MITTELSTAND / WIRTSCHAFTSSTANDORT

Expert/innen-Befragung: Ostdeutschland - Standort unter Druck?

Die hiesige Wirtschaft sah sich auch 2023 mit herausfordernden Umständen konfrontiert. Stark gestiegene Energiepreise und eine (zunächst) auf hohem Niveau stagnierende Inflation endeten in einer wirtschaftlichen Rezession. Zugleich sind die Aussichten für 2024 verhalten. Wie wirkt sich dies auf Investitionen und Finanzierung der Unternehmen aus? Welche Rolle spielen Zukunftsthemen in der Geschäftsstrategie des Mittelstandes?

Rund um diese Fragestellungen hat der OstBV auch in diesem Jahr wieder eine Umfrage durchgeführt. Es ist der fünfte TrendOst in Folge. Gezielt wurden diesmal Expert/innen aus den Mitgliedsbanken des Verbandes befragt. Geantwortet haben 66 Personen, die Geschäfts- und Firmenkunden in ganz Ostdeutschland betreuen.

PROBLEMATISCHE INVESTITIONSZURÜCKHALTUNG

Wie durch Befragungen z.B. der Kammern und Wirtschaftsverbände bestätigt, hat die Unsicherheit bei den Unternehmen deutlich zugenommen. Eine Folge dessen: es wird zu wenig investiert. Auch die Banken, als wichtige Partner des hiesigen Mittelstandes, bestätigen dies – ganze 80% sehen eine fallende Investitionstätigkeit (s. Grafik 1). Bei den getätigten Maßnahmen stehen zudem oftmals Ersatzmotive im Vordergrund (s. Grafik 2). Angesichts der massiven Investitionsbedarfe für die Transformation ein eher ernüchterndes Bild und langfristig nachteilig für den Standort.

Umso wichtiger wären für die Unternehmen unterstützende Rahmenbedingungen am Standort. Danach gefragt, wie diese hierzulande zu bewerten sind (von sehr schlecht bis sehr gut), entschieden sich zwei Drittel der Antwortenden für eine neutrale Positionierung (15% für schlecht / 19% für gut). Angesichts der erheblichen Herausforderungen für die Unternehmen besteht also noch Optimierungsbedarf — Potenziale lägen etwa in weniger Bürokratie, einer digitaleren Verwaltung, einer leistungsfähigeren Infrastruktur oder einer verlässlicheren Energieversorgung.

Finanzierungsinstrumente – Mix entscheidend

Bei der Frage, wie die Investitionen hauptsächlich finanziert werden, spielt der Dreiklang von Eigenmitteln der Unternehmen (92% gemessen an Antwortenden), Bankkrediten (80%) sowie Fördermitteln (79%) die zentrale Rolle. Beteiligungskapital fällt demgegenüber in der Bedeutung ab (11%).

Betrachtet man die Kreditnachfrage für sich allein, so bleibt diese gemäß den Zahlen der Bundesbank weiterhin schwach und liegt bei den Zuwächsen unter den mehrjährigen Vergleichswerten (s. hierzu auch den BANKENBLICK Juli 2023). Das Angebot auf Bankenseite ist dabei zuverlässig verfügbar — es besteht ein hohes Interesse der Finanziers, gerade bei der Transformation, die Firmen- und Geschäftskunden zu begleiten. Aber auch die Kreditvergabe kann nicht losgelöst von der allgemeinen Situation betrachtet werden. Insofern spiegeln sich derzeit die insgesamt höheren Risiken (Stichworte: konjunkturelle Situation, Verschlechterung in den Unternehmensbilanzen) naturgemäß in den im Jahresvergleich gestiegenen Kreditanforderungen wider (s. Grafik 3). Auch die Zinswende dürfte bei den Unternehmen sukzessive ankommen.

In Bezug auf einzelne Förderinstrumente sahen die antwortenden Banker/innen für Zuschüsse und Förderdarlehen (s. Grafik 4) einen steigenden Bedarf. In abgeschwächter Form trifft dies auch auf Bürgschaften zu. Eigenkapitalähnliche bzw. -entlastende Programme in Form von Beteiligungen sowie Mezzanine-Programme und Nachrangkapital verzeichnen (aktuell) keinen Bedeutungsgewinn.

NACHHALTIGKEIT: ABWARTENDE HALTUNG ÜBERWINDEN

Deutschlands Wirtschaft und damit auch die ostdeutschen Unternehmen stehen vor einem massiven Umbau. Die Transformation gerade in Richtung Nachhaltigkeit ist eine der zentralen Weichenstellungen für den Standort. Gefragt danach, inwiefern dieser Prozess bereits heute eine entscheidende Rolle in der Geschäftsstrategie der Unternehmen spielt, entschied sich nicht ganz die Hälfte der Banker/innen für eine „neutrale“ Einschätzung (s. Grafik 5). Immerhin gut ein Viertel erkennt auch eine höhere Priorität bei den Kunden. Somit zeigt sich in Summe eine differenzierte Wahrnehmung — einige Unternehmen gehen vor, einige dürften ablehnend eingestellt sein und die Mehrzahl wartet die Entwicklungen wohl eher ab.

