#Klartext
Nobelpreis und Ampel-Krise: Vorfahrt für den Markt schafft Wohlstand
Eigentlich ist noch viel Zeit. Fast ein Jahr steht der Ampelkoalition noch zum Regieren zur Verfügung . Und doch wird immer deutlicher, der Wahlkampf ist eröffnet. Nicht nur gegenüber der Opposition, sondern auch untereinander. Bereits vor den nicht gerade rosig für die Ampelkoalitionäre ausgefallenen Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg bemühte der nun bald scheidende Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour den Begriff der „Übergangsregierung“ für das Bündnis aus Rot, Grün und Gelb. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht ostentative Forderungen nach Positionsverschiebungen von Vertreter/innen der SPD, FDP oder der Grünen an einen oder zwei der jeweils anderen Partner gestellt werden. Gipfel-Einladungen der einen Partei werden mit Gegengipfeln der anderen beantwortet, Konzeptions-Papiere unabgestimmt in die Öffentlichkeit gegeben, der wirtschaftspolitische Vorschlag von einer Koalitionsseite mit sofortiger Kritik und Ablehnung aus der anderen Richtung überzogen.
Das Kernstück des Regierungshandelns, der Bundeshaushalt, harrt noch immer in der Verabschiedung. Der heute anbrechende November wird hier der Monat der Entscheidung. Für den 14.11. ist die Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses anberaumt. Dabei muss es den Mitglieder gelingen, ein deutlich einstelliges Milliardenloch zu schließen. Am 29.11. steht die dritte Lesung samt Abstimmung auf der Tagesordnung des Bundestages. Von Ampel-Harmonie in Sachen Haushaltspolitik ist allerdings nichts zu spüren. Und schon werden Stimmen laut, die die Haushaltsverabschiedung als Sollbruchstelle der Ampel sehen und im Falle des Misslingens Neuwahlen anmahnen.
Wie auch immer man den derzeitigen Holperkurs bewertet, wirkliches Problemlösen ist so nicht möglich. Dabei gäbe es wirklich einiges zu tun, um die deutsche Volkswirtschaft aus dem nun schon unverhältnismäßig lange dauernden Trägheitsmodus herauszuholen. 16 reformschwache Jahre und ein Bündel an geoökonomischen und geopolitischen Strukturverschiebungen lassen nur einen Schluss zu: Ärmel hochkrempeln und anpacken!


Angesichts der reichlich vorhandenen Herausforderungen muss man aber nicht den Mut sinken lassen. Denn es gibt eine gute Nachricht – und die kommt aus Stockholm. Die diesjährigen Laureaten des Wirtschaftsnobelpreises, Daron Acemoglu, Simon Johnson und James A. Robinson, machen in ihren nun gewürdigten Arbeiten deutlich, dass Institutionen entscheidend für den Wohlstand der Nationen sind – und damit auch im globalen Maßstab. Der Wachstumsvorsprung von Volkswirtschaften gründet sich zu großen Teilen auf technischen Fortschritt, den Schutz des Privateigentums und die Funktionsfähigkeit des Marktes. Letzterer stimmt die Pläne der einzelnen Akteure auf hervorragende Weise ab und sorge für den Ausgleich der Interessen. Gleichzeitig verhindert der so vorherrschende Wettbewerb die Bevorzugung bestimmter Gruppen. Zusammen mit Rechtsstaatlichkeit und privatem Eigentum sei dies die Bauanleitung für den Wohlstandsturbo.
Andererseits behindere die Einschränkung wirtschaftlicher und persönlicher Freiheit, bremsten die Bevormundung durch autokratische Sonderinteressen sowie planwirtschaftliche Vorgaben das Aufblühen einer Wirtschaft.
Nun wird als Gegenthese zu diesen Positionen gern China herangezogen, wo man Plan und Markt auf stimmige Weise vereint sieht. Aktuell jedoch überwiegen im Reich der Mitte die Probleme – und zwar nicht konjunktureller, sondern struktureller Art. Jahrzehntelang setzten die Fünf-Jahres-Pläne der Kommunistischen Partei auf den Ausbau industrieller Kapazitäten, wurde der Immobiliensektor gefördert und eine sehr offensive Exportstrategie gefahren. Der private Konsum spielte hingegen eine untergeordnete Rolle. Nun aber herrscht eine veritable Immobilienkrise, finden die Industriegüter immer weniger Abnehmer, zuhause wie auf den Weltmärkten. Chinas Wirtschaft schwächelt und die Delle kann sich zur Strukturkrise auswachsen.
Beide Erkenntnisseiten zusammengenommen, wäre es sicher keine schlechte Idee, in Berlin die Bücher der Nobelpreisträger in die Hand – und sich zu Herzen zu nehmen. Wer über die Faktoren des Erfolges unserer Wirtschaft in den zurückliegenden Jahrzehnten nachdenkt, sieht sofort, dass die Soziale Marktwirtschaft der Garant für Wohlstand für alle ist. Warum also nicht ein Ampel-Reset mit echtem Bürokratieabbau, Vorfahrt von Unternehmergeist vor Versorgungsmentalität, marktlichen Entdeckungsverfahren vor planwirtschaftlicher Allwissenheits-Attitüde? Die empirischen Belege, dass dies eine schlaue Entscheidung ist, kommen (nicht erst jetzt) aus Stockholm. Den Willen dazu braucht es bei Rot, Gelb und Grün.
Achim Oelgarth
Geschäftsführender Vorstand
Ostdeutscher Bankenverband e.V.

Veröffentlicht: 29. Oktober 2024
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