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#FridayThoughts

Vor der politischen Sommerpause: Guter Start – Fortsetzung muss folgen

Die Abgeordneten des 21. Deutschen Bundestages haben noch eine Sitzungswoche vor sich, dann geht es in die Sommerpause. Die Erholung haben sich die Mandatsträger/innen redlich verdient, ebenso wie die Mitglieder der ebenfalls pausierenden Bundesregierung. Seit der Wahl von Friedrich Merz (CDU) zum Kanzler am 6. Mai werden bis zum Freitag vor der Sommerpause 66 Tage vergangen sein – und in dieser Zeitspanne haben Regierung und Parlament etliche Projekte angeschoben, die der deutschen Wirtschaft gut tun.

Schon Ludwig Erhard wusste: Wirtschaft ist zu 50 Prozent Psychologie. Und hier kann Schwarz-Rot punkten und für eine Stimmungsaufhellung in der deutschen Wirtschaft sorgen. Zu beobachten beispielsweise am Ifo-Geschäftsklimaindex: Der kletterte im Juni auf 88,4 Punkte – mehr als von den meisten Analysten erwartet. Und auch der Einkaufsmanagerindex setzte seinen Aufwärtstrend seit Anfang 2025 fort und landet im Juni bei 49 Punkten, was knapp unter der Wachstumsschwelle ist.

Die meisten Wirtschaftsforschungsinstitute und Research-Abteilungen der Banken heben ihre Konjunkturprognosen 2025 an. Der Konsens über alle Analysen liegt aktuell zwischen 0,1 und 0,5 Prozent BIP-Plus für Deutschland im laufenden Jahr. Pessimisten, die noch mit einer Schrumpfung rechnen, werden weniger – und wohl nach den Herbstkorrekturen ganz verschwinden. 2026 soll die wirtschaftliche Dynamik dann deutlicher anziehen.

Diese Konjunktur-Komponente wird durch die Anfang Juni vom Bundeskabinett verabschiedeten Maßnahmen unter dem Begriff „Wachstumsbooster“ ganz sicher gestärkt. Instrumente wie die degressive 30 Prozent-AfA oder die Erweiterung der Bemessungsgrundlage bei der steuerlichen Forschungsförderung gehen in die richtige Richtung. Aber ehrlicherweise fängt der Booster, also die Initialzündung für eine Phase neuen Wachstumsschwungs, an dieser Stelle schon an zu stottern. Denn eine Förderung der E-Mobilität für Firmenflotten ist kein Gamechanger. Was noch schwerer wiegt: Die im Booster-Paket enthaltene Senkung der Körperschaftsteuer wird auf das Ende der Legislaturperiode terminiert. Doch gerade die steuerliche Belastung ist ein schwerer Klotz am Bein der Unternehmen.

Mit der Steuerpolitik richtet sich der Blick auf eine zweite Schublade im Schrank der Wachstumshürden und auf der klebt das Schild „Strukturschwächen“. Aufgezogen hat sie die Koalition bislang nicht. Dabei wäre hier Etliches hervorzuholen und in den Papierkorb zu verfrachten. Zudem hätte die Zeit seit der Wahl gereicht für das ein oder andere Aufbruchssignal in dieser Hinsicht. Als exemplarisch lässt sich der ganz aktuelle Streit um die Absenkung der Stromsteuer betrachten. Dass das produzierende Gewerbe in den Genuss eines Stromsteuersatzes auf europäischem Mindestlevel kommt, ist richtig. Richtig ist jedoch auch: Der Großteil der Wirtschaft geht bei der Senkung leer aus. Gewerbe, Handel oder Dienstleistungen zahlen weiter 2,05 Cent pro Kilowattstunde. Was bei einem Haushalt um die 100 Euro im Jahr ausmacht, summiert sich bei Unternehmen auf bis zu siebenstellige Beträge.

Es bedarf keiner Kenntnisse in Raketenwissenschaft um zu verstehen, dass solche Mittel bei dem fehlen, was Deutschland ganz, ganz dringend braucht: mehr Investitionen. Diese zu entfesseln, dafür müsste die schwarz-rote Koalition endlich den großen Schraubenschlüssel hervorholen: den des Paradigmenwechsels.

Für Wachstum sorgen in erster Linie die über drei Millionen Unternehmen hierzulande. Denen schuldet Politik mehr Vertrauen, weniger Gängelung, größere Wertschätzung. Auch Verständnis dafür, dass die aktuelle Energiepolitik über den Aspekt der Stromsteuer hinaus ein hohes Investitionshemmnis ist. In einer Reihe mit einem weiterhin sehr eng geschneiderten Bürokratie-Korsett sowie einem immer stärker anschwellenden Mangel an Fachkräften oder der Last an Gebühren und Steuern. Der Markt, nicht der Staat muss wieder oberste Koordinierungsstelle für unternehmerische Aktivität sein.

Und was ist dran an dem Argument, mit Sondervermögen und wirklich großzügiger Lockerung der Schuldenbremse übernimmt nun eben der Staat die Oberhand in puncto Investitionen und sorgt für BIP-Auftrieb? Natürlich können deutlich ausgeweitete Verteidigungsausgaben oder die Reparatur, Modernisierung Infrastruktur mit einer Sonderkonjunktur verbunden sein, wie hier und dort im politischen Bereich vorgebracht wird. Allein in die sechs ostdeutschen Bundesländer werden gemäß Königsteiner Schlüssel rund 20 Mrd. Euro aus dem Sondervermögen fließen.

Doch es seien zwei Fragen erlaubt: Wie lange währt solch ein Schwung? Und sind die neuen Schuldenregel nicht so gestrickt, dass man Kernhaushalte und Sondervermögen zu einem Verschiebebahnhof macht? Denn das u.a. von den Grünen oder von Experten wie Ifo-Chef Clemens Fuest geforderte Kriterium der „Zusätzlichkeit“ bei den Staatsinvestitionen fand keine Aufnahme in die entsprechenden Gesetzestexte. Daher ist das Risiko nicht von der Hand zu weisen, dass Booster und Sondervermögen letztlich nur ein Strohfeuer entfachen und zudem der Finanzierung laufender Aufgaben dienen.

Aller Anfang ist schwer, sagt ein Sprichwort. Daher ist es gut, wenn Strandspaziergänge oder Bergwanderungen in der Sommerpause erst einmal Zeit bieten für Krafttanken und neue Inspiration. Denn eines ist angesichts der ersten Weichenstellungen sicher: In den kommenden Monaten steigen nicht nur die Temperaturen, sondern auch die wirtschaftspolitischen Erwartungen an Schwarz-Rot.

„Schwarz-Rot verdient sich sicher eine kurze Zeit zum Durchatmen, doch die Erwartungen an ihre Wirtschaftspolitik steigen mit den Temperaturen.“  

Achim Oelgarth
Geschäftsführender Vorstand
Ostdeutscher Bankenverband e.V.

Veröffentlicht: 04. Juli 2024

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