Schubladen und selbst wenn dies der Falle wäre, stößt die Bauindustrie schon heute an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit.

Marco Muser

„Die Debatte um die schwarze Null ist im vollen Gange. Unstrittig ist, dass Deutschland kräftig in die eigene Infrastruktur investieren muss. Angesichts der begrenzten Mittel ist es entscheidend, bei der Finanzierung der zahlreichen Maßnahmen die richtige Priorisierung zu setzen.“

Marco Muser
Leiter Volkswirtschaft, Innovation und Wirtschaftspolitik

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