#FokusLand
Business Roundtable Indien:
Viel erreicht und noch viel zu tun
Ein Gigant setzt zum großen Sprung an – Indien. Zehn Jahre ist es her, dass Narendra Modi zum ersten Mal das Amt des Ministerpräsidenten übernommen hat. Geprägt hat er ein Jahrzehnt des wirtschaftlichen Booms für das inzwischen mit 1,4 Mrd. Menschen größte Land der Erde. Die Modinomics, wie sie auch genannt werden, sind ein Bündel aus wirtschaftspolitischen Weichenstellungen, die das einstige Entwicklungsland zu einer der der stärksten Volkswirtschaften im globalen Maßstab formen sollen – wenn nicht zur stärksten.
Die Erfolge sind beachtlich, wie der Ostdeutsche Bankenverband in seiner diesjährigen Informationsreihe „FokusLand: Indien“ immer wieder deutlich gemacht hat. Die Mondlandung, der Aufstieg indischer Industriekonglomerate und nun auch von Banken unter die Top-Ten der Welt sowie Platz 1 im globalen Ranking der Unicorns, also der Startups mit einer Marktkapitalisierung von 1 Mrd. US-Dollar und mehr, sind beredete Zeugnisse dafür, dass sich der Ehrgeiz Indiens auszahlt.
Und diese Erfolge bildeten auch den Hintergrund des gemeinsamen „Business Roundtables FokusLand: Indien“ der Botschaft Indiens in Berlin und des Ostdeutschen Bankenverbands am 27. September. Die indischen Gastgeber machten klar, dass man sich mit der bisherigen Performance nicht zufrieden gibt. Bis 2047, also in weniger als einem Vierteljahrhundert, will der südasiatische Subkontinent ein entwickeltes Industrieland sein – mit anderen Worten: ein G7-Player. Diese Devise hat Premier Modi vor den diesjährigen Wahlen ausgegeben und sie ist Zielvision für die Fortsetzung der von ihm forcierten ökonomischen Aufholjagd, für die er nun ein erneutes Mandat erhalten hat.
Dinish Antil, Gesandter für Wirtschaft- und Handelsfragen der Botschaft Indiens, berichtete, dass der Anteil der Menschen in Indien, die über ein Bankkonto verfügen, in den letzten zehn Jahren von 50 Prozent auf 80 Prozent gestiegen ist. In absoluten Zahlen entspricht diese Steigerung der Einwohnerzahl der Europäischen Union. Inzwischen verfügt Indien zudem mit dem Unified Payment Interface (UPI) über ein Instant Payment System, das den Zahlungsverkehr in Indien revolutioniert und Finanzservices via Smartphone und andere Smart Devices in die entlegensten Ecken des Riesenlandes bringt. UPI wurde während des Business Roundtables ausführlich dargestellt und bietet auch für Firmen, die Indien als Produktionsstandort oder Absatzziel nutzen, immense Vorteile. 2023 wurden über UPI 117 Mrd. Transaktionen abgewickelt, was weltweit Platz eins unter den Zahlungssystemen bedeutet.
Neben der digitalen ist die physische Infrastruktur ein Hauptansatzpunkt der aufholenden Strukturpolitik Indiens. Von 2014 bis heute wurden zwischen Ladakh im Norden und Tamil Nadu im Süden, zwischen Gujarat im Westen und Odisha im Osten 54.000 Kilometer Straße gebaut, was mehr als das Kernstraßennetz der EU ist. Zudem werden Häfen modernisiert, plant Indien den Bau von 71 neuen Flughäfen und will Narendra Modis Regierung in den kommenden fünf Jahren bis zu 144 Mrd. US-Dollar in das indische Eisenbahnnetz investieren. Olaf Tröber, CFO der Verbio SE mit Sitz in Leipzig, die in Indien die größte Biogasanlage im Unternehmensportfolio betreibt, der regelmäßig Indien besucht, fasste am Rand des Business Roundtables die Riesensprünge in Sachen Infrastruktur so zusammen: „Jedes Mal, wenn ich wieder da bin, gibt es mehr Straßen oder etwas anderes Neues.“
Doch auch wenn Indien in Sachen Wirtschaftsdynamik die Sieben-Meilen-Stiefel angezogen hat, bleibt noch viel zu tun. Aktuell die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt will Indien bis 2027 auf Platz drei vorgerückt sein. Dabei soll auch das Pro-Kopf-Einkommen in etwa verdoppelt werden, von derzeit rund 2400 US-Dollar auf 4500 US-Dollar. Hauptbaustellen für Premier Modi und seine Minister sind die Steigerung der Erwerbsbeteiligung, vor allem gut ausgebildeter junger Menschen, die in der Masse immer noch eher kleinteilige Wirtschaftsstruktur sowie der Fakt, dass weiterhin rund 20 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in dem (zu nicht unerheblichen Teilen eher unproduktiven) Agrarsektor erwirtschaftet werden.
So kontrastieren in Indien noch die Superlative auf der Habenseite mit denen auf der To do-Liste. Doch Indien verfügt über einen enormen Erfolgsfaktor, den Markus Spieker, ehemaliger Leiter des ARD-Studios Südasien in Neu Delhi beim Roundtable beschrieb als Fortschrittsoptimismus. Und gerade hier, so der Journalist, könnte Deutschland einiges von Indien lernen.
Alexander Schumann
Leiter Konjunktur und Sonderprojekte
Ostdeutscher Bankenverband e.V.
Veröffentlicht: 2. Oktober 2024
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