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MITTELSTAND / WIRTSCHAFTSENTWICKLUNG

Quo Vadis China-Deutschland?

Deutschlands Geschäftsmodell steht – wieder einmal – im Fokus der Diskussion. Haben uns doch gerade die letzten zwei Jahre gezeigt, zu welchen Problemen übermäßige Abhängigkeiten von einzelnen Ländern führen können. Umso wichtiger ist es daher einen kritischen Blick auf unsere Handelsbeziehungen zu werfen, um zu sehen, mit welchen Veränderungen und Schwierigkeiten wir zukünftig konfrontiert werden. Eine dieser herausfordernden Beziehungen ist die zu China. Was bedeutet dies aber mittel- bzw. langfristig für unseren Mittelstand in Ostdeutschland?

China ist Deutschlands wichtigster Außenhandelspartner

Dazu erst einmal einige Zahlen: China war 2021 zum sechsten Mal in Folge Deutschlands wichtigster Außenhandelspartner. Waren im Wert von knapp 246 Mrd. Euro wurden zwischen den beiden Ländern gehandelt. Während die Exportdynamik Deutschlands nach China seit 2020 allerdings stetig nachlässt, legten die Importe aus Fernost überproportional zu. Der Anteil Chinas am Import mit Waren betrug so im 1. Halbjahr 2022 12,4% (2019: 10%). Damit belegt das Land den ersten Platz bei den Importen. Ebenfalls drastisch gestiegen sind die Direktinvestitionen deutscher Unternehmen in der Volksrepublik. Diese lagen im ersten Halbjahr 2022 bei 10 Mrd. Euro.

Und auch für die ostdeutschen Bundesländer ist China Nr. 1 Export- und Importpartner. Exemplarisch dafür ein Blick nach Thüringen: 6% der Ausfuhren des Freistaates gingen nach China und 11% der Einfuhren kamen aus der Volksrepublik. Und das derzeit prominenteste Beispiel eines chinesischen Unternehmens mit Investitionen ist sicherlich der Batteriezellenhersteller CATL. Seit vergangenem Jahr läuft die erste Serienproduktion von Batteriezellen außerhalb Chinas nahe des Erfurter Kreuzes.

Eine Antwort auf die Einstiegsfrage ist daher vielschichtig. Einerseits zeigen Zahlen des Instituts der deutschen Wirtschaft, dass die steigenden geopolitischen Risiken zumindest kurzfristig zu keiner Abkühlung der Handelsbeziehungen führten, im Gegenteil, Unternehmen haben sich eher noch abhängiger gemacht. Andererseits warnen immer mehr Expert/innen vor ebendieser einseitigen Abhängigkeit und Umfragen etwa des DIHK zeigen, dass die Lage kritischer eingeschätzt wird. Von den derzeit in China ansässigen Unternehmen sehen weniger als zuvor eine gute Geschäftslage. Auch rechnen weniger Unternehmen mit wirtschaftlichem Wachstum dieses Jahr. Außerdem plant eine geringere Anzahl von Firmen ihr Investitionsbudget in China auszuweiten. Die TrendOst-Umfrage des Ostdeutschen Bankenverbandes bestätigt ebenfalls den veränderten Blick: Sahen 2020 noch 55% der befragten Expert/innen China als zukünftig wichtigen Handelspartner, sank dies bei erneuter Befragung im Herbst 2022 auf nur 33% ab. Deutlich wichtiger wurden dagegen wieder die USA und Kanada.

Gleichwohl wird aber China ein bedeutsamer Handelspartner bleiben. Das ist gerade für Deutschland besonders relevant. Abschottung oder gar Entkoppeln ist keine Lösung. Denn: Ein großer Teil unseres erfolgreichen Wirtschaftswachstums beruht – aufgrund unserer umfangreichen Einbindung in die internationalen Handels- und Wertschöpfungsketten – auf den Prinzipien offener Weltmärkte.

Was allerdings passieren muss, ist ein deutlich besseres Risikomanagement – von Politik und Wirtschaft.

