MITTELSTAND / WIRTSCHAFTSSTANDORT

Neuwahl: Start der Großen Koalition in Berlin

Berlin wagt eine Wiederauflage: Am 27. April 2023 trat der neue Senat sein Amt an — und zwar als Große Koalition (CDU und SPD) unter Führung der CDU. Amtsvorgängerin Franziska Giffey tritt in die zweite Reihe. Sie wird eine von fünf SPD-Senator/innen. Die CDU verantwortet bis zum Ende der Legislatur 2026 neben dem Amt des Regierenden Bürgermeisters ebenfalls fünf Bereiche.

Der bislang von Union und SPD genannte Prioritäten-Dreiklang „Verwaltungsreform, Wohnungsbau, Bildung“ ist aus Sicht der Wirtschaft klug gewählt. Bohrt man im Koalitionsvertrag etwas tiefer, dann lassen sich einige Projekte und Vorhaben finden, die positiv auf die Wirtschaftsentwicklung des Landes Berlin wirken werden.

Klimaschutz: Dieser soll Staatsziel in der Berliner Verfassung werden. Neben dieser eher symbolischen Geste geht es der neuen Koalition konkret darum, die Förderung der Wärmewende und energetischen Gebäudesanierung voranzutreiben, u.a. mittels Erstellung einer „Worst performing building“-Datenbank – ein begrüßenswerter Ansatz. Schließlich wählt nun auch Berlin den Finanzierungsweg über ein Sondervermögen (5 Mrd. Euro für den Klimaschutz).

Wirtschaft: Die gemeinsame Innovations- und Clusterstrategie wird überprüft und ggfs. durch einen clusterübergreifenden Fokus Kreislaufwirtschaft ergänzt. Zudem soll die Zusammenarbeit Hochschule-Wirtschaft in Innovationsnetzwerken intensiviert werden. Hierfür plant der neue Senat die Gründung eines KMU-Büros. Berlin soll weiterhin zu einem international relevanten Zentrum für technologiezentrierte Startups werden. Dazu plant man ein Zentrum für Künstliche Intelligenz und man will die (vom OstBV flankierte) Berlin Finance Initiative dabei unterstützen, ein House of Finance and Tech in Berlin zu etablieren. Schließlich beabsichtigt der CDU-SPD-Senat den Zugang zu Fördermitteln so einfach wie möglich zu gestalten und dabei künftig einen kalkulatorischen Unternehmerlohn für Selbständige zu berücksichtigen. Gerade Letzteres macht angesichts der Unternehmensstruktur Berlins Sinn.

Arbeit: Landes- und Vergabemindestlohn bleiben erhalten und werden dynamisch angepasst (max. 1,50 Euro über bundeseinheitlichen Mindestlohn). Die Meisterfortbildung wird kostenfrei gestellt und das Bündnis für Ausbildung soll bis zum 30. April 2025 dauerhaft mind. 2.000 zusätzliche betriebliche Ausbildungsplätze schaffen, wenn nicht, wird eine Ausbildungsplatzabgabe beschlossen. Ob dies wirklich zielführend ist, ist eher zu bezweifeln.

Bauen/Wohnen: Auch Schwarz-Rot bleibt ambitioniert und will im Schnitt bis zu 20.000 neue Wohnungen pro Jahr bauen (ca. 6.500 Wohneinheiten pro Jahr durch die landeseigenen Wohnungsgesellschaften), davon bis zu 5.000 Sozialwohnungen . Mit einem Vergesellschaftungsrahmengesetz für Geschäftsfelder der Daseinsvorsorge inkl. Grundsätzen der jeweils erforderlichen angemessenen Entschädigung will der Senat für den Fall vorbauen, dass die nach dem Enteignungs-Volksentscheid eingesetzte Expertenkommission eine verfassungskonforme Vergesellschaftungsempfehlung abgibt.

Haushalt: CDU und SPD haben sich zum Ziel gesetzt, bis spätestens zum Doppelhaushalt 2028/29 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt zu verabschieden. Zudem soll die Grundsteuer aufkommensneutral erhoben und die Situation im Ostteil  besonders gewürdigt werden (Prüfung von Freibeträgen auf den Grundsteuermessbetrag und der höheren Besteuerung unbebauter, baureifer Grundstücke). Wenn dies so umgesetzt wird, profitieren (auch) Unternehmer/innen von Planungssicherheit in Sachen neue Grundsteuer.

Verwaltung: Bei Genehmigungsprozessen ist die Möglichkeit sogenannter Genehmigungsfiktionen enthalten, also bestimmte Verfahrensschritte nachholen und so vorzeitig Genehmigungen erteilen zu können. Weiterhin gehören zur angestrebten Verwaltungsreform die Orientierung der Verwaltungsverfahren an der One-in–One-out-Regel (neue Bürokratie nur gegen Beseitigung bestehender Regeln und Vorschriften) und ein vollständig medienbruchfreier Verwaltungsprozess Die auf dem Tisch liegende Verwaltungsreform ist möglichst zeitnah umzusetzen, da dies die politische Großbaustelle Berlins ist.

Der Blick der privaten Banken

Aus Sicht der privaten Banken verdienen folgende Punkte in der Politikumsetzung Priorität:

  • Fachkräfte und Unternehmertum: Gut ausgebildete Menschen mit ihren Ideen sind der Faktor auf den der Erfolg von Berlins Wirtschaft beruht. Fachkräfte hier auszubilden oder von außen anzuziehen, ist daher von essenzieller Bedeutung. Hierfür müssen die Rahmenbedingungen stimmen bzw. verbessert werden, Stichworte: gute Bildung, bezahlbares Wohnen, verständliche Bürokratie und gelungene Expats-Betreuung. Ebenfalls gilt es Gründende und Nachfolgende in den Blick zu nehmen. Gründungs- und Nachfolgeförderung verdient daher besonderes Augenmerk.
  • Klarer Fokus auf Wirtschaft: Der Koalitionsvertrag enthält eine enorme Menge an Vorhaben, Projekten, Prüfaufträgen. In der konkreten Arbeit ist der CDU-SPD-Senat gefordert, die Ressourcen an den richtigen Stellen einzusetzen. Wirtschaft muss eine Top-Priorität im Regierungsprogramm erhalten und im Dialog mit Unternehmen und Verbänden gilt es, Entwicklungspotenziale zu heben. Berlins Image bei Zukunftsthemen wie der Digitalisierung bietet Top-Möglichkeiten, zur Wirtschaftsmetropole 4.0 zu avancieren.
  • Start-up-Agenda: Der Senat sollte die natürliche Dynamik der Start-up-Szene auch auf höchster Politikebene weiter flankieren. Gerade die FinTechs haben zusammen mit dem traditionellen Finanzsektor und der Technologiebranche das Potenzial, Berlins Rolle als innovativen europäischen Standort weiter auszubauen. Das entstehende House of Finance & Tech als physischer Ort ist hierzu ein wichtiger Schritt.
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