Vereinzelt wurden auch Angaben zu den Gründen für eine stärkere Verankerung von Nachhaltigkeit in der Geschäftsstrategie der Unternehmen gemacht. Hier sehen die Antwortenden nach ihren Erfahrungen vor allem in einem geringeren Ressourcenverbrauch ein wesentliches Argument — sei es bei der Energienutzung oder dem Rohstoff-einsatz. Auch die generelle Ausrichtung der Geschäftspolitik sowie die Bindung von Kund/innen sind für die Unternehmen wichtig. Stärker differenziert fiel das Urteil in Hinblick auf die Fachkräftegewinnung aus — zumindest ein Teil der Unternehmen scheinen eine nachhaltige Ausrichtung auch aus diesem Grund voranzutreiben. Angesichts einer veränderten Erwartungshaltung gerade von jüngeren Menschen ein sicherlich nicht zu unterschätzender Faktor. Und nicht zuletzt wurde auch die Regulatorik als auslösendes Moment benannt.

AUSSENHANDEL: EU MUSS WIEDER ATTRAKTIVER WERDEN

In Ostdeutschland waren die Unternehmen seit jeher im Mittel weniger exportorientiert als in Gesamtdeutschland. Das hat sich auch 2023 nicht verändert. Fragt man die Banker/innen, ob ihre Unternehmenskunden im Außenhandel tätig sind, so gibt es durchaus „Luft nach Oben“: Aus Sicht von rund 37% der Antwortenden sind ihre Unternehmenskunden viel bzw. sehr viel im Auslandsgeschäft tätig, genauso viele sagen aber wenig bis überhaupt nicht (35%). Neben geringeren personellen und finanziellen Ressourcen in den hiesigen KMUs, dürften derzeit die konjunkturellen und strukturellen Herausforderungen den Aufbau internationaler Geschäftsbeziehungen erschweren.

Geschäftsperspektiven für die USA steige

Fragt man nach den Aussichten, setzt sich der positive Trend für die USA aus der Befragung im vergangenen Jahr fort: Rund 77% der antwortenden Banker/innen bewerteten die Geschäftsperspektiven für die Vereinigten Staaten gut bzw. sehr gut (s. Grafik 6 auf S. 3). Damit liegt das Land noch vor der EU (41%) bzw. dem restlichen Europa (31%) – den traditionellen Hauptabsatzmärkten (ost-)deutscher Unternehmen. Darüber hinaus gewinnt Asien/Pazifik (ohne China) weiter an Bedeutung. 39% beurteilten die dortigen Geschäftsmöglichkeiten für die kommenden fünf Jahre als gut bzw. sehr gut. China fällt demgegenüber etwas ab (31%), bleibt aber dennoch in den Top 5.

Dass die USA so positiv bewertet wurde, kann man sicherlich zu großen Teilen dem Inflation Reduction (IRA) zuschreiben, der eine enorme Sogwirkung entfaltet hat — etwas Vergleichbares vermisst man hierzulande schmerzlich.

Allerdings sahen nur 39% der regionalen Bankvertreter/innen eine Bedeutung des IRA für ihre Kunden – fast ein Drittel dagegen nicht. Das liegt wahrscheinlich auch an der mittelständisch geprägten Unternehmensstruktur, die eher näherliegende Märkte bedient. Sofern die Banker/innen einen Einfluss konstatierten, rechneten sie zu 89% mit Investitionsverlagerungen in die USA und fürchteten mit 69% um Wettbewerbsnachteile an Standorten außerhalb der Staaten (s. Grafik 7).

Fazit des TrendOst

  • Ostdeutschlands Unternehmen sind mit herausfordernden Zeiten konfrontiert. Die Unsicherheit steigt und es wird zu wenig bzw. vorrangig in Ersatz investiert. Insgesamt kein gutes Zeichen für den Standort.
  • Die Banken bleiben wichtige und zuverlässige Partner für die hiesigen Unternehmen. Die veränderte Risikolage spiegelt sich naturgemäß in den veränderten Kreditanforderungen wider.
  • Transformation ist ein Zukunftsthema — wenngleich es oftmals noch nicht im Mittelpunkt der Geschäftsstrategien steht. Hier braucht es noch Überzeugungskraft und verlässlichere Entscheidungen/Vorgaben.
  • Die Sogwirkung des Inflation Reduction Acts der USA zeigt sich vereinzelt, trifft betrifft aber konkret nur eine Minderheit hiesiger Unternehmen. Dennoch muss die Attraktivität (Ost-)Deutschlands als Investitionsstandort erhalten bleiben bzw. neu gestärkt werden.
  • „Politik“ kann konjunktureller Verunsicherung nur in Teilen entgegenwirken, aber an besseren Rahmenbedingungen arbeiten sowie haushaltärische Sicherheit und wirksame Investitionsanreize geben.

Veröffentlichung: 20. Dezember 2023

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