Dr. Isabell Claus, Gründerin thinkers.ai (Fotografin Nicole Stessl)
MITTELSTAND / BRANCHEN

Wer sucht, soll finden

Gründerin Isabell Claus attackiert mit einer neuen Suchmaschine für Unternehmen die Google-Vorherrschaft. Der Osten Deutschlands hilft thinkers.ai bei dieser mutigen Entwicklung.

Bankkauffrau und promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin, Stationen an der Bayerischen Börse, bei DaimlerCrysler und bei Merrill Lynch in New York, dann Mit-Aufbau des Cybersecurity-Startups RadarServices: Mit gerade mal 39 Jahren hat Isabell Claus in ihrer Karriere schon viel gesucht und gefunden. Jetzt lässt sie ihre Energie in ein neues Projekt münden, das der weltweiten Google-Vorherrschaft den Kampf ansagt: thinkers.ai heißt ihr jüngstes Kind, eine Suchmaschine mit Unterstützung von Künstlicher Intelligenz, die Unternehmen helfen soll, relevante Informationen über Marktteilnehmer, Kundenbedürfnisse, Medien- und Branchendaten, über neue Technologien und Trends nicht langwierig zu suchen – sondern auch in kürzester Zeit zu finden.

„Studien zeigen, dass Mitarbeiter in Unternehmen täglich zwei Stunden im Internet nach relevanten Informationen recherchieren“, sagt Claus. Das bedeutet umgerechnet auf einen Acht-Stunden-Tag, das jeder Vierte gerade im Netz surft, statt produktiv tätig zu sein. Der Grund: Ein werbefinanzierter Suchgigant wie Google versuche, seine Nutzer so lange wie möglich bei der Stange zu halten und auf Werbung zu leiten. Thinkers.ai dagegen nutzt Machine-Learning und Text-Mining, um Texte und Kontexte im Netz schnell zu analysieren und Suchergebnisse durch eine individuelle Anlernphase viel besser vorzuqualifizieren als es eine Keyword-Suchmaschine kann.

Zum Team am Hauptsitz in Wien gehören daher vor allem Data-Scientists. Zudem verfolge thinkers.ai ein anderes Geschäftsmodell: „Bei uns zahlt der Kunde für das Suchen und bekommt nur für ihn relevante Ergebnisse.“ Denn thinkers.ai liefere dem Kunden keine Standardlösung von der Stange, sondern vorkonfigurierte und angelernte Tools, die die Themen der Branchen und Kunden bereits kennen und vom Nutzer verfeinert werden. Gemessen an der neuen Transparenz des Marktumfeldes und den Ressourcen, die Führungskräfte bei der Recherche mit thinkers.ai sparen, würden nur überschaubare Kosten anfallen, sagt Claus. Ein Dutzend Projekte in den Bereichen Energie, Industrie, Banking, Pharma und Politik habe sie wenige Monate nach der Gründung bereits – auch in Berlin.

Während Künstliche Intelligenz in der Regel aus riesengroßen Datenmengen ihre Schlussfolgerungen zieht, liegt der Schlüssel für thinkers.ai in kleinen Schnittmengen: „Wir können schon mit einem kleinen Pool von Informationen schnell ein Verständnis eines Themas entwickeln und damit einen sehr guten Output bieten“, sagt Claus. „Das unterscheidet unsere Software von anderen.“ Wenn ihr neues Projekt im Businessbereich erfolgreich ausgerollt ist, will sie daraus auch ein massentaugliches Angebot entwickeln. Google dürfte die Entwicklung aufmerksam verfolgen.

Der Osten Deutschlands ist für Isabell Claus, die Familienbande in Sachsen hat und deren Mutter Dienstleistungsunternehmen in der Region Dresden betrieb, ein besonders wichtiger Treiber der Entwicklung. „Wir arbeiten mit interessanten Partnern in Leipzig, Dresden und Jena zusammen“, erzählt sie. „Und wir bekommen viel Support aus der Berliner Politik.“ Auch für ein geplantes europäisches Projekt mit KI-spezialisierten Institutionen, gebe es gute Ansatzpunkte in Berlin und Ostdeutschland. Dazu zählen das „Berlin Institute for the Foundations of Learning and Data“ als Leuchtturm der KI-Spitzenforschung sowie das Mittelstand-4.0-Kompetenzzentrum in Magdeburg, das als Erstes im Osten KI und maschinelles Lernen mit aufgebaut hat. Thinkers.ai hätte bereits ein Büro in Berlin, wenn Corona nicht dazwischengekommen wäre.

„Jahrelang hat sich Europa ohnmächtig gegenüber der amerikanischen Übermacht bei Suchmaschinen verhalten“, sagt Isabell Claus. „Heute sind wir von diesem Schlüsselbereich abgeschnitten.“ Daher müsse Europa dringend beginnen, die strategisch wertvollen Daten den Unternehmen zugänglich zu machen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Krise, dem europäischen Investitionswillen bei der Digitalisierung und dem wachsenden Bewusstsein für die US-Technologieabhängigkeit würden nun auch in Berlin viele Türen aufgehen, erzählt Claus. „Diese Phase könnte ein Durchbruch sein für die neue Entwicklung der europäischen Suchmaschinen-Technologie.“

Interview und redaktionelle Bearbeitung durch: Sven Heitkamp | Freier Journalist | Leipzig
(Bildquellen Porträt-Fotos: thinkers.ai)

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