MITTELSTAND / WIRTSCHAFTSSTANDORT

Wirtschaftsstandort Ostdeutschland nach der Corona-Pandemie

Hierzulande rückt die akute Corona-Krisenbekämpfung durch sich einstellende Impferfolge, stärkere Lockerungen sowie der Aussicht auch auf eine wirtschaftliche Erholung zunehmend in den Hintergrund. Dafür kommen langfristige Herausforderungen wieder in den Blick. Zugleich bedarf es eines wirtschaftspolitischen Konzeptes, dass die Unternehmen bei der Transformation stärker unterstützt und die Zukunft des Landes sichert.

Rund um diese Aufgabenstellung hat der Ostdeutsche Bankenverband gemeinsam mit dem Magazin „Wirtschaft+Markt“ erneut eine Umfrage unter Expert/innen aus Unternehmen, Verbänden und Kammern sowie Politik durchgeführt. Geantwortet haben 187 Personen, die zu 97% aus den Regionen Ostdeutschlands kamen.

STANDORTNOTE: „VOLLBEFRIEDIGEND“ – VERBESSERUNG NÖTIG

Die Pandemie fordert die Menschen und den Wirtschaftsstandort nunmehr schon seit Anfang 2020. Die Auswirkungen auch auf die ostdeutschen Unternehmen werden als überwiegend negativ empfunden, vor allem die Belastungen bei den Lieferbeziehungen und für die Liquiditätssituation.

Umso wichtiger ist, dass die Wirtschaft insgesamt wieder durchstarten kann. Dazu braucht es u.a. optimaler Standortbedingungen. Hiernach gefragt, vergeben die Umfrageteilnehmer/innen in der Gesamtbewertung weiterhin ein „vollbefriedigend“. Insgesamt kann „der Osten“ also noch besser werden. Zugleich fällt bei der Wahrnehmung einzelner Faktoren das Zeugnis durchwachsen aus. Ausreichend Fläche, ein nennenswertes Bildungs- und Kulturangebot, eine engagierte Wirtschaftsförderung und eine gute Verkehrsinfrastruktur gehören zur Habenseite. Schlechter bewertet werden dagegen die Breitbandanbindung — allerdings mit Verbesserungen gegenüber den Vorjahren — sowie der Zugang zu Fachkräften und die Verwaltung. Ferner werden das Image der Region sowie die Politik in einer ausgesprochenen Spannbreite bewertet.

Auftrag für die Landes- und Bundespolitik: „Standortfaktoren verbessern – Potentiale unterstützen“

Die schlechter bewerteten Rahmenbedingungen finden sich spiegelbildlich in den möglichen Strategien zur Stärkung der Region wieder. Gegenüber der Vor-Befragung 2019 ergeben sich Verschiebungen nur im Detail. Weiter werden als zentrale Anliegen alle Ideen gesehen, die Fachkräfte und Innovation in den Mittelpunkt stellen — ebenfalls notwendig: Bürokratieabbau. Steuersenkung genießt dagegen keine Priorität. Freitext-Eingaben bezogen sich u.a. auf die Herausarbeitung von regionalen Alleinstellungsmerkmalen, eine stärkere Dienstleistungsmentalität, Weltoffenheit sowie politische Stabilität und Verlässlichkeit.

EXPORT: DIFFERENZIERTER BLICK AUF GESCHEHEN UND MÄRKTE

Eine höhere Exportorientierung erschien zu Anfang der Pandemie vermeintlich als Fluch, hat sich zuletzt aber – zumindest für die Industrie – eher als Segen erwiesen. Die direkte Einbindung der Ost-Unternehmen in die globalen Handelsströme bleibt dabei im Schnitt schwächer als diejenige der West-Unternehmen. Auch die Bewertung der Antwortenden zeigt, da ist noch Luft nach oben.

Auslandsgeschäft insgesamt gut angelaufen — Gute Chancen warten vor allem vor der Haustür

