MITTELSTAND / WIRTSCHAFTSSTANDORT

Ostdeutsche Wirtschaft international

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Die Schwachstellen einer zunehmend internationalisierten Wertschöpfung, die nur auf höchste Effizienz setzt, wurde Vielen dieses Jahr besonders deutlich. So stockte oftmals die Produktion, da Lieferungen nicht ankamen. Auch brach im April 2020 der gesamtdeutsche Export gegenüber dem Vorjahr um circa 30% ein. Dies betraf Ost wie West gleichermaßen — wobei die wirtschaftlichen Auswirkungen etwas kleiner für Ostdeutschland waren, u.a. durch die geringfügigere Einbindung in die internationale Wertschöpfung. Wie steht es um die Internationalisierung im Osten? Mit welchen Herausforderungen sieht sich der Mittelstand insbesondere jetzt konfrontiert und welche Chancen ergeben sich trotz oder gerade durch Corona?

Stand des Exports

Bei der Exportquote ist noch Luft nach oben

Ostdeutsche Waren sind 30 Jahre nach der Wiedervereinigung wieder weltweit gefragt. Bis hierhin war es aber ein langer Weg. Mit dem Ende der DDR und dem Verlust bestehender Absatzmärkte, brach das Exportgeschäft abrupt ein. Erst ab der zweiten Hälfte der Neunziger ging es wieder bergauf. Die Exportquote der Industrie, gemessen am Auslandsumsatz im Verhältnis zum Gesamtumsatz (s. Grafik), verbesserte sich stetig. Lag sie 1997 noch bei 16%, stieg der Anteil bis 2019 auf 37%. Doch liegt sie trotzdem weit unter der Quote der westdeutschen Bundesländer (50%). Zudem ist der Abstand zwischen beiden Landesteilen nicht sonderlich geringer geworden. Das mag zum einen daran liegen, dass Aufholen immer ein langwieriger Prozess ist, da sich die anderen Bundesländer ebenfalls weiterentwickeln. Zum anderen zeigen die Statistiken eines nicht: Die Exportbeteiligung der Ost-Bundesländer über ihre Zuliefererfunktion, wodurch die hiesigen Unternehmen indirekt stärker am Export beteiligt sind, als die Exportquote es vermuten lässt. Es bleibt aber insgesamt noch „Luft nach oben“.

EU bleibt wichtigster Absatzmarkt

Bei den TOP-10 Handelspartnern Ostdeutschlands (s. Grafik) steht China an erster Stelle mit Warenexporten im Wert von 10,5 Mrd. Euro, gefolgt von den USA, Polen, Frankreich und Großbritannien. China hat dabei seit 2018, in absoluten Zahlen betrachtet, die USA als Hauptexportland abgelöst, wobei insbesondere der steigende Export Sachsens ins Reich der Mitte hier auschlaggebend ist. Zugleich stagniert der Handel mit den USA seit einiger Zeit. Die, aufgrund eines zunehmenden Protektionismus und eines unberechenbareren politischen Klimas, gestiegenen Risiken dürften den US-Markt auch in Zukunft weniger attraktiv erscheinen lassen — gerade für den Mittelstand. Grundsätzlich bleibt der europäische Binnenmarkt der wichtigste Absatzmarkt für die ostdeutschen Unternehmen.

Herausforderungen

Obgleich das Exportgeschäft der hiesigen Unternehmen im Laufe der letzten 30 Jahre  wuchs, gab und gibt es – auch ohne die Corona-Pandemie – Herausforderungen, die den Weg ins Ausland erschweren. Oft genannte Ursache ist die kleinteilige Unternehmensstruktur. Zwar gibt das IAB-Betriebspanel 2019 an, dass in Ost wie West der Anteil an Kleinstbetrieben ähnlich hoch ist (rund 2/3 der Betriebe beschäftigen weniger als zehn Mitarbeitende). Einen deutlichen Unterschied kann man aber beim Anteil der Beschäftigten in Großunternehmen (ab 250 Mitarbeitenden) erkennen. Im Osten arbeiten circa 23%,. Im Westen sind es 30%. Zudem sind große Betriebe im Westen deutlich größer als große Betriebe im Osten. Daraus ergeben sich für den Export spezifische Nachteile. Studien zeigen, dass v.a. große Unternehmen überdurchschnittlich produktiv und eher in der Lage sind Auslandsmärkte zu erschließen. Sie können Skaleneffekte realisieren und haben durch eine oftmals bessere Kapitalausstattung die Möglichkeit, die hohen anfänglichen Fixkosten für den Export zu finanzieren. Ferner können große Unternehmen im Schnitt viel mehr in Forschung und Entwicklung investieren, was wesentlich ist für wettbewerbsfähige Produkte auf dem Weltmarkt. Zugleich verfügt die Industrie, als exportstärkste Branche, im Osten über ein geringeres Gewicht als im Westen (15% vs. 23% Anteil am BIP).

