Skip links

#Klartext

Guter Vorsatz für 2023: Politik-Spirit und Unternehmer/innen-Spirit müssen Hand in Hand gehen

2023 ist angebrochen. Ein neues Jahr, neue zwölf Monate und damit neue 52 Wochen sowie neue 365 Tage. Diese Aufzählung ließe sich fortsetzen mit Stunden, Minuten, Sekunden usw. Das alles sind Zeitspannen, die dem Menschen dazu dienen, das Phänomen Zeit quantitativ zu fassen. Und Zeitspannen brauchen ihrem Wesen nach stets einen Anfangspunkt. In unserem (westlichen) Fall ist das die Geburt von Jesus Christus.

Man kann aber der gerade angebrochenen Zeitspanne statt der Zahl 2023 auch die Zahl 1 zuordnen. Wir haben dann das Jahr 1 nach der von Bundeskanzler Olaf Scholz postulierten „Zeitenwende“. Dieser Begriff ist – das dürfte jeder aus eigener Anschauung zur Genüge bestätigen können – nicht nur ein enorm gebrauchtes Wort (Trefferanzahl bei Google fast 6 Millionen, Wort des Jahres 2022), sondern erfordert dringend, dass aus den von ihm beschriebenen Tatsachen Konsequenzen folgen.

Da der Beginn eines Jahres mit den sprichwörtlichen „Guten Vorsätzen“ verbunden ist, lohnt es sich also zu schauen, wo Ärmelhochkrempeln und Zur-Tat-Schreiten wirklich gebraucht werden, um die Zeitenwende politisch mit Leben zu füllen. Mein Favorit heißt: Wirtschaftspolitik sollte im Einklang mit Unternehmer/innen-Spirit marschieren.

Wenn man etwas in der laufenden Wirtschaftspolitik wirklich brauchen kann, dann das Verständnis für unternehmerische Entscheidungsprozesse, Entscheidungskriterien und Entscheidungshorizonte. Was wir tatsächlich beobachten ist oft das Gegenteil. Ein erfolgreicher Mittelständler aus Sachsen-Anhalt hat unlängst an den OstBV geschrieben: „Die wachsende Bürokratie ist erdrückend. Statt sich um die Zukunft zu kümmern, schlägt sich der Mittelständler mit ca. 100.000 Gesetzen rum.“ Seit dem 1. Januar beispielsweise müssen die Firmen hierzulande das, mit Dokumentationsaufwand verbundene, Lieferkettensorgfaltsgesetz erfüllen und es ist ein Energie- oder Umweltmanagementsystem obligatorisch.

Das Bürgergeld mag sozialpolitisch gut gemeint sein, für die Firmen wird es den Arbeitskräftemangel eher verschärfen. Die Unternehmensbesteuerung hierzulande ist die zweithöchste in der EU, Personengesellschaften stehen sogar noch schlechter da. Und was die gesellschaftliche Wertschätzung von Unternehmertum anbelangt, so schwingt oft der implizite Verdacht mit, wirtschaftlicher Erfolg gehe zu Lasten anderer, beispielsweise ausgeprägt in der Wohnungswirtschaft.

Oder nehmen wir eine immer noch drängende Facette von Planungssicherheit, um das Standortdilemma zu illustrieren: Energie. Auch wenn man es mittlerweile kaum noch hören mag, gehört keine prophetische Begabung dazu vorauszusagen, dass die Politikagenda weiterhin von Energiefragen bestimmt werden wird. Die gigantischen Subventionspakete für Strom- und Gaspreise wirken ab März, können ihrem Wesen nach aber keine strukturelle und damit anhaltende Entspannung bringen. Dazu bedarf es Eingriffe beim Energieangebot, welche allerdings angesichts programmatischer Divergenzen innerhalb der Ampel mehr als knifflig sind.