Der Inhalt der China-Strategie muss zügig klargestellt werden

Dazu gehört zuvorderst eine schnelle Klarstellung der Bundesregierung zum Inhalt der angekündigten China-Strategie. Grundsätzlich muss innerhalb einer einheitlichen europäischen Zielvorstellung gegenüber der Volksrepublik auf nationalstaatlicher und regionaler Ebene (Bundesländer) eine strategische Vorgehensweise definiert werden, mit der man sich wirkungsvoll als glaubwürdige Einheit positioniert. Nur so entsteht Überzeugungsstärke – vor allem aber Planungs- und Investitionssicherheit für unsere Unternehmen. Und ein neuer Umgang mit China heißt die Suche nach Kooperationsfeldern fortzusetzen, aber dabei mehr Regeln einzufordern. Ansiedlungen und Investitionen müssen weiter möglich sein, aber der Blick auf kritische (und sicherheitsrelevante) Wirtschaftsbereiche darf nicht fehlen. Und nicht zuletzt heißt ein neuer Umgang mit China auch eine Veränderung im Umgang mit den USA, denn diese werden die Abkopplung von China mit Nachdruck – auch bei den Partnern – durchsetzen wollen. Gerade das sorgt auch in den ostdeutschen Bundesländern für eine kniffelige Lage (neben China gehören die USA zu den Haupthandelspartnern). Mit diesen Spannungsfeldern muss man sich daher als Unternehmen und Politik frühzeitig auseinandersetzen.

Ein weiteres Handlungsfeld gerade für Unternehmen heißt Diversifizierung! Unternehmen müssen ihre Risiken frühzeitig identifizieren und gegensteuern, das heißt vor allem neue Absatz- und Beschaffungsmärkte in den Blick zu nehmen, da sich China zunehmend zum „Klumpenrisiko“ entwickelt. Dabei muss die Politik unterstützen und aktiv Alternativen zu China fördern, u.a. durch erleichterte Markteintritte und Abschaffung von Zugangsbarrieren. Neue Handelsabkommen müssen ebenfalls abgeschlossen werden. Das sollte einerseits schnellergehen als es jetzt bei CETA der Fall war (Ratifizierung in Deutschland erst fünf Jahre nach Inkrafttreten). Andererseits dürfen die Abkommen nicht mit sozialen und nachhaltigen Zielen überfrachtet werden. Absolut richtig ist es, wertebasierte Rahmenbedingungen vorzugeben. Dennoch dürfen die sicherheits- und sozialpolitischen Aufgaben eines Staates nicht auf unsere Unternehmen ausgelagert werden. Gerade dies ist für den eher kleinteiliger organisierten Mittelstand Ostdeutschlands nicht zu bewältigen.

Aus der Sicht der Banken sind zugleich effizientere (und ggf. staatlich garantierte) Absicherungsinstrumentarien relevant. Diese ermöglichen insbesondere dem kleineren Mittelstand in bisher ungenutzten Märkten neue Geschäfte, die ohne die Absicherung mit erheblichen Risiken verbunden wären.

Und nicht zuletzt stehen die politischen Rahmenbedingungen bei uns auf der Agenda. Um Unternehmen zu befähigen, erfolgreich Außenwirtschaft zu betreiben, ist Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen, d.h. Bürokratie reduzieren, Innovationen zu befördern und Fachkräftebedürfnisse zu sichern. Wir können nur mit einer starken europäischen Wirtschaft im Systemwettbewerb bestehen – dazu gehört im Übrigen auch ein starker europäischer Kapital- und Bankenmarkt.

Fazit: Mittel- und langfristig müssen sich Gesellschaft und Markt auf Veränderungen einstellen. Dies ist aber machbar und wird auch aktiv angegangen. Diesen Weg gehen die private Banken gemeinsam mit ihren mittelständischen Kund/innen und stehen bei steigendem Beratungsbedarf mit ihrem Netzwerk sowie Expertise zur Seite.

China bleibt ein wichtiger Handelspartner, auch für Ostdeutschland. Entkopplung ist keine Lösung. Aber mittel- und langfristig müssen wir uns auf Veränderungen einstellen. Ein vorausschauendes Risikomanagement durch Politik und Wirtschaft wird daher umso wichtiger.

Katja Einecke
Leiterin Grundsatzfragen Volkswirtschaft, Handel und internationale Märkte

 

Veröffentlichung: 20. Januar 2023

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