Bürokratische Anforderungen als Exporthemmnis

Genannt werden als weitere Herausforderungen für die hiesigen Unternehmen: Fehlende unternehmensinterne Expertise und fehlende Kenntnisse oder Informationen über den Auslandsmarkt. Hinzu kommen hohe bürokratischen Anforderungen. Wesentlich für den Weg ins Ausland sind außerdem Außenwirtschaftsförderungsangebote und die Finanzierungen für Auslandsgeschäfte von Seiten der Banken. 70 bzw. 80% der Befragten unseres TrendOst 2020 sehen diese Faktoren als sehr relevant für das Exportgeschäft an. Die Banken sind also auch im Auslandsgeschäft wichtige Partner des Mittelstandes. Erfreulich ist, dass man im TrendOst mit dem Angebot der beiden Unterstützungsmaßnahmen zufrieden war. Daraus kann abgeleitet werden, dass Finanzierungen von Seiten der Banken Wirkung zeigen. Zudem werden  die Außenwirtschaftsstrategien der Länder zielgerichteter, wobei Förderangebote durchaus noch konkreter sein könnten.

Nicht zuletzt hat nach der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise auch die Internationalisierungsfreude weltweit im Güterhandel an Dynamik eingebüßt. So kam, zu den wirtschaftlichen Folgen, auch ein kühleres politisches Umfeld hinzu, wie steigende Zölle, Handelskonflikte zwischen den USA und China, und der Brexit. Vermehrt wird von „Peak Globalisation“ im Warenhandel gesprochen; Wirtschafts- und Handelsverflechtungen hätten ihren Höhepunkt überschritten.

Und dann kam Corona

Corona verschärft Transformationsprozesse

Die Pandemie trat zu einer Zeit auf, in der der Welthandel bereits schwächelte und Ostdeutschland weiterhin mit (strukturellen) Herausforderungen zu kämpfen hatte. Die Krise und der damit einhergehende Einbruch der Wirtschaft in dieser Schnelligkeit hat einsetzende Transformationsprozesse nochmals deutlich verschärft.

Die Folgen zeigen sich im Branchenblick: Die Automobilindustrie beispielsweise, die in Ostdeutschland 2019 Ausfuhren im Wert von rund 22 Mrd. Euro generierte, u.a. 1/3 des Exports in Sachsen ausmacht und deren Produkte die wichtigsten Ausfuhrartikel Thüringens sind, hatte mit einbrechender Nachfrage oder Produktionstopps zu kämpfen. Aber auch im ostdeutschen Anlagen- und Maschinenbau wurde im Juli 2020 ein Auftragsrückgang aus dem Ausland um 30% verzeichnet. Es ist aber auch Positives zu vermelden. So konnte Mecklenburg-Vorpommern seine Exporte steigern; in der Ernährungsgüterwirtschaft wurde im 1. Halbjahr 2020 ein Plus von 36% verzeichnet.

