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#Klartext

Digitale Fitness braucht freie Bahn für Unternehmen

Berlin ist Hauptstadt – nicht nur von Deutschland, sondern ebenso was die Startup-Zahlen anbelangt. Mit nahezu 3.000 Startups (laut jüngsten Erhebungen) vereinigte die Spreemetropole 2024 fast ein Drittel aller deutschen Gründungen sowie gleichfalls ein Drittel des hierzulande investierten Risikokapitals auf sich. Der Zweitplatzierte München folgt mit gehörigem Abstand.

Abstand macht sich aber auch für jemand anderen bemerkbar, zieht man das Bild etwas größer – und zwar für Deutschland als Ganzes. Zahlen, die sich im heimischen Ranking gerade noch imposant ausgenommen haben, reichen auf internationaler Ebene für das Mittelfeld. Digitale Wettbewerbsfähigkeit? Deutschland landet nur knapp unter den Top 20 der entwickelten Länder. Vorneweg laufen Singapur, die USA oder China.

Das Gleiche gilt für Wagniskapital, dem Treibstoff für Startups. Trotz ordentlicher Digitalperformance von z.B. Schweden, der Schweiz oder Estland kann Europa lediglich ein Sechstel der internationalen Venture Capital-Ströme anziehen. Eher deprimierend fällt der VC-Vergleich zwischen den USA und Deutschland aus: Der US-Markt ist um fast den Faktor 10 größer – bereits bereinigt um das BIP und damit die ökonomische Leistungsfähigkeit.

Deutschland gehört überdies zu denjenigen Volkswirtschaften in Europa, deren bestehende Unternehmen noch zur Hälfte eine Digitalisierungsintensität auf niedrigem oder eher niedrigem Niveau aufweisen, wie die EU-Kommission in ihrem Digitalisierungsreport 2024 aufzeigt.

Es gibt bei dem Thema viel zu tun – also packt es die Bundesregierung an. Fokus der Förderansätze des Bundes ist die Wachstumsfinanzierung und damit die Unterstützung für die Phasen, in denen aus einem Startup ein stabil Umsätze generierendes Unternehmen wird – wünschenswerterweise ein sogenanntes Unicorn, wenn man so will ein Firmen-Juwel mit einer Marktkapitalisierung von über einer Milliarde US-Dollar.

Zwei Förderschemata aus dem Hause von Katherina Reiche sind besonders erfolgreich: Der von der KfW aufgelegte Wachstumsfonds Deutschland, ein Dachfonds mit einem aktuellen Volumen von mehr als einer Milliarde Euro. Zweitens die Initiative Wachstums- und Innovationskapital für Deutschland (WIN-Initiative). Sie ist ein Bündnis von Wirtschaft, Verbänden, Politik und wiederum der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Die teilnehmenden Unternehmen haben ein Venture Capital-Volumen von 12 Mrd. Euro bis 2030 zugesagt. Das Bundeswirtschaftsministerium hat aktuell einen Dialogprozess mit den Vertretern der Finanzbranche sowie der Startup- und Venture Capital-Welt angestoßen, um die existierenden Förder-Instrumente noch effektiver zu machen und das Reifen von Startups zu beschleunigen. Die privaten Banken werden ihre Expertise einbringen.

Gerade für eine Exportnation wie Deutschland ist ein wirksamer Förderrahmen unabdingbar, denn das private Finanzierungsengagement ist – siehe oben – deutlich schwächer als bei globalen Wettbewerbern. Das wird angesichts des folgenden Faktums noch viel deutlicher: Die Digitalisierung von Exporten ist bereits heute einer der Hauptwachstumstreiber. Nach Zahlen des Hertie Centre for Digital Governance wuchsen digitale Exporte zwischen 2005 und 2022 mit einer durchschnittlichen jährlichen Rate von über acht Prozent. Deutschlands Higtech-Handel nahm seit der Finanzkrise um 63 Prozent zu – jener der Eurozone allerdings um fast das Doppelte.

Natürlich werden traditionelle Exportgüter Made in Germany auch künftig auf den Weltmärkten nachgefragt. Nur stellt sich die Frage, wer bei deren notwendiger digitaler Transformation im Cockpit sitzt. Im schlimmsten aller Fälle werden aus den Weltmarktführen von heute die reinen Hardware-Zulieferer von morgen.

In dieser Hinsicht die deutsche Wirtschaft in vollem Umfang fit zu machen, übersteigt die Möglichkeiten jeder Förderfinanzierung. Was es braucht, ist unternehmerische Stärke aus sich selbst heraus und damit eine Wirtschaftspolitik, die dies flankiert. Keine KI-Schmiede, kein Big Data-Anbieter, kein Hightech-Rechenzentrum reagieren auf einen Wink mit dem Fördermittelbescheid. Digitale Unternehmen wachsen auf dem Boden von günstigem Strom, klugen Köpfen und einem Umfeld, das unternehmerischen Erfolg wertschätzt und belohnt. Und digitale Produkte sind so mobil, dass jeder Gedanke an nationale Sonderwege absurd ist. Für das Arbeitsprogramm von Schwarz-Rot nach der Sommerpause sind damit die Leitplanken gesteckt. Gute Förderinstrumente sind dann das Tüpfelchen auf dem i.

Achim Oelgarth
Geschäftsführender Vorstand
Ostdeutscher Bankenverband

Veröffentlicht: 4. September 2025

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