Für die Zukunft bleibt es für viele Unternehmen notwendig und ratsam, sich Chancen auf Auslandsmärkten zu erschließen. Handelskonflikte und das Bemühen um eine stärkere Resilienz von Wertschöpfungsketten dürften dabei auch bei exportorientierten Unternehmen den Blick für weitere potenzielle Märkte schärfen. Nach überwiegender Meinung der Antwortenden gibt es in der direkten Nachbarschaft gute Aussichten für das Hier und Jetzt sowie auch in Zukunft (acht von zehn schätzen die Lage in Europa bereits derzeit als gut bzw. sehr gut ein / fast neun sehen eine weitere Verbesserung in den nächsten fünf Jahren). China hat die Pandemie bisher gut bewältigt und beeindruckt durch ein hohes Wirtschaftswachstum. Entsprechend geben gut 60 Prozent eine mindestens gute Lageeinschätzung ab. Allerdings erwarten nur ca. 40 Prozent künftig eine Verbesserung — in etwa genauso viele denken an eine Verschlechterung. Dies dürfte Ausdruck wachsender Investitionsunsicherheit und zunehmender (handels)politischer Konfrontationen sein. Andersherum zeichnet sich das Bild zu den USA: 40 Prozent heute versus 70 Prozent künftig. Bidens größere Kompromissbereitschaft und sicherlich auch die avisierten Konjunkturmilliarden befeuern hier den Optimismus. Auch für den asiatisch-pazifischen Raum rechnet die Mehrheit der Teilnehmer/innen mit einer Stärkung der Geschäftsperspektiven. Deutlich abgeschwächt gilt dies auch für Afrika. Insgesamt zeigt sich damit, dass sich ein — sicherlich nochmals deutlich detaillierterer — Blick in die Weltregionen lohnt.

TRANSFORMATION BEDARF WIRKSAMER UNTERSTÜTZUNG

Die Erfüllung strengerer sozialer und ökologischer Standards ist ein Auftrag an die Unternehmen, den diese selbstbestimmt annehmen. In Bezug auf die Folgen, ist der Blick optimistischer als oftmals angenommen. Ein Drittel schätzt, dass es hierdurch mehr Arbeitsplätze in den hiesigen Unternehmen geben wird – gut die Hälfte erwartet zumindest keinen Stellenabbau.

Gesetzesvorhaben beeinflusst Geschäftstätigkeit

Jüngst hat der Bundestag das sogenannte Lieferkettengesetz beschlossen. Gestärkt werden soll damit die Verantwortung für die Achtung der Menschenrechte entlang der Lieferkette. Schon jetzt wird deutlich: Die Befragten gehen von einer merklichen Anpassung der Geschäftstätigkeit in den Unternehmen aus.

Weichen zur Transformation „richtig“ stellen

Nachhaltigkeit und Digitalisierung gewinnen stetig an Bedeutung und verändern Geschäftsmodelle: Die Transformation der Wirtschaft ist im vollen Gange. Gerade kleinere Unternehmen können und sollten hier unterstützt werden. In Bezug auf die stärkere Implementierung von ESG-Kriterien (= Umwelt, Soziales, Unternehmensführung) in der unternehmerischen Praxis erscheint den Antwortenden ein intensiverer Wissenstransfer, eine gezielte Anreiz-Setzung sowie Informationen/Dialog besonders relevant.

Zugleich ist das Bemühen etwa um mehr Nachhaltigkeit auch mit erheblichen Investitionen für die Unternehmen verbunden, die diese nicht ausschließlich aus Eigenmitteln erbringen können. Wo aus Kapazitäts- und Risikogründen Banken und Kapitalmarkt Projekte nicht 1:1 begleiten können, wird eine zeitlich begrenzte Förderung notwendig. Hier könnte eine Entbürokratisierung (primär: Flexibilisierung EU-Beihilferegime sowie Entschlackung der Förderinstrumente/-verfahren) entscheidende Weichen stellen, um Unterstützung zielgerichteter zu ermöglichen. Flankiert werden sollte dies durch Stärkung des Eigenkapitals in jedwede Richtung (staatlich, privat sowie in Partnerschaft beider).

Fazit des TrendOst

  • Zeugnis für den Wirtschaftsstandort bleibt durchwachsen und kommt ohne Überraschungen aus. Menschen gut auszubilden, hier zu halten oder zum Kommen anzuregen, ist zentrale Aufgabe für alle regionalen Akteure.
  • Exportaktivitäten tragen einen wesentlichen Teil auch der ostdeutschen Wirtschaft. Unternehmen sollten neue Märkte im Blick halten, in Asien z.B. über China hinaus.
  • Transformation ist Zukunftsthema. Entbürokratisierung und Wissensvermittlung sind zur Unterstützung nötig.
  • Der Wirtschaftsstandort muss besser werden, auch wenn Corona viel Kraft fordert. Optimierung der Rahmenbedingungen bleibt also auf dem Aufgabenzettel von Landes- und (der ab September neuen) Bundespolitik.

Veröffentlichung: 24. Juni 2021

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