Corona hat auch die Anfälligkeit internationaler Wertschöpfung drastisch aufgezeigt. In der momentanen Diskussion werden als Folge oft drei mögliche Szenarien bespielt: Diversifikation von Absatzmärkten und Lieferketten; Nearshoring, also eine stärkere Rolle regionaler Partner; und zuletzt die Rückholung ins eigene Land. Das erste Szenario würde den Grad an Globalisierung wenig beeinflussen, die letzten beiden sind zwar mit kürzeren Lieferketten und damit geringerer internationaler Abhängigkeit verbunden, aber verstärken auch das Risiko lokaler externer Schocks und führen auf lange Sicht zu einem geringeren weltweiten Produktivitätswachstum. Es stellt sich die Frage, wie die Industrien von heute mit der Welt von morgen mithalten können, was dies für die ostdeutschen Regionen bedeutet und ob sich hieraus nicht auch Chancen ergeben können.

Hoffnungsvoller Blick in die Zukunft

Stärkung des regelbasierten, freien Wettbewerbs als politischer Auftrag

Es steht außerfrage, dass die internationale Arbeitsteilung ein Garant für Wachstum und Wohlstand ist. Wirtschaftspolitisches Ziel sollte somit eine krisenfestere Ausgestaltung des Außenhandels sein. Vor allem der EU-Binnenmarkt, als unser gemeinsamer Wirtschaftsraum muss gestärkt werden, denn auch hier zeigte sich viel zu schnell, wie anfällig dieser ist und wie rapide, die (EU)-Länder in protektionistische Maßnahmen zurückfielen. Deutschland und Europa müssen die Rahmenbedingungen für einen regelbasierten freien Wettbewerb vorantreiben. So sollten bilaterale Handelsabkommen weiter forciert und die WTO gestärkt werden. Letztendlich ist es daher auch Aufgabe der Politik, die Vorteile und Chancen der internationalen Arbeitsteilung wieder stärker ins Bewusstsein der BürgerInnen und UnternehmerInnen zu rücken.

Gleichwohl sollte der Blick für zukünftige Handelspartner geschärft werden. Insbesondere die mittel- und osteuropäischen Länder gewinnen dabei an Bedeutung. Diese Einschätzung wird durch den TrendOst gestärkt (s. Grafik). Bereits 2019 gingen allein nach Polen und Tschechien 12% der Exporte. Die Vorteile der östlichen Nachbarstaaten liegen auf der Hand: Räumliche Nähe ist für den Schritt ins Ausland oftmals entscheidend, da hier geringere Transport- und Markterschließungskosten gerade kleineren Mittelständlern helfen. Nicht zuletzt erleichtern ähnliche wirtschaftliche, politische und kulturelle Rahmenbedingungen entsprechende Aktivitäten.

Mit Blick auf Zukunftsbranchen kann der Osten eine Vorreiterrolle einnehmen. Gerade für die Bereiche Biotech, IT- und Telekommunikation und Chemie werden noch größere Internationalisierungschancen gesehen (s. Grafik). Bereits bestehende Exzellenzcluster in diesen Bereichen helfen. Nicht zuletzt gehen die Förderung von Innovationen und Investitionen durch die verabschiedeten Konjunkturpakete in die richtige Richtung. Sie können nicht nur den Strukturwandel begleiten, sondern auch die Exportstärke des hiesigen Mittelstandes stärken.

Weiter bleibt die stete Verbesserung der Standortfaktoren, aber auch der Bürokratieabbau wichtig. Mittelfristig bedarf es aber eines organischen Unternehmenswachstums, so dass ein robuster Mittelstand entsteht, der die finanziellen Möglichkeiten und unternehmerische Expertise hat, erfolgreich den Schritt ins Ausland zu wagen.

Der Blick der privaten Banken

  • Ostdeutschlands Exportgeschäft ist in den letzten Jahrzehnten gewachsen. Zuletzt ging der Schwung der Globalisierung zurück. Die Pandemie zeigt die Fragilität einer international verflochtenen Wirtschaft auf.
  • Der Außenhandel bleibt Grundlage unseres Wohlstands. Unternehmen sind gefordert hier stärker zu werden. Außenhandelsstrategien der Landesregierungen müssen konkreter werden und es bedarf eines weiteren Abbaus bürokratischer Anforderungen.
  • Die Banken stehen an der Seite des Mittelstandes und unterstützen bei der Geschäftsabwicklung, Beratung in Möglichkeiten der Exportfinanzierung und einer sachkundigen Risikobewertung für die Auslandsmärkte.

Veröffentlicht am 08.10.2020