Dr. Ulf Marten Schmieder, Geschäftsführer Technologiepark Weinberg Campus
MITTELSTAND / WIRTSCHAFTSSTANDORT

Erfolgsstorys am Weinberg

An den Ufern der Saale in Halle wurde bis ins 20. Jahrhundert Wein angebaut. Das ist Geschichte. Heute wird auf dem „Weinberg Campus“ vor allem innovatives Wissen gekeltert. Der moderne, grüne Stadtteil ist nach Berlin-Adlershof der zweitgrößte Wissenschafts- und Technologiepark des Ostens. Und er wächst weiter.

 

Im Dreieck zwischen Halles Altstadt, Dölauer Heide und Halle-Neustadt liegt ein eigenes Stadtviertel, dass in Ostdeutschland seinesgleichen sucht: Moderne Forschungsgebäude und Firmensitze wechseln mit schön sanierten Altbauten und weitläufigen, parkartigen Grünanlagen ab. Der Technologiepark Weinberg Campus ist mit 134 Hektar der Größte seiner Art in Mitteldeutschland und ein innovativer Hotspot für die internationalen Life-Sciences- und Material-Sciences-Branchen. „Bei uns kommen Wirtschaft und Wissenschaft zusammen“, sagt Ulf-Marten Schmieder, der Geschäftsführer des Technologie- und Gründerzentrums TGZ. „Bei unseren Partnern entstehen Innovationen, die weltweit wirtschaftlich Früchte tragen.“

Mehr als 100 Technologie-Unternehmen und Start-ups sind inzwischen am Weinberg Zuhause. Die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, die Universitätsmedizin, zwei Fraunhofer-Institute, das Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik, zwei Leibniz-Institute und das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung bilden einen dichten wissenschaftlichen Kern. Mehr als 5500 Menschen sind inzwischen auf dem Campus beschäftigt, unter ihnen Biochemiker, Biotechnologen und Pharmazeuten, Materialwissenschaftler und KI-Entwickler, Agrarexperten und Ernährungswissenschaftler. Zudem bilden die Naturwissenschaftlichen Fakultäten der Martin-Luther-Universität rund 8000 Studierende aus.

Hans Ulrich Demuth
TGZ- Verovaccines - AIMS

„Unsere große Stärke ist Bündelung von verschiedenen Technologien und unterschiedlicher wissenschaftlicher Expertise auf engstem Raum“, betont Schmieder, 49, ein gebürtiger Hallenser, gelernter Brauer, promovierter Wirtschaftswissenschaftler und erfahrener Firmengründer, der das TGZ seit sechs Jahren leitet. „Wir bringen die ganze Kette von der angewandten Forschung und Entwicklung über die Firmengründung bis zum Wachstum zusammen.“ Künftig soll ein schon geplantes Konferenzzentrum im Herzen des Campus’ den Austausch weiter beflügeln. Das große, gemeinsame Ziel am Weinberg sei es, einen gesunden Mittelstand mit Unternehmen aufzubauen, die die Förderung und Beratung des TGZ zunächst nutzen und später ihr Know-how als Mentoren, Paten oder Finanziers in den Kreislauf zurückbringen. Manche Gründungen seien heute bereits so weit, dass sich internationale Konzerne für sie interessieren, sagt Schmieder. Erfolgsgeschichten gibt es jedenfalls viele – mehr als 250 Firmen sind in den fast 30 Jahren im Technologiepark bereits entstanden.

Die Firma DENKweit als neuestes Beispiel setzt Künstliche Intelligenz zur Qualitätskontrolle und Fehlerprognose von Batterien in Elektro-Autos ein. Gründer und Kopf ist Dominik Lausch, bis vor kurzem noch Teamleiter im Fraunhofer-Center für Silizium-Photovoltaik. Sein erster Coup war eine Art Handscanner, der Defekte in Solarmodulen detektiert. Zu den Weinberg-Erfolgsstorys zählt auch die Wacker Biotech, eine Tochter des Münchener Wacker-Konzerns. Er hat vor Jahren das Biotech-Unternehmen Scil Proteins Production gekauft, das heute Pharmaproteine für Arzneimittel herstellt. „Biopharmazeutika sind heute die am schnellsten wachsende Wirkstoffklasse für Therapeutika“, erzählt Wacker-Biotech-Standortleiterin Melanie Käsmarker, eine gebürtige Hallenserin. Weltweit führend bei Biopharmazeutika auf Basis einer pflanzenbasierten Plattform ist auch Icon Genetics. Die Firma des in der Ukraine geborenen Geschäftsführers Victor Klimyuk gehört heute dem japanischen Denka-Konzern und entwickelt unter anderem einen pflanzlichen Impfstoff gegen das Norovirus. An die Börse ging 2014 Probiodrug von Biochemiker Hans-Ulrich Demuth. Das Biopharma-Unternehmen ist mit der Entwicklung von Diabetes- und Alzheimer-Therapeutika sehr erfolgreich. Die Forschung in Halle sei auch in international renommierten Institutionen von Harvard bis Tokio sichtbar, erzählt Fraunhofer-Forscher Demuth.

Das Team von Denkweit
Melanie Käsmarker

Mehr als eine Milliarde Euro sind seit Anfang der 1990er Jahre in den Weinberg Campus geflossen. Als 1991 die letzten der ehemals 9000 sowjetischen Soldaten abzogen und das riesige, von einer Mauer eingeschlossene Kasernengelände zurückließen, begannen die Planungen für die Ansiedlung neuer Institute und Forschungseinrichtungen. Stillstand gibt es bis heute nicht. Erst voriges Jahr hat das TGZ im Weinberg Campus Innovation Hub ein neues Accelerator-Programm für Life-Sciences-Startups aus der Taufe gehoben. Darin steht den Gründern umfangreiche technische Infrastruktur mit Laboren, Geräten und Werkstätten bereit. „Mit diesem einzigartigen Angebot wollen wir national wie international Start-ups anziehen“, sagt Schmieder. Die neue Initiative „Halle Startup“ vereint zudem Finanziers wie die IBG Beteiligungsgesellschaft, die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft und die Investitionsbank Sachsen-Anhalt sowie Unternehmer zur Unterstützung bei neuen Geschäftsgründungen.

Generell wünscht sich Schmieder allerdings noch mehr Offenheit für Investitionen bei den ostdeutschen Landesregierungen, etwa in Gestalt von Zukunftsfonds für junge Firmen. „Solche Modelle brauchen wir stärker, damit sich die ostdeutsche Wirtschaft entwickeln kann.“ Dahinter steht für Schmieder auch eine mentale Frage. „Wir brauchen im Osten mehr Wertschätzung des Unternehmertums.“ Der Technologiepark Weinberg Campus jedenfalls biete noch immer Erweiterungsflächen – für neue Investitionen.

 

Dr. Victor Klimyuk

Interview und redaktionelle Bearbeitung durch: Sven Heitkamp | Freier Journalist | Leipzig

(Bildquellen: Marco Warmuth und Horst Fechner)

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