Dies wird erschwert durch drei Landtagswahlen und eine Wahlwiederholung: Berlins Neuwahlen im Februar könnte man als Bewertungsprobe der bisherigen Arbeit von SPD und Grünen ansehen – nicht nur auf Landesebene. Die Wahl zur Bremischen Bürgerschaft findet im Mai statt – also kurz nach dem endgültigen Atomkraft-Aus Mitte April. Der Urnengang in Bayern und Hessen aber im Herbst – wenn die Heizperiode vor der Tür steht und gerade die Frage der Gasversorgung erneut heikel zu werden droht. Aktuell hebt die Kernkraft-Debatte innerhalb der Regierungskoalition wieder an. Plausibel erscheint damit ein Szenario des Offenhaltens der Weiterbetriebsmöglichkeit, oder wenigstens der Diskussion darüber. Da technische Parameter und Beschaffungsfragen zu berücksichtigen sind sowie die dann besser einschätzbaren Kapazitäten neu errichteter Flüssig-Erdgas-Terminals an Nord- und Ostsee, wird im Frühjahr und Sommer eine Entscheidung fallen. Was bis dahin fehlt ist – Planungssicherheit.

Die wird derweil anderswo auf dem Globus geschaffen. Denn die Energie-Karte wird natürlich auf der Weltbühne der Industriepolitik gespielt. Die USA haben den Inflation Reduction Act (IRA) verabschiedet, ein Bündel wirtschaftspolitischer Maßnahmen, welches unter anderem enorme Steueranreize für Erneuerbare Energien vorsieht, und zwar im Umfang von umgerechnet über 200 Mrd. Euro. Angesichts eines Anteils fossiler Quellen an der US-Primärenergieerzeugung von über 80 Prozent sicher ein folgerichtiger Schritt.

Allerdings sind die Steuervergünstigungen an Standortbedingungen geknüpft. Beispielsweise müssen gemäß IRA förderfähige Elektro-Pkw wenigstens in Nordamerika zusammengebaut werden. Im Zusammenspiel beispielsweise mit den um mehr als die Hälfte günstigeren Strompreisen in den USA entfaltet sich hier ein mächtiger Pull-Faktor für Ansiedlungsentscheidungen. Oder anders gewendet: für die Abwanderung anderswo. Entsprechend zeigt sich Bundesfinanzminister Christian Lindner, gemeinsam mit seinen EU-Kolleg/innen, sehr besorgt über diese Situation.

Dabei mangelt es in Europa nicht an Geld. Im Gegenteil: Der New Green Deal der EU übersteigt den Erneuerbare-Energien-Anteil des IRA um mehr als das Doppelte. Allerdings ist die Herangehensweise eine diametral andere: Die EU-Taxonomie stellt die Erschwernis gegen die unerwünschte, nicht den Anreiz für die erwünschte Unternehmerentscheidung in den Vordergrund. Während ein Tax Credit eine sichere Entscheidungsvariable ist, bedarf es in Deutschland und der EU des Wohlwollens des Staates, Verluste auszugleichen. Welcher politische Akteur ist näher an der Unternehmerrealität?

Wir erleben gerade, dass die Zeitenwende kein Moment, sondern ein Prozess ist. Umverteilung zur Kompensation von Krisenlasten trägt nur ein Stück weit. Eine stabile Lösung kann einzig und allein die Rückkehr zu einer Standortpolitik sein, die an den Notwendigkeiten und Interessen der Unternehmen ausgerichtet ist. Erste Stimmen namhafter Politiker/innen werden laut, in diese Richtung zu handeln. In den kommenden Monaten sollte daraus dringend ein vielstimmiger Chor werden. Das wäre ein guter Vorsatz für die Politik.

In unserer Reihe KLARTEXT lesen Sie persönliche Meinungen und Denkanstöße.

Achim Oelgarth
Geschäftsführender Vorstsnd
Ostdeutscher Bankenverband e.V

Veröffentlicht: 05.  Januar 2023

Bleiben Sie informiert! Jetzt haben Sie die Möglichkeit, sich in unseren Verteiler eintragen zu lassen. Somit sind Sie immer auf dem Laufenden, was Ostdeutschland bewegt.